























57 Frauen und Männer ausländischer Herkunft, die zwischen Dezember 1943 und Juni 1949 in der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg starben, wurden auf dem sogenannten »Ausländergräberfeld« des Anstaltsfriedhofes, dem heutigen Friedhof Nord-West bestattet. Erwachsene Patient*innen ausländischer Herkunft, die vor Dezember 1943 in der Anstalt starben, wurden in Streulage auf verschiedenen Gräberfeldern bestattet. Im Zuge der Errichtung einer Kriegsgräberstätte im Jahr 1975 wurden diese sterblichen Überreste exhumiert und auf das »Ausländergräberfeld« umgebettet.
Heute existieren noch 84 Gräber von Patient*innen ausländischer Herkunft, die in der Heil- und Pflegeanstalt starben. Darunter sind auch die Gräber von vier Kindern, die als »ausländische Flüchtlingskinder« geführt wurden.
Alle anderen Gräber von Opfern der NS- und Nachkriegspsychiatrie sowie Gräber von Luftkriegsopfern wurden nach einer Ruhezeit von 25 Jahren überbettet, obwohl sie nach dem Kriegsgräbergesetz ebenso ein dauerhaftes Ruherecht gehabt hätten.
Ausländer-Gräber-Feld
In der Nähe der Lüneburger Anstalt ist ein Fried-Hof.
Der Fried-Hof Nord-West.
Seit 1985 gehört der Fried-Hof zur Stadt Lüneburg.
Davor gehört der Fried-Hof zur Anstalt.
Auf dem Fried-Hof der Anstalt werden Patienten beerdigt.
Viele Patienten werden in der Lüneburger Anstalt ermordet.
Es sind Kinder mit einer Behinderung.
Oder erwachsene Patienten mit einer Behinderung.
Oder mit einer seelischen Krankheit.
Viele Zwangs-Arbeiter sterben in der Lüneburger Anstalt.
Alle sind Opfer des Patienten-Mordes.
Ein Teil der Opfer werden auf dem Anstalts-Friedhof beerdigt.
Sie bekommen ein eigenes Gräber-Feld.
Auch die Zwangs-Arbeiter.
In 84 alten Gräbern liegen diese Patienten.
Es sind Patienten mit ausländischer Herkunft.
Darunter sind auch 4 Kinder.
Es gibt ein Gräber-Gesetz.
Darin steht:
Gräber von Opfern des Krieges sind wichtig.
Gräber von Opfer der National-Sozialisten sind wichtig.
Sie müssen immer bleiben.
Als Erinnerung und Mahnung.
Aber viele Gräber der Opfer vom Patienten-Mord sind weg.
Sie sind nicht mehr da.
Sie sind aufgelöst.
Es gibt nur noch das Ausländer-Gräber-Feld.
Anton Ratazack war Arbeiter in Wilhelmshaven. Da er gut Deutsch sprach, ist anzunehmen, dass er bereits vor Ausbruch des Krieges im Deutschen Reichsgebiet lebte und arbeitete. Anton Ratazack wurde am 4. Mai 1914 in Polen im Kreis Lissa in der Provinz Posen geboren. Die Einweisung in die Heil- und Pflegeanstalt Oldenburg in Wehnen am 22. Juli 1944 wurde durch das Staatliche Gesundheitsamt angeordnet. Sie sei wegen »Gemeingefährlichkeit« erforderlich gewesen. Anton Ratazack hatte Epilepsie. Da er das Medikament Luminal bekam, war während seiner Zeit in Wehnen kein epileptischer Anfall mehr aufgetreten. Zudem bestätigte sich die Gemeingefährlichkeit nicht, vielmehr notierte der Arzt in Wehnen, Ratazack komme »bei den Visiten fast immer mit neuen Wünschen. Der Versuch, ihn innerhalb der Feldkolonne zu beschäftigen [scheiterte], da R.[atazack] draußen fast überhaupt nichts Positives leistete.«
Nach seiner Verlegung nach Lüneburg, für die es in Ermangelung einer akuten Situation streng genommen gar keinen Anlass gab, wurde er erstmals am 3. Januar 1945 vom Leiter der Männerabteilung der Ausländersammelstelle Dr.Redepenning untersucht. Dieser kam ebenfalls zu dem Ergebnis: »Angeblich kein Anfall seit 4 Monaten. Von Beruf Schmied. In W’[ilhelms]haven seine Eltern, dort möchte er hin, er will dort Fabrikarbeiter sein. Hat Wagen repariert. Gibt dem Dolmetscher gute Auskunft, macht intelligenten Eindruck.« Zwei Wochen später, am 17. Januar, notierte Redepenning: »›Gesund‹ versichert er immer wieder. […] ›nicht, nicht, nicht‹
– will keine Anfälle haben.« Redepenning beschloss, »ohne Anfälle gibt es auch kein Luminal«, so schrieb er es auch in die Krankengeschichte. Als Anton Ratazack dann doch nachts Anfälle entwickelte, bestätigte Redepenning die Diagnose. Eine Wiederaufnahme der Luminaltherapie blieb aber offensichtlich aus, sodass Anton Ratazack als »nicht arbeitsfähig« eingestuft wurde, Anfälle behielt und während eines Daueranfalls am 11. März 1945 im Alter von nur 30 Jahren starb.
Anton Ratazak ist im Jahr 1914 in Polen geboren.
Das ist ein Nachbar-Land von Deutschland.
Aber er lebt in Deutschland.
Wahr-scheinlich schon vor dem Zweiten Welt-Krieg.
Er ist Arbeiter in Wilhelms-Haven.
Das ist eine Stadt an der Nord-See.
Das Gesundheits-Amt sagt:
Anton ist gefährlich.
Doch das stimmt nicht.
Anton hat eine Krankheit.
Manchmal hat er Anfälle.
Aber mit einem Medikament geht es ihm gut.
Im Juli 1944 kommt Anton in die Anstalt.
Das ist ein besonderes Kranken-Haus.
Das ist in der Nähe von Wilhelms-Haven.
Dort soll er zur Behandlung arbeiten.
Aber dazu hat Anton keine Lust.
Er will gesund werden und nicht arbeiten.
Deswegen kommt Anton in die Anstalt nach Lüneburg.
Er wird neu untersucht.
Es geht Anton gut.
Er hat schon länger keinen Anfall.
Anton sagt:
Ich habe keine Anfälle.
Er bekommt dann auch keine Medizin.
Dann bekommt Anton doch wieder Anfälle.
Er bekommt aber keine Medizin.
Er muss eigentlich Luminal bekommen.
Aber der Arzt sagt:
Nein.
Deswegen stirbt Anton.
Das ist im März 1945.
Er ist erst 30 Jahre alt.
Der Arzt hat ihn ermordet.
Weil er ihm keine Medizin gab.
Mit der Medizin hätte Anton überlebt.
Dimitri Wolanyk wurde am 7. Februar 1916 in Smarnów in Polen geboren. Er war Ostarbeiter. Wegen »doppelseitiger Lungentuberkulose« befand er sich seit dem 27. November 1943 zur Behandlung im städtischen Krankenhaus in Lüneburg. Da er sich sonderbar verhielt, »völlig nackt in der Gegend und im Gelände« herumlief, schließlich ganz ausriss, wurde er – kaum wieder zurückgebracht – durch den Facharzt für Innere Krankheiten, Dr. Schulz, in die benachbarte Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg eingewiesen.
Als er dort am 1. Dezember 1943 aufgenommen wurde, diagnostizierte Gustav Marx eine Verwirrtheit infolge einer Tuberkulose. Zudem war Dimitri Wolanyk stark untergewichtig. Bei einer Größe von 1,72 m wog er nur 48 kg. Ansonsten stellte Marx nur fest, dass eine Verständigung nicht möglich sei und der Patient keine Antworten auf Fragen gebe. Einem Sprachkundigen jedoch sagte dieser, er sei 28 Jahre alt. Insgesamt wirkte er wohl sehr ängstlich, wie in der Akte notiert. Bei anhaltend hohem Fieber starb er bereits nach fünf Tagen in der Lüneburger »Ausländersammelstelle«.
Dimirti Wolanyk ist im Jahr 1916 in Polen geboren.
Polen ist ein Nachbar-Land von Deutschland.
Es wird von den Deutschen besetzt.
Damit beginnt der Zweite Welt-Krieg.
Das ist im Jahr 1939.
Die Deutschen verschleppen polnische Männer und Frauen.
Nach Deutschland.
Sie werden zur Arbeit gezwungen.
Auch Dimitri kommt nach Deutschland.
Als Zwangs-Arbeiter.
Dann wird er krank.
Er hat eine Lungen-Krank-Heit.
Im November 1943 kommt er ins Kranken-Haus.
Nach Lüneburg.
Dort verhält er sich merk-würdig.
Darum kommt er in die Lüneburger Anstalt.
Durch seine Lungen-Krank-Heit ist Dimitri sehr verwirrt.
Er ist auch sehr dünn.
Er hat hohes Fieber.
Er kann kein Deutsch.
Die Ärzte können nicht mit ihm sprechen.
Fünf Tage später stirbt Dimitri.
Das ist am 6. Dezember 1943.
Er ist erst 28 Jahre alt.
Fjodor Pawlow wurde am 7. Februar 1883 in der Ukraine geboren. Er war Zwangsarbeiter in Blankenburg im Harz. Auf Veranlassung seines Arbeitgebers wurde er am 24. Februar 1943 amtsärztlich untersucht, weil er angeblich Mitarbeiter*innen belästigt habe und seiner Arbeit nicht nachgegangen sei. Bei einem Aufenthalt im Hilfskrankenhaus habe er mit anderen Patient*innen tanzen wollen und sei unruhig gewesen. Sein Arbeitgeber und ein sprachkundiger Arzt wurden hinzugezogen. Die Diagnose lautete, dass er zusammenhanglose Antworten gebe und über die tatsächlichen Verhältnisse nicht orientiert sei. »Bei dem Ostarbeiter Fjodor Pawlow besteht demnach eine Psychose mit Erregungszuständen. Wegen Gefährdung der öffentlichen Ordnung ist die Aufnahme in die Landes-, Heil und Pflegeanstalt dringend notwendig«, wurde seine Einweisung begründet.
Bei seiner Aufnahme wog der 1,69 m große Mann nur 46 kg. Außerdem wurde ein Leistenbruch festgestellt. Fjodor Pawlow konnte mitteilen, dass er gestürzt sei und seitdem Kopfschmerzen habe. Er sagte auch, er habe nicht um sich geschlagen, nicht getobt und habe auch mit niemandem tanzen wollen. Der Arzt Dr. Rudolf Redepenning notierte: »Depressive Reaktion?« und »Macht stumpfen Eindruck«. Der nächste und letzte Eintrag erfolgte am Tag seines Todes am 7. Mai 1945. Redepenning notierte, dass Pawlow »Außenarbeit«, d. h. schwere Feldarbeit verrichtet habe, dann aber schwach und bettlägerig wurde. Schließlich sei er im Bett tot aufgefunden worden. Als Todesursache gab Redepenning »Erschöpfung bei akuter Geisteskrankheit« an.
Sein Gewicht wurde nach seiner Aufnahme in die Lüneburger Heil- und Pflegeanstalt nicht mehr notiert. Die grundlose Hinfälligkeit und Schwäche weisen darauf hin, dass er verhungerte bzw. an Erschöpfung starb, ging seine Zwangsarbeit in der Anstalt nahezu unvermindert weiter.
Fjodor Pawlow ist im Jahr 1883 in der Ukraine geboren.
Die Ukraine gehört damals zu Russ-Land.
Sie wird aber von Deutschen besetzt.
Das ist im Zweiten Welt-Krieg.
Viele Menschen aus der Ukraine werden verschleppt.
Nach Deutschland.
Sie werden zur Arbeit gezwungen.
Fjodor Pawlow ist ein Zwangs-Arbeiter.
In Deutschland.
Er kommt in den Harz.
Das ist ein Wald-Gebiet in Nieder-Sachsen.
Da muss er schwer arbeiten.
Davon wird Fjodor krank.
Sein Arbeit-Geber sagt:
Fjodor macht seine Arbeit nicht.
Und er stört die anderen Mit-Arbeiter.
Fjodor wird von einem Amts-Arzt untersucht.
Im Februar 1943.
Der Amts-Arzt sagt:
Fjodor ist verwirrt.
Er muss in eine Anstalt.
Fjodor kommt in die Lüneburger Anstalt.
Fjodor ist 1,69 Meter groß.
Aber er wiegt nur 46 Kilo-Gramm.
Das ist zu wenig.
Er ist zu dünn.
Ein Arzt unter-sucht ihn.
Der Arzt schreibt in eine Akte:
Fjodor ist traurig und dumm.
Fjodor lebt über zwei Jahre in der Lüneburger Anstalt.
Es gibt keinen weiteren Eintrag in seine Akte.
Bis zu seinem Tod.
Am 7. Mai 1945 stirbt er.
Der Todes-Ursache schreibt der Arzt:
Fjodor ist müde und schwach.
Wahrscheinlich ist Fjodor ver-hungert.
Weil niemand ihm etwas zu essen gegeben hat.
So wurde er ermordet.
Jan Stawicki wurde am 5. Dezember 1920 in Wola Sosnowa im Kreis Leslau in Polen geboren. Er arbeitete als polnischer Landarbeiter in Bispingen. Ohne Angabe von Gründen ordnete das Staatliche Gesundheitsamt des Kreises Soltau am 13. April 1944 die Einweisung und Unterbringung von Jan Stawicki für die Dauer eines Jahres an. Noch am selben Tag wurde er in Begleitung seines Arbeitgebers und eines Beamten in die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg gebracht und in Haus 21 aufgenommen. Aufnehmender Arzt war Willi Baumert. Er notierte, dass Stawicki unsauber und apathisch sei, mit geschlossenen Augen bewegungslos im Bett liege, daher vollkommen versorgt werden müsse. Auch zwei Tage später stellte er fest: »Gleichbleibend gehemmt, bewegungsarm, dabei leicht trauriger Gesichtsausdruck, keinerlei Reaktion. Nahrungsaufnahme schlecht, muss gefüttert werden.«
Vier Tage später wurde er in einem Einzelzimmer isoliert, bekam drei Elektroschocks. Bei einer Röntgenuntersuchung der Lunge stellte man großflächige Verschattungen fest, die auf eine fortgeschrittene Tuberkulose hindeuteten. Am 28. April 1944 wurde er nach Haus 1 verlegt und nun von Gustav Marx behandelt. Dieser stellte »Hinfälligkeit« fest. Doch auch dort stellte sich keine Besserung ein. Jan Stawicki sprach nicht, gab auf Fragen keine Antworten, verweigerte das Essen, musste im Juni 1944 vorübergehend mit einer Sonde ernährt werden.
Im September 1944 verschlechterte sich sein Zustand weiter, er bekam hohes Fieber, verlor Blut, zeigte Symptome einer Herzinsuffizienz. Am 19. September 1944 starb Jan Stawicki in der Lüneburger »Ausländersammelstelle« im Alter von 23 Jahren. Offizielle Todesursache war eine »doppelseitige Lungentuberkulose«.
Jan Stawicki ist im Jahr 1920 in Polen geboren.
Das ist ein Nachbar-Land von Deutschland.
Er kommt als Zwangs-Arbeiter nach Deutschland.
Er muss als Land-Arbeiter arbeiten.
Im April 1944 kommt er in die Lüneburger Anstalt.
Dort ist ein besonderes Kranken-Haus.
Dort wird er untersucht.
Im Arzt-Bericht aus der Anstalt steht:
Jan Stawicki ist nicht sauber.
Er bewegt sich kaum.
Er liegt nur im Bett.
Er ist traurig.
Er will nichts essen.
Dann wird seine Lunge unter-sucht.
Jan ist sehr krank.
Er hat eine schwere Lungen-Krankheit.
Er kommt in der Anstalt in ein anderes Haus.
5 Monate später geht es ihm immer schlechter.
Er wird immer schwächer.
Er will nichts essen.
Er stirbt.
Da ist er erst 23 Jahre alt.
Joseph Lubiewski wurde am 25. November 1875 in Subkau in Polen geboren. Er lebte mit seiner Frau Elisabeth in Wesermünde. Nach einem Gutachten des Gesundheitsamtes kam er dort Ende 1941 in ein Altenheim. Weil sich sein Zustand verschlechterte, wurde er im Oktober 1943 erneut begutachtet. Der Amtsarzt Dr. Pannenborg kam zu dem Ergebnis, Joseph Lubiewski sei »unreinlicher«, »rabiat« und »stumpfer« geworden und leide unter »Altersschwachsinn«. Er empfahl die Aufnahme in die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg.
Fünf Tage später, am 28. Oktober 1943 wurde Joseph Lubiewski mit einem PKW nach Lüneburg gebracht und in Haus 6 der Anstalt aufgenommen. Den plötzlichen Umzug nach Lüneburg verstand Joseph Lubiewski nicht. Er blieb noch zwei Tage später überzeugt, er befände sich noch in seinem Heim in Wesermünde.
In den nächsten anderthalb Jahren bis zu seinem Tod erfolgten nur zwei Einträge in die Patientenakte. Am 13. Mai 1944 stellte der Anstaltsarzt Gustav Marx fest, Lubiewski zeige immer noch das gleiche Bild und »hält sich sauber«. Am 5. August notierte Rudolf Redepenning »nach Haus 15«. d. h., er wurde von der allgemeinen Station in die »Ausländersammelstelle« verlegt. Nach der Verlegung war Redepenning sein zuständiger Arzt.
Am 17. März 1945 starb Joseph Lubiewski. Der letzte Eintrag in der Akte in Redepennings Handschrift lautete »11 Uhr 30 an Erschöpfung gestorben nach langem Schwächezustand«. Welche Ursachen die Schwäche und Erschöpfung hatten, geht aus der Akte nicht hervor. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist er an Mangelversorgung gestorben bzw. verhungert. Joseph Lubiewski wurde 69 Jahre alt.
Joseph Lubiewski wird im Jahr 1875 in Polen geboren.
Das ist ein Nachbar-Land von Deutschland.
Später lebt er mit seiner Frau in Deutschland.
Im Dezember 1941 wird er von einem Amts-Arzt unter-sucht.
Dann kommt Joseph in ein Alten-Heim.
Nach 2 Jahren geht es Joseph schlechter.
Er wird wieder unter-sucht.
Der Amts-Arzt sagt:
Joseph ist alt und schwach-sinnig.
Er soll in eine Anstalt.
Das ist ein besonderes Kranken-Haus.
Joseph kommt im Oktober 1943 in die Anstalt Lüneburg.
Dort lebt er 1 Jahr und 6 Monate.
In der Zeit gibt es nur 2 Ein-träge in seiner Akte.
Im März 1945 stirbt Joseph in der Anstalt.
Er ist 69 Jahre alt.
Der Arzt schreibt auf:
Joseph stirbt an Schwäche.
Warum ist Joseph so schwach?
Das wissen wir nicht.
Vielleicht hat er zu wenig zu essen bekommen?
Katharina Kunka wurde am 12. September 1910 in der Ukraine geboren. Am 4. Oktober 1944 war sie in das St. Josef-Stift in Celle überwiesen worden, wo ein Tumor an ihrem Fuß behandelt wurde. Von dort wieder zurück im Lager für Ostarbeiter*innen in Unterlüß, das zum Rüstungsbetrieb Rheinmetall-Borsig AG gehörte, soll sie sich laut Aussage ihrer Arbeitskolleg*innen sonderbar verhalten haben, sei nachts umhergelaufen, habe nichts gegessen und nicht mehr gesprochen. Die vorläufige Diagnose des Lagerarztes in Unterlüß lautete: Rastlosigkeit, ängstliches Umherschauen, Nicht-Ansprechbarkeit.
Katharina Kunka kam am 20. Januar 1945 in den »Ostarbeiterinnensaal« in Haus 16 der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg. Bei ihrer Aufnahme wurde sie als blass, gehemmt und ängstlich beschrieben, sie habe »rote Strippen« auf der Brust gehabt und geweint. Im März 1945 ging es Katharina Kunka wohl besser, sie sei »geordnet« und »ruhig« und arbeite in der Schälküche. Im September 1945 entwickelte sie erste Anzeichen einer Tuberkulose. Obwohl sie den depressiven Zustand, den sie bei ihrer Aufnahme zeigte, überwunden hatte, wurde sie nun wegen ihrer Tbc nicht entlassen.
Am 20. Dezember 1945 wurde vermerkt, dass sie Tbc-frei sei, doch bereits Ende Januar 1946 verschlechterte sich ihr Zustand wieder. Seitdem schwankte ihr Gesundheitszustand mit negativer Tendenz bis zu ihrem Tod am 17. Juli 1947. Ab Mai 1946 gab es zunehmend Schwierigkeiten mit der Nahrungsaufnahme. Sie wurde immer wieder durch eine Sonde ernährt, weil sie Nahrung verweigerte. Auch kippte ihre psychische Verfassung, am 12. Februar 1947 wurden von Gustav Marx Antriebslosigkeit und Depression notiert. Am 18. Juli 1947 vermerkte Marx einen »fortgeschrittenen Kräfteverfall« und einen »elenden Zustand«. Am nächsten Tag war Katharina Kunka tot. Sie starb im Alter von 36 Jahren an einer Lungen-Tbc, die sie sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in der Anstalt zugezogen hatte, denn bei ihrer Aufnahme war sie tuberkulosefrei gewesen.
Katharina Kunka ist 1910 in der Ukraine geboren.
Die Ukraine gehört damals zu Russland.
Sie wird aber von Deutschen besetzt.
Das ist im Zweiten Welt-Krieg.
Viele Menschen aus der Ukraine werden verschleppt.
Nach Deutschland.
Sie werden zur Arbeit gezwungen.
Auch Katharina ist eine Zwangs-Arbeiterin.
In Deutschland.
Dort wird sie krank.
Sie will nicht mehr essen und nicht mehr sprechen.
Im Januar 1945 kommt sie in die Lüneburger Anstalt.
Zuerst ist sie sehr traurig.
Im März 1945 geht es ihr besser.
Sie arbeitet in der Anstalts-Küche.
Im Mai 1945 ist der Krieg vorbei.
Aber Katharina muss in der Anstalt bleiben.
Im September 1945 bekommt sie Tuberkulose.
Das ist eine Lungen-Krankheit.
Darum darf sie nicht nach Hause.
Manchmal geht es ihr besser.
Und dann geht es ihr wieder schlechter.
Ab Mai 1946 will sie nicht mehr richtig essen.
Sie wird immer trauriger.
Sie wird mit einer Sonde ernährt.
Das ist ein Schlauch.
Der reicht bis in den Bauch.
Dadurch bekommt sie Essen in den Bauch.
Aber es geht ihr immer schlechter.
Sie wird immer schwächer.
Am 19. Juli 1947 stirbt Katharina.
Sie ist erst 36 Jahre alt.
Maria Czaja wurde am 18. Januar 1891 in Sierakowitz in Polen geboren. Wie sie nach Deutschland gekommen ist, kann nicht geklärt werden. Bereits lange vor Kriegsausbruch war sie Patientin in der Landes- Heil- und Pflegeanstalt Wunstorf. Ihre dortige Krankenakte ist die einzige erhaltene Unterlage über sie. Aus den Einträgen auf der Charakteristik ist zu erfahren, dass Maria Czaja seit einer Magenoperation im Jahr 1923 in einem Altersheim in Twistringen, heute Landkreis Diepholz, untergebracht war. Vier Jahre später wurde sie als Invalidin anerkannt.
Weil sie 1938, also nach 15 Jahren Heimaufenthalt, zunehmend Wutanfälle und »masslosen Jähzorn« zeigte, kam sie von dort vorübergehend in das Krankenhaus Twistringen. Da sie keinerlei
Symptome einer schweren psychischen Krankheit, etwa einer Schizophrenie zeigte, empfahl der Amtsarzt zunächst die Unterbringung in einem anderen Heim. Maria Czaja weigerte sich. »Da sie tagtäglich in dem Krankenhaus Twistringen und dem angeschlossenen Altersheim wüste Scenen macht und den Frieden des Krankenhauses immer wieder stört« und weil die Verlegung in ein anderes Altersheim an »der abartigen Persönlichkeit der Czaja scheitern« würde, wurde sie am 19. August 1938 in die Anstalt Wunstorf eingewiesen. Weil der Amtsarzt auch diesbezüglich mit Widerstand rechnete, schlug er zugleich die Prüfung ihrer Entmündigung vor. Maria Czaja erhielt vom Amtsarzt die Diagnose »explosive, asoziale Psychopathin«. Sie leide unter einer Persönlichkeitsstörung. Ein beigefügter Vermerk bezüglich des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses, das seit dem
Januar 1934 die Zwangssterilisation von Menschen gesetzlich regelte, wies Maria Czaja zugleich als »nicht erbkrank« im Sinne des Erbgesundheitsgesetzes aus. In Wunstorf stellte man zudem
fest, dass Maria Czaja an den Folgen einer Syphilis leide, einer »Gehirnerweichung«.
Am 30. September 1941 wurde sie von Wunstorf in die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg verlegt.
Aus ihrer Zeit dort ist keine Akte erhalten. Sie starb laut Sterberegisterauszug des Standesamtes Lüneburg am 30. März 1943 im Alter von 52 Jahren. Die offizielle Todesursache lautete »Bauchfelltuberkulose« mit damit zusammenhängender Rippenfellentzündung. Mit Tuberkulose muss sie sich während ihres Anstaltsaufenthaltes in Lüneburg infiziert haben.
Maria Czaja ist im Jahr 1891 in Polen geboren.
Das ist ein Nachbar-Land von Deutschland.
Wir wissen nicht wie sie nach Deutschland kommt.
Sie ist schon lange vor dem Zweiten Welt-Krieg in Deutschland.
Im Jahr 1923 wird sie in Deutschland operiert.
Danach kommt sie in ein Alten-Heim.
Dabei ist sie erst 32.
Aber sie kann nicht mehr arbeiten.
Im Heim bleibt sie 15 Jahre.
Im Heim hat sie immer öfter Wut-Anfälle.
Dann kommt sie in ein Kranken-Haus.
Dort hat sie auch viele Wut-Anfälle.
Der Amts-Arzt sagt:
Maria ist verrückt.
Darum kommt sie in eine Anstalt nach Wunstorf bei Hannover.
Das ist ein besonderes Kranken-Haus.
Das ist im Jahr 1938.
Da bleibt sie 3 Jahre.
Dann kommt Maria in die Anstalt nach Lüneburg.
Dort steckt sie sich mit einer schweren Krankheit an.
Maria stirbt im März 1943 in der Lüneburger Anstalt.
Da ist sie 52 Jahre alt.
Maria Pozarenko wurde 1919 in Russland geboren. Nähere Informationen zu ihrem genauen Geburtstag oder dem Geburtsort sind der überlieferten Krankenakte nicht zu entnehmen. Sie war in Offensen bei Celle als zivile Zwangsarbeiterin in der Landwirtschaft eingesetzt. Sie wurde in Celle in Polizeigewahrsam genommen und dort von einem Amtsarzt begutachtet. Dieser kam am 10. Oktober 1942 zu dem Ergebnis, dass Maria Pozarenko unter »Jugendirrsein« leide und deshalb sofort in die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg überführt werden müsse. Noch am gleichen Tag wurde sie von einem Polizeiwachtmeister und einer Begleiterin mit dem Zug nach Lüneburg gebracht. »Sie soll unterwegs schwierig gewesen sein, sodass es mehrfach zu Rangeleien gekommen ist«, notierte der aufnehmende Arzt. Maria Pozarenko habe unordentlich ausgesehen, an allen Stellen habe sie Ungeziefer gehabt. Sie machte also vor allem einen verwahrlosten Eindruck. Da eine sprachliche Verständigung nicht möglich war, belief sich die Eingangsuntersuchung auf eine reine Beobachtung ohne Berücksichtigung von Hintergründen ihres unruhigen und störrischen Verhaltens.
Zwei Tage später verweigerte Maria Pozarenko die Nahrungsaufnahme und behielt auch kein Getränk bei sich. Erst am 24. Oktober 1942 wurde sie mit der Sonde ernährt, hielt der Leiter der Ausländersammelstelle Dr. Redepenning in ihrer Akte fest. Ihr festgestellter Kräfteverfall ließ sich nicht aufhalten, sie starb noch am selben Tag im Alter von etwa 23 Jahren. Redepenning diagnostizierte eine »abnorme Reaktion« und gab bei der Todesursache »hochgradige Erregung und Nahrungsverweigerung« sowie »Herzmuskelentartung« an. Da keine Herzuntersuchung dokumentiert ist, ist eher davon auszugehen, dass sie unter der Aufsicht von Redepenning verhungert ist.
Maria Pozarenko im Jahr 1919 in Russ-Land geboren.
Man weiß nicht, wann sie Geburts-Taghat.
Im Krieg kommt sie als Zwangs-Arbeiterin nach Deutschland.
Sie arbeitet in der Land-Wirtschaft.
In der Nähe von Celle.
Das ist eine Stadt in der Lüneburger Heide.
Im Oktober 1942 ist sie bei der Polizei.
Dort wird sie von einem Amts-Arzt unter-sucht.
Der Arzt sagt:
Maria ist verrückt.
Sie muss in die Lüneburger Anstalt.
Das ist ein besonderes Kranken-Haus.
Am gleichen Tag wird sie mit dem Zug nach Lüneburg gebracht.
Ihre Begleiter sagen:
Sie ist unruhig.
Und störrisch.
Und schmutzig.
Aber Maria kann kein Deutsch sprechen.
Sie kann nicht sagen wie es ihr geht.
In der Lüneburger Anstalt will sie nicht essen.
Und nicht trinken.
Erst 2 Wochen später wird sie mit einem Schlauch gefüttert.
Aber es ist zu spät.
Sie stirbt am gleichen Tag.
Sie ist erst etwa 23 Jahre alt.
Sie ist verhungert.
Der Arzt hat sie ermordet.
Weil er ihr zu spät zu essen gegeben hat.
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