»Kinderfachabteilung« Waldniel und Gedenkort Waldniel-Hostert

Ab 1941 wurde im ehemaligen »Schutzengelhaus« des ehemaligen St. Josefsheims der Franziskaner als Teil der Heil- und Pflegeanstalt Johannistal in Viersen-Süchteln eine »Kinderfachabteilung« betrieben, in der nach aktuellem Forschungsstand insgesamt 99 Kinder und Jugendliche untersucht, selektiert und ermordet wurden.

Der erste Leiter der »Kinderfachabteilung« Waldniel war Dr. Georg Renno. Er hatte gemeinsam mit Dr. Hermann Nitsche in Leipzig-Dösen gearbeitet und den Mord mit Barbituraten, das sogenannte »Luminalschema«, mitentwickelt. Danach war er stellvertretender Leiter der Tötungsanstalt Hartheim (bei Linz in Österreich), in der er im Rahmen der »Aktion T4« über 18.000 Menschen mit Kohlenmonoxid vergasen ließ.

Renno verließ die »Kinderfachabteilung« bereits nach wenigen Monaten im Februar 1942 aufgrund seiner Tuberkulose-Erkrankung. Ab 1. Oktober 1942 übernahm der Arzt Dr. Hermann Wesse die Leitung der Abteilung. Zuvor hatte seine Frau, Dr. Hildegard Wesse, die vorübergehende Leitung der »Kinderfachabteilung« inne. Wesse ließ sich unterdessen in der »Kinderfachabteilung« Göhrden sowie in der Bonner Kinderheilanstalt in der praktischen Handhabung der »Kinder-Euthanasie« fortbilden.

Im Zuge von Strafverfolgungen nach 1945 gestand Wesse in seiner Zeit als leitender Arzt Kinder und Jugendliche in der »Kinderfachabteilung« Waldniel ermordet zu haben. Die von ihm angegebene Zahl 30 entspricht nicht den später nachgewiesenen Todesfällen. In seiner Zeit sind tatsächlich mehr als doppelt so viele Kinder und Jugendliche ermordet worden.

Anfang Juli 1943 wurde die »Kinderfachabteilung« Waldniel kriegsbedingt aufgelöst. Die Einrichtung wurde als Ausweichkrankenhaus benötigt. Die verbliebenen 183 Kinder und Jugendlichen wurden in fünf andere »Kinderfachabteilungen« verlegt. Die Verlegungen erfolgten nach Ansbach, Göhrden, Uchtspringe, Ueckermünde und Lüneburg. Die »Kinderfachabteilung« Lüneburg nahm am 3. Juli 1943 insgesamt 38 Kinder und Jugendliche aus Waldniel auf. Mindestens 25 von ihnen überlebten nicht. Ein Kind wurde neun Wochen nach der Verlegung nach Lüneburg »ungeheilt entlassen«. Ein weiteres Kind wurde im August 1944 in die Stiftung Eben-Ezer nach Lemgo weiterverlegt.

Obwohl es nach 1945 ein Ermittlungsverfahren gegen Hermann Wesse gab, begann eine erste Aufarbeitung der Verbrechen in Waldniel erst im Jahr 1962 auf Initiative der Kirchengemeinden. Auf dem Friedhof wurde im selben Jahr ein Ehrenfriedhof mit Hochkreuz hergerichtet. 1982 wurde das Hochkreuz mit einer Gedenktafel für die Opfer der »Euthanasie« versehen. Zwischen 1986 und 1988 wurde der inzwischen entwidmete Friedhof von der Gemeinde Schwalmtal sowie mit Unterstützung einer ortsansässigen Hauptschule in eine Gedenkstätte umgewandelt. Zwischen 2016 und 2018 wurde der Gedenkort von der Wiener Arbeitsgemeinschaft Struber_Gruber neugestaltet und am 29. Mai 2018 eingeweiht. Wesentliches Merkmal der künstlerischen Gestaltung ist die Nennung der bekannten Namen der Opfer.