Friedhof Nord-West

Der heutige Friedhof Nord-West wurde 1922 als Anstaltsfriedhof der 1901 gegründeten (Provinzial-) Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg für die Bestattung von Patient*innen sowie des Anstaltspersonals in Betrieb genommen. Zuvor wurden Patient*innen unter anderem auf dem Lüneburger Michaelisfriedhof beigesetzt. In der Nachkriegszeit blieb der Friedhof in Landesbesitz und wurde von der Anstaltsgärtnerei gepflegt.

Die letzten Patient*innen wurden 1982 bestattet. 1985 ging der Friedhof an die Stadt Lüneburg über. Er wird seitdem als städtischer Friedhof mit dem Namenszusatz »Nord-West« geführt. Seit 2008 finden hier auch Beisetzungen islamischer Glaubensangehöriger statt.

Auf dem Anstaltsfriedhof wurden auch Opfer der Lüneburger »Euthanasie«-Maßnahmen (1941 – 1945) sowie Opfer der Nachkriegspsychiatrie (1945 – 1951) bestattet. Hierzu gehören Kinder und Jugendliche, die in der »Kinderfachabteilung« Lüneburg ermordet wurden, Patient*innen der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg, die der »dezentralen Euthanasie« zum Opfer fielen, sowie an Erschöpfung, Hunger bzw. Mangelversorgung nach Kriegsende Verstorbene. Zu den erwachsenen Opfern der »dezentralen Euthanasie« gehörten insbesondere Patient*innen mit Behinderungen sowie mit ausländischer Herkunft (Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter*innen, Flüchtlinge und Umsiedler*innen). Außerdem wurden auf dem Anstaltsfriedhof auch Opfer des Luftkrieges beerdigt.

Die Kinder und Jugendlichen wurden auf einem »Kindergräberfeld« beigesetzt, die Patient*innen ausländischer Herkunft auf einem »Ausländergräberfeld«. Acht ermordete Kinder und Jugendliche wurden außerhalb des »Kindergräberfeldes« in einem Grab für erwachsene Patient*innen bestattet.

Nicht auf diesem Friedhof beigesetzt wurden Patient*innen aus der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg, die Opfer der »Aktion T4« wurden und 1941 in Tötungsanstalten ermordet wurden, sowie all jene Opfer, deren Angehörigen eine Überführung der Leichname veranlassten.

Bei den Beerdigungen trugen Pflegekräfte die Särge. In der Regel waren Geistliche, aber nur selten Angehörige anwesend. Die Toten wurden in Reihengräbern Kopf an Kopf beigesetzt. Die Gräber waren mit einfachen Holzkreuzen versehen, die nur die Namen und die Grabnummern trugen. Ende der 1940er Jahre wurden die Kreuze durch sogenannte Kissensteine ersetzt. Auf diesen rechteckigen, 40 x 30 cm kleinen Granitsteinen waren der Name und die Lebensdaten eingraviert.

Zwischen 1949 und 1957 wurden französische, niederländische und italienische Tote exhumiert und auf Kriegsgräberstätten überführt. Mit Ausnahme von 84 Gräbern wurden alle Gräber von Opfern der NS- und Nachkriegspsychiatrie sowie Gräber von Luftkriegsopfern nach einer Ruhezeit von 25 Jahren überbettet, obwohl sie unter die Kriegsgräbergesetze hätten fallen müssen. Die verbliebenen Gräber wurden 1975 zu einer Kriegsgräberstätte hergerichtet.

Seit 1983 erinnert ein Gedenkstein an die Opfer der Lüneburger NS-Psychiatrie. Im Zusammenhang mit der Beisetzung der sterblichen Überreste von zwölf Kindern, die in der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg dem Patientenmord zum Opfer fielen, wurde der Stein 2013 versetzt und Element einer Gedenkanlage. Inzwischen wird auf Geschichts- und Erinnerungstafeln über die Grablagen informiert.