Gräber außerhalb des Anstaltsfriedhofs

Es kam vor, dass Angehörige die Überstellung bzw. Rückführung der Leiche an den Heimatort veranlassten. Das ist der Grund, weshalb die Zahl der Kinder-Gräber auf dem »Kindergräberfeld« nicht identisch mit der Zahl der in der Anstalt gestorbenen Kinder ist.

Die Lüneburger Familien ließen ihre ermordeten Kinder ausnahmslos auf dem Lüneburger Zentralfriedhof bestatten. Bislang ist nur ein in der Anstalt gestorbenes Kind bekannt, das ebenfalls auf dem Zentralfriedhof Lüneburg beerdigt wurde, obwohl es kein Lüneburger Kind war: Christian Meins. Vermutlich wurde er auf dem Zentralfriedhof beerdigt, weil er offiziell als »Bombenbeschädigter« geführt wurde und für jene auf dem Zentralfriedhof ein Gräberfeld vorgesehen war.

Die Familien, die ihre Angehörigen nach Hause überführen ließen, gingen unterschiedlich mit ihrem Tod um. Es gab jene, die eine Trauerfeier ausrichteten, und solche, die nicht einmal eine Erwähnung im Gottesdienst wünschten. Es gab jene, die den Toten im Familiengrab beisetzen ließen, und solche, die genau das vermieden.

Im Fall der »Aktion T4« ließen sich nur verhältnismäßig wenige Familien die Urnen mit der vermeintlichen Asche überstellen. Die Urnen, gefüllt mit einer Misch-Asche der Opfer der »Aktion T4«, wurden dann in der Regel zu bereits bestehenden Gräbern hinzugebettet und gepflegt. Die Asche der übrigen Opfer der »Aktion T4« wurde – je nach Tötungsanstalt – als Dünger auf Feldern verstreut, in Erdhalden gekippt oder in fließendem Wasser entsorgt.

Da die Familien häufig nicht wussten, dass es sich bei ihrem Toten um ein Opfer der »Euthanasie« handelte, sind auch die wenigen bestehenden Gräber von »Euthanasie«-Opfern außerhalb von Anstaltsfriedhöfen nach Ablauf der Liegezeit meist aufgelöst worden.

Bis in die 1980er Jahre zu einem besonderen Stichtag hatten Familien die Möglichkeit, Gräber zu melden, die ab Anerkenntnis als Kriegsgräber öffentlich gepflegt werden konnten. Zu diesem Zeitpunkt gab es bei den Familien von »Euthanasie«-Opfern jedoch oftmals gar kein Wissen um das an ihren Verwandten verübte Verbrechen. Das führte dazu, dass viele Gräber, die sich außerhalb der Anstaltsfriedhöfe und in Familienpflegschaft befanden, nicht gemeldet wurden. Demgemäß wurden sie auch nie als Kriegsgräber erfasst, anerkannt und unter Schutz gestellt.

Bis heute gilt: Seit Ablauf des Stichtages ist eine Unterschutzstellung privat gepflegter Kriegsgräber nicht mehr möglich, auch wenn Forschungen inzwischen zweifelsfrei belegen können, dass es sich um Gräber von »Euthanasie«-Opfern handelt. Der Fortbestand dieser Gräber ist nicht gesichert, da sie nur existieren, solange die Familien bereit und in der Lage sind, die Gräber zu erhalten.