Therese Schubert

Therese Schubert, geb. Keck, geboren am 21. April 1887 in Lüneburg, wuchs gemeinsam mit ihren beiden älteren Schwestern Frieda und Christine in gutbürgerlichen Verhältnissen in der Friedenstraße 10 auf. Im Winter 1913/1914 ging sie für einige Monate nach Somerset (USA), um Erfahrungen als Kindergärtnerin zu sammeln. Nach ihrer Rückkehr nahm sie in Hamburg die Ausbildung zur Kindergärtnerin auf. Zur selben Zeit lernte sie ihren zukünftigen Ehemann Heinrich Schubert kennen, der in Lüneburg ein angesehener Stadtbaumeister war. Am 21. September 1920 heirateten Therese und Heinrich Schubert. Aus der Ehe gingen zwei Söhne hervor, Jürgen und Theo.

1926 verstarb Heinrich Schubert plötzlich. Er war in der Ilmenau ertrunken. Therese Schubert verkraftete den Tod ihres Ehemannes nicht und entwickelte schwere Depressionen. Nach erfolgloser Behandlung durch den Hamburger Nervenarzt Max Nonne und anschließender Unterbringung im Ginsterhof bei Hamburg, kehrte sie zu ihren Schwestern zurück, die inzwischen das Haus in der Schillerstraße 5 in Lüneburg bewohnten. Da sich Therese Schuberts Gesundheitszustand jedoch nicht besserte, wurde sie am 24. November 1932 in die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg aufgenommen. Die Diagnose des Amtsarztes lautete »Jugendliches Irresein«.

Der Kontakt zu ihren Söhnen Jürgen und Theo, die inzwischen dauerhaft bei Thereses Schwester Christine Keck lebten, brach ab. Zwar brachte Theo Kleidung und zusätzliche Lebensmittel in die Heil- und Pflegeanstalt, er gab sie jedoch beim Pförtner ab, ohne seine Mutter zu besuchen. Er fürchtete sich vor einer Begegnung mit seiner erkrankten Mutter. Am 9. April 1941 wurde Therese Schubert in die Zwischenanstalt Herborn verlegt und von dort weiter in die Tötungsanstalt nach Hadamar deportiert. Am 28. Mai 1941 wurde sie im Rahmen der »Aktion T4« ermordet.

Ihre Schwestern und die inzwischen erwachsenen Söhne erhielten die Nachricht, Therese sei an einer Lungenentzündung verstorben. Dies bezweifelten die Angehörigen. Die Familie ließ die Urne mit der angeblichen Asche von Therese Schubert nach Lüneburg überführen und setzte sie neben dem Grab ihres Ehemannes bei. Gegen eine Auflösung der Grabstätte nach abgelaufener Ruhezeit wehrte sich Theo Schubert erfolgreich. 2014 setzte die Friedhofsverwaltung die Ruhestätte von Therese und Heinrich Schubert auf die Liste historischer Gräber, sodass sie dauerhaft erhalten bleibt. 2022 wurde eine Gedenktafel ergänzt, die über ihre Geschichte informiert.

Ein Stolperstein in der Schillerstraße 5 erinnert an Therese Schubert, geboren am 21. April 1887, ermordet am 28. Mai 1941.

Therese Keck ist im Jahr 1887 geboren.
Sie kommt aus Lüne-Burg.
Sie wohnt in der Frieden-Straße 10.

Therese wird von allen Resi genannt.
Der Vater von Resi ist Maurer-Meister.
Die Mutter ist Haus-Frau.
Sie hat 2 ältere Schwestern.
Ihre Namen sind Christine und Frieda.

Mit 26 Jahren lebt Resi einige Monate in Amerika.
Dort passt sie auf Kinder auf.
Sie mag Kinder sehr gerne.
Nach Amerika macht sie eine Aus-Bildung zur Kinder-Gärtnerin.

Sie lernt auch ihren Mann Heinrich Schubert kennen.
Heinrich arbeitete als Bau-Direktor bei der Stadt Lüne-Burg.
Resi und Heinrich heirateten im Jahr 1920.
Die beiden haben 2 Söhne:
Jürgen und Theo.

6 Jahre nach der Hochzeit stirbt der Mann von Resi.
Resi verkraftet den frühen Tod ihres Mannes nicht.
Resi ist sehr traurig und macht komische Sachen.
Sie kann nicht mehr arbeiten.
Sie kann sich auch nicht mehr um ihre Söhne kümmern.

Nach 6 Jahren kommt Resi in ein Heim.
Sie bleibt dort nur 4 Wochen.
Zuhause kann sie auch nicht sein.
Sie kommt nicht zur Ruhe.
Sie ist sehr nervös.

Darum kommt Resi in die Anstalten in Lüne-Burg und Uelsby.
Ein Arzt gibt ihr die Diagnose »Realitäts-Verlust«.
Im Jahr 1936 kommt Resi zurück in die Anstalt in Lüne-Burg.

Theo will seine Mutter besuchen.
Seine Tante Christine gibt ihm Sachen für Resi mit.
Aber Theo hat Angst.
Er gibt die Sachen beim Pförtner ab.
Danach sieht er seine Mutter nie wieder.

Im April 1941 wird Resi in eine Tötungs-Anstalt gebracht.
Dort wird sie mit Gas ermordet.

Die Familie lässt die Urne von Resi nach Lüne-Burg bringen.
Sie wird auf einem Fried-Hof in Lüne-Burg beerdigt.
Theo kümmert sich lange Zeit um das Grab.
Dann soll das Grab auf-gelöst werden.
Dafür wird ein Schild auf dem Grab auf-gestellt.
Theo nimmt das Schild immer wieder heraus.
Das Grab von seiner Mutter soll bleiben.

Nun bleibt das Grab von Resi für immer erhalten.
Denn es ist ein Grab von einem Opfer von Krieg und von
Gewalt-Herrschaft.

Die Familie von Resi kann das Grab darum heute noch besuchen.

Es gibt ein Schild am Grab.
Darauf steht die Geschichte von Resi.
Und es gibt einen Stolper-Stein.
Er liegt in der Schiller-Straße 5 in Lüne-Burg.

Therese Schubert und Theo Schubert
Ulrike Haus

Therese Schubert 21.9.1920
Ulrike Haus

Theodor Jenckel

Theodor Jenckel wurde 1873 geboren. Bis zu seiner Aufnahme in die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg am 15. Oktober 1901 lebte Theodor Jenckel im Zentrum der Stadt Lüneburg, Am Sande 15.
Vor seiner ersten Aufnahme in die Heil- und Pflegeanstalt soll er bereits zehn Jahre an Wahrnehmungsstörungen und Unruhe gelitten haben. In seiner Patientenakte wurde notiert, dass er ein Gymnasium besuchte und danach Maschinenbauer lernte. Im 16. Lebensjahr erkrankte er erstmals und litt unter heftigen Kopfschmerzen. Dadurch konnte er seinen Beruf nicht mehr ausüben. Vergeblich versuchte er in einem anderen Bereich Fuß zu fassen. Er wurde interessen- und antriebslos. Diese Entwicklung ließ sich auch durch seinen Anstaltsaufenthalt nicht abmildern.

Auf dem Charakteristik-Bogen seiner Krankenakte findet sich der Stempel: »Erbbiologisch erfasst. Sippentafel und Karteikarte angelegt«. Diese »erbbiologische Erfassung« traf zunächst Patientinnen, denen eine »Erbkrankheit« unterstellt wurde. Ziel der »rassenhygienischen Politik« war es jedoch, die gesamte Bevölkerung auf ihren »rassebiologischen Wert« hin zu erfassen.

Auch weil er sich wohl nicht zur Arbeitstherapie motivieren ließ, wurde er für die »Aktion T4« selektiert. Am 23. April 1941 wurde Theodor Jenckel in die Zwischenanstalt Herborn und nach einer kurzen Beobachtungszeit von dort in die Tötungsstätte Hadamar verlegt. Auf seiner Akte notierte der verlegende Arzt: »Ungeheilt nach Herborn«. Er wurde Mitte Mai 1941 in Hadamar vergast.

Seit 2009 erinnert Am Sande 15 in Lüneburg ein Stolperstein an Theodor Jenckels Schicksal.

Theodor Jenckel ist 1873 geboren.
Er kommt aus Lüne-Burg.
Er lebt im Zentrum der Stadt.
Er lebt Am Sande.
Er ist ein guter Schüler.
Nach der Schule lernt er Maschinen zu bauen.

Als er 16 Jahre alt ist wird er krank.
Er bekommt Kopf-Schmerzen.
Danach kann er nicht mehr arbeiten.
Er probiert andere Arbeit.
Aber es klappt nicht.
Er schafft die Arbeit nicht.
Er ist zu oft müde.
Und er hat zu oft nicht genug Kraft.

Im Jahr 1901 kommt Theodor Jenckel in die Anstalt.
Die Anstalt gibt es da erst seit wenigen Wochen.
Er ist einer der ersten Patienten.

Da ist er schon 10 Jahre erkrankt.
Er ist un-ruhig.
Er kann nicht gut schlafen.
Er hört Stimmen die es nicht gibt.

Theodor wird von einem Arzt gemeldet.
Der Arzt sagt:
Theodor ist nicht lebens-wert.
Weil er nicht arbeitet.
Und weil sein Aufenthalt im Kranken-Haus teuer ist.
Darum muss er sterben.

Er wird im April 1941 in eine Tötungs-Anstalt verlegt.
Dort wird er mit Gas ermordet.
Er ist ein Opfer des Patienten-Mordes.

Es gibt einen Stolper-Stein für Theodor Jenckel.
Er liegt am Platz Am Sande in Lüne-Burg.

Mariechen Petersen

Mariechen Petersen wurde am 2. Juni 1933 als zweites Kind von Wilhelm und Erna Petersen geboren. Das Ehepaar Petersen hatte insgesamt acht Kinder. Die Familie wohnte in der Rotehahnstraße 4. »Mike«, wie Mariechen von den anderen Kindern genannt wurde, habe dort immer auf der Türschwelle gesessen und den vielen Kindern in der Straße beim Spielen zugeguckt. Ihr Vater Wilhelm Petersen starb als Soldat am 18. Juli 1941. Von da an musste Erna Petersen ihre neunköpfige Familie allein versorgen.

Als sie sich im Herbst 1942 kritisch über eine Parteiveranstaltung der NSDAP äußerte und eine Teilnahme verweigerte, wurde Erna Petersen denunziert und am 2. November 1942 verhaftet. Für vier Monate musste sie ins Gefängnis nach Hannover. Die Staatliche Fürsorge übernahm die acht Kinder. Die jüngsten kamen zur Großmutter, die älteren in ein Kinderheim nach Celle. Mariechen wurde aufgrund ihres Down-Syndroms zunächst in das Kinderhospital in der Barckhausenstraße 6 und von dort in die »Kinderfachabteilung« der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg eingewiesen. Nach einer sechswöchigen Beobachtungszeit kam der zuständige Arzt Willi Baumert zu dem Entschluss, bei Mariechen sei »keine Entwicklung zu erwarten«. Danach erkrankte sie. Informationen über die Gabe von Medikamenten legen nahe, dass die Infekte provoziert worden waren, möglicherweise um Wirkstoffe zu erproben.

Nach der Haftentlassung von Erna Petersen wurde Mariechen von ihrer Mutter und den Geschwistern besucht. Die Mutter brachte ihr Kleidung und zusätzliche Nahrung. Am 9. August 1943 beantragte sie sogar Geld für ein neues Kleid und ein Paar Schuhe. Bemerkenswert ist, dass Mariechen nur in den Wochen, in denen ihre Mutter zu Besuch kommen konnte, keinen Infekt hatte. Vollkommen entkräftet und mit hoher Wahrscheinlichkeit infolge einer Überdosis an Medikamenten starb Mariechen am 15. September 1943.

2019 wurde für Mariechen Petersen in der Rotehahnstraße 4 ein Stolperstein verlegt.

Mariechen Petersen ist 1933 geboren.
Sie ist aus Lüne-Burg.
Sie ist das zweite Kind von Wilhelm und Erna Petersen.
Mariechen wird »Mike« genannt.
Sie hat 7 Geschwister.

Die Familie wohnt in der Rote-Hahn-Straße.
Sie sind Nachbarn von Inge Roxin.
Inge und Mike sind beide Opfer des Kinder-Mordes.

Der Vater von Mike ist Soldat im Zweiten Welt-Krieg.
Er stirbt 1941.
Die Mutter von Mike muss sich ab dann alleine kümmern.
Um alle 8 Kinder.

Im Jahr 1942 findet eine Feier der National-Sozialisten statt.
Die Mutter von Mike will nicht hin-gehen.
Ihr sind die National-Sozialisten egal.
Darum wird sie verhaftet.
Sie kommt in ein Gefängnis.

Sie kann sich nicht mehr um ihre 8 Kinder kümmern.
Es kommt jemand vom Sozial-Amt.
Die kleinen Geschwister von Mike kommen zur Groß-Mutter.
Die älteren Geschwister von Mike kommen in ein Kinder-Heim.
Mike kommt in das Lüne-Burger Kinder-Kranken-Haus.
Die Sozial-Arbeiterin sagt:
Mike hat eine Behinderung.
Mike hat das Down-Syndrom.
Sie muss in die »Kinder-Fach-Abteilung«.

Dort entscheidet der Arzt:
Mike ist dumm.
Sie soll sterben.
Vorher werden Medikamente an ihr aus-probiert.
Die Medikamente sind nicht erlaubt.
Keiner weiß, wie sie wirken.
Das will man an Mike testen.

Mikes Mutter kommt aus dem Gefängnis.
Sie besucht Mike.
Sie bringt ihr etwas zu Essen.
Sie will Schuhe und ein Kleid für Mike kaufen.
Nur in der Zeit bekommt Mike keine Test-Medikamente.
Deshalb geht es ihr wieder gut.

Dann braucht man Mike nicht mehr für den Test von Medikamenten.
Man gibt ihr zu viel von einem anderen Medikament.
Daran stirbt sie.
Sie wird ermordet.
Das ist im Jahr 1943.

Im Jahr 2019 bekommt Mike einen Stolper-Stein.
Er ist in der Rote-Hahn-Straße 4.

Jürgen Endewardt

Jürgen Endewardt wurde am 25. Februar 1941 als drittes von vier Kindern in Lüneburg in der Bülow-Straße, heute Georg-Böhm-Straße 4, geboren. Da Jürgen weder sitzen noch laufen oder sprechen lernte, war seine Mutter Elli Endewardt um die Entwicklung ihres Kindes besorgt. Sie stellte ihn unter anderem im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf vor. Dort erhielt er die Diagnose Hydrocephalus (Wasserkopf). Im Lüneburger Kinderhospital in der Barckhausenstraße 6 sollte daraufhin eine Behandlung versucht werden. Dieser Versuch unterblieb, stattdessen wurde Jürgen am 17. November 1942 in die »Kinderfachabteilung« der Heil-und Pflegeanstalt Lüneburg verlegt.

Als seine Mutter eine Woche später ihr Kind besuchen wollte, musste sie sich bei den Pflegekräften den Zugang zu Jürgen erzwingen. Dabei entdeckte sie die mangelnde Versorgung und den schlechten Zustand ihres Sohnes. Am 5. und 6. Dezember 1942 fanden daraufhin zwei Gespräche mit dem Ärztlichen Direktor Max Bräuner statt. Angehörige berichten, Elli Endewardt habe ihren Sohn aus der »Kinderfachabteilung« herausholen wollen. Ob das stimmt, ist ungewiss. Denn am Tag nach dem zweiten Gespräch, am 7. Dezember 1942 starb Jürgen Endewardt. Die offizielle Todesursache lautete »Magen-Darm-Katarrh«. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wurde er jedoch mit einem Medikament ermordet.

Auf Wunsch der Mutter wurde Jürgen nicht auf dem Anstaltsfriedhof, sondern auf dem Lüneburger Zentralfriedhof beerdigt. Hierdurch konnte die Mutter vor dem Vater, der einen höheren Rang bei der SS bekleidete, verbergen, dass Jürgen Anstaltspatient gewesen war.

Nach Jürgens Tod folgten für die Familie weitere Schicksalsschläge. Jürgens Vater wurde 1943 als Soldat schwer verletzt, 1946 wurde Jürgens älteste Schwester Ute von einem Panzer überfahren und Jürgens jüngster Bruder Udo starb drei Monate nach seiner Geburt infolge eines angeborenen Herzklappenfehlers.

2019 wurde in der heutigen Georg-Böhm-Straße in Erinnerung an Jürgen Endewardt ein Stolperstein verlegt.

Jürgen Endewardt ist im Jahr 1941 geboren.
Er ist das dritte Kind von 4.
Jürgen kann nicht sitzen.
Und nicht laufen und sprechen.
Seine Mutter Elli Endewardt macht sich viele Sorgen.
Sie bringt ihn in ein Kranken-Haus nach Hamburg.

Dort sagt man zu ihr:
Jürgen hat einen Wasser-Kopf.
Er hat eine geistige Behinderung.

Sie bringt Jürgen in ein Lüne-Burger Kranken-Haus für Kinder.
Dort soll er behandelt werden.
Aber die Pflegerin will ihn nicht da- behalten.
Sie ist ungeduldig.
Sie will nicht warten bis es ihm besser geht.
Sie ruft in der Anstalt an.
Sie sorgt dafür dass er in die »Kinder-Fach-Abteilung« kommt.
Das ist im Jahr 1942.

Seine Mutter besucht Jürgen.
Sie ist un–zufrieden.
Sie will mit dem Arzt sprechen.
Das macht sie 2 Mal.
Einen Tag später ist Jürgen tot.

Was die Mutter mit dem Arzt bespricht ist nicht bekannt.
Vielleicht wollte sie Jürgen rausholen.
Vielleicht aber auch nicht.

Jürgen bekommt zu viel von einem Medikament.
Er wird ermordet.

Jürgen soll auf dem Fried-Hof der Anstalt beerdigt werden.
Aber das will die Mutter nicht.
Sie hat Angst.
Niemand soll wissen dass Jürgen in der Anstalt war.
Jürgen muss auf einem anderen Fried-Hof beerdigt werden.
Damit niemand die Wahrheit erfährt.
Auch der Vater von Jürgen nicht.
Denn der ist National-Sozialist.

Sie entscheidet:
Jürgen kommt auf den Zentral-Fried-Hof.

Die Familie von Jürgen hat viel Unglück.
Der Vater wird schwer verwundet.
Seine Schwester wird von einem Panzer überrollt und stirbt.
Sein Bruder stirbt 3 Monate nach der Geburt.

Im Jahr 2019 wird für Jürgen ein Stolper-Stein verlegt.
Er ist in der Georg-Böhm-Straße 4.

Jürgen Endewardt Ute Dieter 1942

Jürgen Endewardt 1942

Inge Roxin

Inge Roxin wurde als jüngstes von insgesamt sechs Kindern am 22. August 1939 in Lüneburg geboren. Ihre Eltern, Anna und Eugen Roxin, zogen nach Inges Geburt in eine Wohnung in die Rotehahnstraße 4, ein Haus, das sie fortan mit der Familie Petersen teilten. Mariechen Petersen, Inges Nachbarin, wurde ebenfalls Patientin in der »Kinderfachabteilung« der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg. Sie traf das gleiche Schicksal.

Inges Vater Eugen Roxin arbeitete als Schwimmlehrer und LKW-Fahrer. Seine Frau Anna war Köchin. Sie war sehr pflichtbewusst und folgte deshalb der Meldepflicht für Kinder mit Behinderungen, die vier Tage vor Inges Geburt eingeführt worden war. Der Lüneburger Amtsarzt, dem Inge vorgestellt wurde, diagnostizierte »Idiotie« und empfahl ihre Aufnahme in die »Kinderfachabteilung«.

Schon wenige Tage nach der Aufnahme erkrankte Inge an Fieber und Durchfall. Es wurde eine Therapie mit einem nicht zugelassenen Medikament veranlasst. Es ist unklar, ob diese Arznei eingesetzt wurde, um damit tatsächlich eine Besserung des Gesundheitszustandes zu erreichen, oder ob die Behandlung auch Forschungszwecken diente. Ihre Mutter und die vier Jahre ältere Schwester Käthe besuchten Inge regelmäßig. Die Besuche von Käthe sind durch zwei Fotos dokumentiert, die von einer Pflegerin kurz vor Inges Ermordung angefertigt worden waren.

Am 20. Oktober 1943 starb Inge Roxin. Als offizielle Todesursache wurde eine »eitrige Bronchitis« angegeben, mit hoher Wahrscheinlichkeit jedoch erlag sie einer Überdosis an Medikamenten. Die Dreieinhalbjährige wurde auf Wunsch der Eltern auf dem Zentralfriedhof Lüneburg beigesetzt.

2019 wurde für Inge Roxin in der Rotehahnstraße 4 ein Stolperstein verlegt.

Inge Roxin ist das sechste Kind der Familie Roxin.
Ihre Mutter Anna ist Köchin.
Ihr Vater Eugen ist LKW-Fahrer.
Später arbeitet er beim Land-Kreis.
Sie wohnen in der Stadt Lüne-Burg.

Für Kinder mit Behinderungen gibt es eine Melde-Pflicht.
In der Zeit des National-Sozialismus.
Auch Inge wird gemeldet.
3 Ärzte in Berlin entscheiden:
Inge muss in die Anstalt.
Sie muss in die Kinder-Fach-Abteilung Lüne-Burg.

Inge wird in die »Kinder-Fach-Abteilung« auf-genommen.
Sie kommt in das Haus 25.
Inge kann von ihrer Familie besucht werden.
Weil sie in der Nähe wohnen.
Sie können zu Fuß in die Anstalt laufen.
Das macht ihre Schwester Käthe.
Ganz oft in der Woche kommt Käthe zu Inge.
In das Haus 25.
Käthe bekommt eine Decke.
Sie setzt sich mit Inge auf eine Wiese.
Es gibt ein Foto davon.

Inge wird krank.
Sie erhält Medizin.
Die Medizin kann man noch nicht kaufen.
Sie wird an Inge ausprobiert.
Inge wird wieder gesund.

Käthe besucht ihre Schwester Inge ganz oft.
Auch ihre Mutter besucht sie.
Dadurch ist kein Mord möglich.
Der Mord kann nämlich durch die Besuche nicht geheim bleiben.
In einer Woche kommt kein Besuch.
In der Woche wird Inge ermordet.
Sie stirbt im Oktober 1943.

Im Jahr 2019 bekommt Inge einen Stolper-Stein.
Er ist in der Rote-Hahn-Straße 4.

Inge Roxin 1940
Sigrid Roxin

Inge Roxin
Sigrid Roxin

Inge Roxin 1943
Sigrid Roxin

Heinrich Biester

Heinrich Biester wurde am 27. März 1901 in Hannover-List geboren. Er hatte fünf Geschwister. Nach dem Abitur machte er zunächst eine Ausbildung, sammelte in verschiedenen Agrar-Betrieben Berufserfahrung und fing an in Göttingen Landwirtschaft zu studieren, um später den Hof der Familie übernehmen zu können. 1924 wandte er sich davon ab. Er entschied, Musik und Gesang zu studieren, unter anderem in Wien. Dort erkrankte er psychisch und kehrte auch deshalb Weihnachten 1926 in sein Elternhaus nach Hannover-List zurück.

Da sich sein Gesundheitszustand nicht besserte, wurde er am 29. März 1927 in der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg aufgenommen. Sein Onkel, Pastor Heinrich Mund Senior, war dort seit 1906 Anstaltsseelsorger und übernahm fortan Heinrichs Fürsorge. Als zwei Tage nach der Aufnahme Heinrich Biesters Mutter Adolphine Biester verstarb, isolierte er sich noch mehr. 1938 versuchte er sogar, sich selbst zu töten. Obwohl sein Gesundheitszustand auch in den Folgejahren unverändert blieb, begleitete er die Gottesdienste seines Onkels mit Geige und Gesang.

Am 23. April 1941 wurde Heinrich Biester in die Zwischenanstalt Herborn und von dort am 21. Mai 1941 in die Tötungsanstalt Hadamar verlegt. Sein Onkel Heinrich Mund erfuhr eine Woche nach der Verlegung, dass sein Neffe zu den Deportierten gehörte. Der Ärztliche Direktor Max Bräuner beruhigte ihn jedoch mit den Worten, die Verlegung stehe im Zusammenhang mit der Ankunft von 475 Patientinnen und Patienten aus Hamburg, für die Betten in der Anstalt benötigt würden. Obwohl Pastor Mund dennoch befürchtete, dass Heinrich Biester Opfer der »Euthanasie« werden könnte, unterblieb ein Rettungsversuch.

Am 12. Juni 1941 erhielt die Familie von Heinrich Biester und somit auch Pastor Mund die Sterbemitteilung. Die offizielle Todesursache lautete »perforiertes Magengeschwür und Bauchfellentzündung«. Tatsächlich wurde Heinrich Biester im Rahmen der »Aktion T4« ermordet. Davon ging nun auch die Familie aus. Neben Empörung empfand Pastor Mund den Tod seines Schützlings zugleich als »Erlösung«.

2019 wurde Heinrich Biester vor dem ehemaligen Badehaus am Wasserturm auf dem Gelände der Psychiatrischen Klinik Lüneburg ein Stolperstein verlegt.

Heinrich Biester ist 1901 in Hannover geboren.
Er hat 5 Geschwister.
Er ist sehr gut in der Schule.
Nach der Schule geht er auf eine Hoch-Schule.
Dort studiert er Land-Wirtschaft.
Heinrich will den Bauern-Hof seiner Familie über-nehmen.

Nach ein paar Jahren will er das nicht mehr.
Er hat die Idee Musiker zu werden.
Und Sänger.
Das ist schon Teil seiner Erkrankung.

Er geht nach Wien in Öster-Reich.
Das ist ein Nachbar-Land von Deutsch-Land.
2 Jahre später ist er sehr krank.
Er braucht Hilfe.
Er zieht zurück zu seinen Eltern.
Aber er wird nicht gesund.

Darum wird er Patient in der Lüne-Burger Anstalt.
In Hannover gibt es auch eine Anstalt.
Aber die Eltern sagen:
Lüne-Burg ist besser.
Da ist sein Onkel.
Er ist Pastor.
Er ist Seel-Sorger in der Anstalt.
Er kann auf Heinrich auf-passen.

2 Tage nach seiner Auf-Nahme in Lüne-Burg stirbt seine Mutter.
Das macht Heinrich sehr traurig.
Er zieht sich komplett zurück.
Er will sich sogar das Leben nehmen.

Sein Onkel der Pastor hilft ihm.
Heinrich darf im Gottes-Dienst Geige spielen.
Und er darf Kirchen-Lieder singen.
Aber mehr hilft sein Onkel ihm nicht.

Im April 1941 wird Heinrich in eine andere Anstalt verlegt.
Es ist eine Tötungs-Anstalt.
Dort wird Heinrich mit Gas ermordet.
Er ist ein Opfer des Patienten-Mordes.

Sein Onkel hat ihn nicht gerettet.
Er dachte:
Heinrich ist jetzt erlöst.

Die Eltern waren sehr un-glücklich über den Tod von Heinrich.
Sie wussten:
Der Tod von Heinrich ist Mord.
Und es ist nicht richtig.

Im Jahr 2019 wird für Heinrich ein Stolper-Stein verlegt.
Er liegt vor dem besonderen Museum in Lüne-Burg.

Heinrich Biester
Heide Biester

Heinrich Biester Dritter von rechts
Christiane Riechers

Heinrich Biester Trost-Brief

Edeltraud Wölki

Edeltraud Wölki wurde am 4. September 1937 in Bochum geboren. Sie ist eines der wenigen Kinder, deren Ermordung durch eine Zeugenaussage bewiesen ist. Im Jahre 1963 kam es zu einer Befragung der Pflegerin Dora Vollbrecht, die damals in der »Kinderfachabteilung« in Haus 25 arbeitete. Sie gestand, Edeltraud eine tödliche Dosis Luminal verabreicht zu haben, obwohl ihr das Kind sympathisch gewesen sei: »[…] Die kleine Edeltraud Wölki war ein besonderer Liebling von mir. Sie sah wirklich niedlich aus. Es handelte sich aber um ein tiefstehendes Kind, das taubstumm war. Dieser Fall ist mir sehr ans Herz gegangen. Ich weiß noch, dass ich am ganzen Körper gezittert habe, als ich dem Kind die tödliche Dosis verabfolgen musste. […]«

Vor ihrer Ermordung hatte Edeltraud bereits eine Odyssee hinter sich. Im ersten Lebensjahr gab ihre Mutter sie in eine Heimpflege nach Hermannsburg im Landkreis Celle. Wegen Verdachts auf Taubstummheit wurde Edeltraud zwei Jahre später in die Rotenburger Anstalten der Inneren Mission eingewiesen. Am 9. und 10. Oktober 1941 wurden 138 Kinder von den Rotenburger Anstalten in die »Kinderfachabteilung« Lüneburg verlegt.

Mit über 18 Monaten dauerte Edeltrauds Aufenthalt im Verhältnis zu dem vieler anderer Kinder überdurchschnittlich lange. Sie starb am 7. Mai 1943 im Alter von fünf Jahren. Die eingetragene Todesursache lautete »linksseitige Rippenfell- und Lungenentzündung«. Weder die damaligen Ärzte noch die Pflegerin Dora Vollbrecht wurden für Edeltraud Wölkis Ermordung strafrechtlich zur Verantwortung gezogen. Edeltraud wurde am 11. Mai 1943 auf dem Anstaltsfriedhof der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg mit der Grabnummer 107a bestattet.

2005 wurde ihr vor dem ehemaligen Badehaus am Wasserturm ein Stolperstein verlegt. Es ist der erste Stolperstein für ein »Euthanasie«-Opfer in Lüneburg.

Edeltraud Wölki ist 1937 geboren.
Sie kommt aus Bochum.
Sie kann nicht hören und nicht sprechen.
Sie ist ein Kind-Opfer.
Das sagt die Pflegerin Dora Vollbrecht.
Sie gibt den Mord an Edeltraud zu.

Die Pflegerin sagt:
Ich habe Edeltraud ermordet.
Das war schwer.
Edeltraud war niedlich.
Aber sie hatte eine Behinderung.
Darum musste sie sterben.

Das Leben von Edeltraud ist schwer.
Sie ist jünger als 1 Jahr als sie in ein Heim kommt.
2 Jahre später kommt sie in ein anderes Heim.
Wieder 1 Jahr später kommt sie nach Lüne-Burg.

Sie wird Patientin der »Kinder-Fach-Abteilung«.
Sie über-lebt dort 18 Monate.
Das ist viel länger als andere Kinder.
Die Pflegerin mag Edeltraud.
Darum fällt es ihr schwer sie zu ermorden.

Sie macht es aber trotzdem.
Sie gibt Edeltraud zu viel von einem Medikament.
Edeltraud stirbt.
Da ist sie 5 Jahre alt.

Die Pflegerin sagt:
Der Mord war schwer.
Aber es musste sein.

Die Pflegerin wird nicht bestraft.
Obwohl sie zugibt:
Ich habe Edeltraud ermordet.

Edeltraud wird auf dem Fried-Hof der Anstalt beerdigt.

Im Jahr 2005 wird für Edeltraud ein Stolper-Stein verlegt.
Er liegt vor dem besonderen Museum.

Dieter Lorenz

Dieter Lorenz wurde am 26. Februar 1942 in Eindhoven in den Niederlanden geboren. Er hatte zwei ältere Brüder, Rolf und Helmut. Der Vater, Erich Lorenz, wurde aufgrund seiner deutschen Staatsbürgerschaft 1944 zum Wehrdienst eingezogen. Die Mutter, Anna Lorenz, von Beruf Apothekerin, musste fortan alleine das Werkzeuggeschäft ihres Mannes weiterführen. Dieter hatte infolge einer Hirnhautentzündung eine Entwicklungsverzögerung. Da die Mutter sich aufgrund ihrer neuen Aufgaben im Geschäft zunächst nicht mehr genügend um ihn kümmern konnte, kam Dieter vorübergehend in ein Kinderheim.

Das Heim wurde ohne Mitteilung an die Eltern am 5. September 1944 evakuiert. Dieter Lorenz kam mit einem für die Flüchtlinge der Westfront eingesetzten Sonderzug über die Zwischenstationen Solingen und Hannover nach Lüneburg. Dort brachte man ihn in einem Auffanglager für unbegleitete Flüchtlingskinder in der Lüneburger »Hasenburg« unter. Eine Schwester der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV), die die Kinder betreute, gab an, dass Dieter behindert sei, sodass er am 28. November 1944 in die »Kinderfachabteilung« Lüneburg eingewiesen wurde.

Die Eltern suchten Dieter, und obwohl die Gauleitung bereits am 2. Dezember 1944 wusste, dass sich der Zweieinhalbjährige inzwischen in der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg befand, wurden die Eltern darüber nicht informiert. Dieter wurde kaum zwei Wochen nach seiner Ankunft in der »Kinderfachabteilung« ermordet, weil die Stadt Lüneburg sich nicht rechtzeitig dazu entschließen konnte, den Aufenthalt des angeblich elternlosen Kindes zu bezahlen. Dieters offizielle Todesursache lautete Lungen- und Rippenfellentzündung. Erst am 22. Februar 1945 erhielt Anna Lorenz die Nachricht, dass ein Kind namens Dieter Lorenz am 14. Dezember 1944 in der Lüneburger Heil- und Pflegeanstalt gestorben sei. Diese Nachricht beendete die verzweifelte Suche der Eltern nach ihrem Kind.

Die Familie Lorenz wanderte 1952 nach Kanada aus. Beide Söhne erfuhren nichts vom Schicksal des Bruders. Da Dieter Lorenz als niederländisches Flüchtlingskind galt, setzte die Friedhofsverwaltung sein Grab Anfang der 1950er Jahre auf die Kriegsgräber-Liste. Es existiert bis heute auf dem Friedhof Nord-West.

Dieters Bruder Helmut (Hank) und ein Großcousin nahmen nach vielen Jahrzehnten die Suche nach Dieter wieder auf. Sie erfuhren erst 2014 von den Todesumständen und von der Existenz des Grabes.
2019 wurde für Dieter auf Wunsch des Bruders vor dem ehemaligen Badehaus auf dem Gelände der Psychiatrischen Klinik Lüneburg ein Stolperstein verlegt.

Dieter Lorenz ist im Jahr 1942 geboren.
Seine Eltern haben ein Werkzeug-Geschäft.
Sie haben drei Söhne.
Sie heißen Rolf, Helmut und Dieter.
Sie leben in den Nieder-Landen.
Das ist ein Nachbar-Land von Deutsch-Land.

Der Vater von Dieter ist Deutscher.
Er muss im Zweiten Welt-Krieg Soldat sein.
Die Mutter von Dieter muss das Geschäft alleine führen.
Das schafft sie nicht mit Dieter.

Dieter kommt mit 2 Jahren in ein Kinder-Heim.
Wenig später müssen die Kinder in ein anderes
Kinder-Heim umziehen.
Dieter und seine Freundin Rita kommen in ein Kinder-Heim in Lüne-Burg.

Doch die Eltern von Dieter wissen davon nichts.
Sie wissen nicht wo Dieter hin ist.
Und sie fangen an ihn zu suchen.

Dieter spricht nicht.
Niemand weiß wie er heißt.
Nur Rita kannte den Namen von Dieter.

Eine Frau in dem Heim in Lüne-Burg sagt:
Dieter ist anders.
Dieter muss in die Anstalt.
Er kommt in die »Kinder-Fach-Abteilung«.

Die Anstalt will Geld für seinen Aufenthalt.
Alle denken Dieter hat keine Eltern.
Und es gibt keine Kranken-Versicherung.
Auch die Stadt Lüne-Burg bezahlt nicht.

Also entscheidet ein Arzt:
Dieter ist zu teuer.
Er muss sterben.

Eine Pflegerin gibt Dieter zu viel von einem Medikament.
Er wird ermordet.

Dieter wird auf einem Fried-Hof in Lüne-Burg begraben.
Die Eltern wissen nichts davon.
Sie suchen ihn.
Sie glaubten: er lebt.

Viele Menschen wissen, wo Dieter ist.
Aber niemand sagt es seinen Eltern.
Daher können seine Eltern Dieter nicht ab-holen.
Als er noch lebt.
Nach dem Tod von Dieter erhalten sie einen Brief.
In dem Brief steht:
Dieter ist an einer Lungen-Entzündung gestorben.

Die Eltern hören auf nach Dieter zu suchen.
Für die Brüder Rolf und Helmut bleibt der Tod von Dieter ein Geheimnis.
Die Eltern erzählen ihnen nichts.

Im Jahr 1952 zieht die Familie von Dieter in ein anderes Land.
Nach Kanada.
Nach über 60 Jahren will der Bruder Helmut wissen:
Was ist wirklich mit Dieter passiert?

Helmut findet einen Verwandten in Deutsch-Land.
Der heißt Mario.
Mario hilft Helmut mehr über Dieter zu erfahren.

Mario und Helmut nehmen Kontakt auf zum besonderen Museum.
Dort erfahren sie die ganze Geschichte.
Sie erfahren auch:
Es gibt noch ein Grab.

Sie reisen nach Lüne-Burg.
Sie besuchen das Grab.
Es ist eines der wenigen Gräber von Kinder-Opfern die es noch gibt.

Im Jahr 2019 wird für Dieter ein Stolper-Stein verlegt.
Er liegt vor dem besonderen Museum in Lüne-Burg.

Rolf, Dieter und Helmut Lorenz,

Eindhoven, ca. Frühjahr 1943. Die Jungs schoben ihren kleinen Bruder immer in einem Wägelchen durch die Nachbarschaft.

Privatbesitz Helmut Lorenz.

leichte Sprache

Auf dem Foto ist Dieter mit seinen beiden Brüdern.
Dieter sitzt in einer Kinder-Karre.
Zwischen seinen Brüdern.
Rolf steht auf der linken Seite.
Helmut steht auf der rechten Seite.
Das Foto wurde im Frühjahr 1943 auf-genommen.
Auf dem Foto ist Dieter etwa 1 Jahr alt.

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Familienfoto

mit Dieter, Rolf und Helmut Lorenz (Vordergrund von links nach rechts), Aenne und Erich Lorenz dahinter und ganz hinten Heinrich Wilhelm Vennemann, Dieters Großvater, ca. Herbst 1942.

Privatbesitz Helmut Lorenz.

leichte Sprache

Auf dem Foto ist Dieter.
Dieter ist das Baby auf der linken Seite.
Neben Dieter sind seine Brüder.
Rolf ist das Kind in der Mitte.
Helmut ist ganz rechts.
Hinter den Kindern sind die Eltern von Dieter.
Und der Opa von Dieter.
Das Foto wurde im Herbst 1942 auf-genommen.
Dieter ist ein halbes Jahr alt.

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Charlotte Regenthal

Am 13. Dezember 1939 wurde Charlotte Regenthal in Wunstorf bei Neustadt am Rübenberge geboren. Ihre Eltern waren Lotte Regenthal, geborene Ritter, und Flugzeugklempner Walter Regenthal. Im Alter von zwei Jahren wurde bei ihr »Idiotie bei Littlescher Krankheit« diagnostiziert. Die Eltern hatten bereits kurz nach der Geburt bemerkt, dass Charlotte eine Behinderung zu haben schien. Deshalb waren sie der Meldepflicht beim Gesundheitsamt Neustadt nachgekommen, die seit dem 18. August 1939 bestand. Laut Diagnose war es Charlotte unmöglich »zu stehen, zu laufen und ein Wort zu sprechen«.

Das Gesundheitsamt Neustadt veranlasste mit Gutachten vom 16. September 1942 die Aufnahme in die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg. Um die Anstaltskosten vom »Reichsausschuss zur wissenschaftlichen Erfassung von erb- und anlagebedingten schweren Leiden« finanzieren zu lassen, wurde Charlotte am 30. Oktober 1942 auch dort gemeldet. Charlotte wurde im Alter von fast drei Jahren am 11. November 1942 von ihrer Mutter »in einer Kinderkarre liegend« in die Anstalt gebracht. Am 20. November 1942 bewilligte der »Reichsausschuss« die Kostenübernahme für eine Dauer von vier Wochen.

Der behandelnde Arzt vermerkte mehrmals in Charlottes Patientenakte, dass »keinerlei Änderung und Besserung« bei Charlotte zu erwarten sei. Einen Tag vor ihrem dritten Geburtstag, am 12. Dezember 1942 erkrankte sie plötzlich an hohem Fieber. Es bestand der Verdacht auf eine »Diphtherie«-Erkrankung, die durch einen Laborbefund vom 14. Dezember 1942 bestätigt wurde. Fünf Tage später starb Charlotte Regenthal. Die offizielle Todesursache lautete »Diphtherie«. Sie starb an dem Tag, an dem die Kostenübernahme durch den »Reichsausschuss« endete.

Durch die Initiative ihres acht Jahre jüngeren Bruders Gerhard Regenthal wurde 2009 auf dem Psychiatriegelände vor der Gedenkstätte im ehemaligen Badehaus ein Stolperstein in Erinnerung an Charlotte Regenthal verlegt. In diesem Zusammenhang wurden die Hintergründe ihres Anstaltsaufenthaltes erstmals dokumentiert. Zehn Jahre später wurde ihr Fall erneut untersucht. Durch eine Neubewertung der Akten ist aus heutiger Sicht unklar, ob Charlotte ein Opfer der »Kinder-Euthanasie« ist. Auch eine absichtsvolle Infizierung mit Diphtherie-Bazillen in der »Kinderfachabteilung« ist nicht ausgeschlossen.

Der Stolperstein erinnert an Charlotte Regenthal, geboren am 13. Dezember 1939, gestorben am 19. Dezember 1942.

Charlotte ist 1939 geboren.
Sie kommt aus Wunstorf.
Das ist in der Nähe von Hannover.

Sie ist 2 Jahre alt.
Da stellt ein Arzt fest:
Charlotte hat eine Behinderung.
Sie entwickelt sich nicht wie andere Kinder.
Sie kann nicht stehen.
Nicht laufen.
Nicht sprechen.

Ihre Eltern melden Charlotte an das Gesundheits-Amt.
Das mussten die Eltern.
Dafür gab es eine Melde-Pflicht.

Der Arzt im Gesundheits-Amt sagt:
Charlotte muss in die »Kinder-Fach-Abteilung« Lüne-Burg.
Das ist eine Kinder-Station in der Anstalt.

1942 bringt die Mutter ihre Tochter nach Lüne-Burg.
Charlotte ist fast 3 Jahre alt.

Sie bleibt nur 6 Wochen am Leben.
Sie erkrankt an einer Haut-Krankheit.
Die ist tödlich.
Aber daran stirbt sie nicht.
Sie wird ermordet.

Weil kein Geld da ist für ihre Behandlung.
Der Staat will ihren Aufenthalt nicht mehr bezahlen.
Also muss sie sterben.

Charlottes Bruder will seine Schwester nicht vergessen.
Er lässt ihr einen Stolper-Stein verlegen.
Er liegt vor dem besonderen Museum in Lüne-Burg.

Charlotte Regenthal
Gerhard Regenthal

Charlotte Regenthal Urkunde
Gerhard Regenthal