Anna und August Golla

August (geboren 1911) wuchs als drittes, Anna (geboren 1918) als fünftes von insgesamt sechs Kindern der Eltern Sebastian und Christine Golla in Wesermünde (heute Bremerhaven) auf. Vier Geschwister von Anna und August überlebten den Krieg und starben in den 1970er-Jahren. Sie sollen nur sehr selten über August und Anna gesprochen haben. Die Geschichte wurde nach ihrem Tod von den Töchtern des jüngsten Bruders dokumentiert.

August Golla arbeitete als Netzmacher. Im November 1936 hatte er einen Weinkrampf und erzählte irritierende Dinge. Wegen seines sonderbaren Verhaltens brachte man ihn in ein Krankenhaus. Von dort wurde er in die Lüneburger Psychiatrie überwiesen. Dort verbrachte er die folgenden vier Jahre. In dieser Zeit hielt die Mutter regen Kontakt und war sehr um das Wohl ihres Sohnes besorgt.

Christine Golla schrieb eine Reihe von Briefen an die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg. Der erste noch erhaltene Brief stammt vom Juli 1937, eine letzte Postkarte (ein Gruß zu Pfingsten) erreichte die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg im Mai 1940. August Golla gehörte zu den ersten rund 120 männlichen Patienten, die von Lüneburg direkt in die Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein »planwirtschaftlich verlegt« und dort vergast wurden. Wahrscheinlich wurde er noch am Tag seiner Ankunft am 7. März 1941 ermordet.

Augusts Schwester Anna Golla erkrankt zwei Jahre später als ihr Bruder. Zuvor hatte sie als Hausgehilfin gearbeitet. Im Februar 1943 wurde sie ins Wesermünder Krankenhaus aufgenommen. Eine Woche später lief sie fort. Einen Monat später wurde sie in die Lüneburger Heil- und Pflegeanstalt eingewiesen. Da sich Anna der Arbeitstherapie entzog und Widerspruch leistete, galt sie als unbequeme Patientin. Sie blieb nur ein halbes Jahr in der Lüneburger Anstalt. Am 8. September 1943 wurde sie mit rund 300 anderen Patientinnen und Patienten in die Tötungsanstalt Pfafferode (Mühlhausen, Thüringen) verlegt.

Christine schrieb auch ihrer Tochter Anna eine Reihe von Briefen und erkundigte sich nach ihrem Befinden. Der letzte Brief erreichte Anna einen Monat vor ihrem Tod. Die Antwort auf Christines Brief fiel pessimistisch aus. Es sei keine Besserung eingetreten, das körperliche Befinden habe sich verschlechtert: »Die Kranke ist sehr matt geworden. […] Bei dem schlechten Körperzustand können Heilmaßnahmen auch nicht durchgeführt werden.« Anna starb am 11. Oktober 1944.

Christine und Sebastian Golla,
Wesermünde, ca. 1905.

Privatbesitz Angelika Beltz.

Anna Golla bei ihrer Erstkommunion, ca. 1929.

Privatbesitz Angelika Beltz.

August Golla (rechts) im Hafen von Wesermünde (Bremerhaven), Postkarte vom 1.2.1928.

Privatbesitz Angelika Beltz.

Christine wollte ihren Sohn am 1. Weihnachtsfeiertag besuchen, dies wurde jedoch von Max Bräuner mit der Begründung abgelehnt, es sei keine Besserung eingetreten, ein Besuch habe wenig Zweck.

Vermerk ohne Datum | Schreiben an das Städtische Wohlfahrtsamt Wesermünde vom 22.12.1936.

BArch R-179, Nr. 26905.

Anna Golla, ca. 1938.

Privatbesitz Angelika Beltz.

Anna Golla, Sterbemitteilung v. 11.10.1944 | Telegramm, v. 14.10.1944.

Kopie Privatbesitz Angelika Beltz.