Lüneburger Beteiligung an der »Aktion T4«

Anfang 1941 waren in der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg insgesamt rund 1.200 Patientinnen untergebracht. Die Anstalt war in eine Heil- und in eine Pflegeanstalt geteilt. Nahezu jede*r zweite*r Patient*in der Pflegeanstalt wurde Opfer der »Aktion T4«.

Am 7. März 1941 wurden mindestens 123 männliche Patienten aus der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg in die Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein »planwirtschaftlich verlegt«. Die Verlegung erfolgte ohne eine Unterbringung in einer Zwischenanstalt. Die Patienten wurden sofort nach ihrer Ankunft ermordet.

Am 9., 23. und 30. April 1941 wurden mindestens 352 Patient*innen aus der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg über die Zwischenanstalt Herborn in die Tötungsanstalt Hadamar verlegt. Die Verlegung am 9. April 1941 betraf nur Frauen, es waren 131.

Die erste Verlegung wurde von Personal der »T4«-Zentrale begleitet. Die folgenden Verlegungen wurden mit Personal der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg durchgeführt. Die Patient*innen wurden zu Fuß durch die Stadt zum Lüneburger Bahnhof geführt. Dort wurden ihnen zwei Waggons zugewiesen, die man zu diesem Zweck an die regulären Personenzüge angekoppelt hatte. Am Zielbahnhof angekommen, wurden die Patientinnen mit Bussen weiterbefördert.

Insgesamt wurden 475 Lüneburger Patient*innen auf diese Weise in die »Aktion T4« verlegt. Es gab nach aktuellem Forschungsstand nur zwei Überlebende.

Die hohe Opferzahl stand in direktem Zusammenhang mit 475 Patient*innen, die ab März aus der Hamburger Anstalt-Langenhorn nach Lüneburg verlegt wurden. Um für sie die geforderten Bettenkapazitäten zu schaffen, wurden die Verlegungslisten der »T4«-Zentrale nach oben korrigiert. Hierfür wurden die Verweildauer in einer Anstalt ignoriert und Diagnosen in den Krankengeschichten und Charakteristiken gefälscht, sodass die Kriterien für eine »planwirtschaftliche Verlegung« offiziell erfüllt wurden. Verantwortlich hierfür waren sowohl der Ärztliche Direktor Dr. Max Bräuner als auch sein Stellvertreter Dr. Rudolf Redepenning.

Die Lüneburger Patient*innen wurden am 7. / 8. März, am 12. Mai, am 21. Mai, am 28. Mai, am 16. Juni sowie am 16. Juli 1941 ermordet. Sie gehören zu den letzten Opfern der »Aktion T4«, die im August 1941 eingestellt wurde.