Berend »Benni« Willem Hiemstra

Berend »Benni« Willem Hiemstra wurde am 20. Mai 1937 in Zutphen, Kreis Gelderland, in den Niederlanden geboren. Sein Vater war der Schlachtermeister, Vieh- und Fleischgroßhändler Hermann Godefridus Hiemstra. Die Mutter war Berendina Weselina Hiemstra, geborene Boeyink.

Benni war das einzige Kind von Berendina und Hermann Hiemstra. Darüber gab die Mutter bei der Aufnahme ihres Sohnes in der »Kinderfachabteilung« in der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg Auskunft. Sie war eine überzeugte Nationalsozialistin und hing der niederländischen Schwesterpartei der NSDAP an.

Als die Frontlinie und die Alliierten sich den deutsch besetzten Niederlanden näherten, entschieden die Hiemstras, ins Deutsche Reich zu flüchten. Auf diese Weise versuchten sie sich zu retten, da sie aufgrund ihrer Kollaboration mit den Deutschen eine strafrechtliche Verfolgung befürchteten.

Die Flucht mit den notwendigsten Habseligkeiten endete in Lüneburg. Bennis Eltern wurden nach einem kurzen Aufenthalt in der Scharnhorst-Kaserne in einem Flüchtlingslageruntergebracht, das in einer Schule in Amelinghausen im Kreis Lüneburg eingerichtet worden war. Die Flüchtlingslager wurden oftmals von der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) betreut. NSV-Schwestern kamen der Meldepflicht von behinderten oder psychisch erkrankten Menschen sehr akribisch nach, sodass es immer wieder zu Einweisungen aus den Flüchtlingslagern in die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg kam.

Sicher ist, dass Benni am 10. September 1944 gemeinsam mit einem Kind namens Johann Peter Wolf in die »Kinderfachabteilung« Lüneburg aufgenommen wurde. Bei seiner Einweisung war er sieben Jahre alt. Seine Mutter gab an, er habe im Alter von sechs Monaten Krämpfe bekommen und sich seither nicht weiterentwickelt.

Bei der ersten Untersuchung kam der Arzt Willi Baumert zu dem Ergebnis, Benni sei ein »tiefstehender Junge, der auf nichts reagiert, liegt teilnahmslos vor sich hindösend im Bett. […] Muß in jeder Hinsicht versorgt werden.« Zwei Wochen später wurde Benni von seinen Eltern besucht. Das war angesichts der Gesamtsituation der Familie ungewöhnlich. Bereits am nächsten Tag erfolgte jedoch der Eintrag, dem Kind ginge es schlecht, es sehe blutarm aus und habe Durchfall. Zur Therapie des Durchfalls wurde eine »Diät« verordnet.

Danach erfolgten nur noch zwei Einträge in seine Krankengeschichte, die durch das Schriftbild den Anschein erwecken, in einem Zuge vorgenommen worden zu sein, und zwar nach Todeseintritt. Am 30. September wurde notiert: »Zustand weiter verschlechtert. Dauernd […] Abgänge u. Erbrechen.« Am 2. Oktober 1944 wurde notiert: »Exitus 2h nachts. Todesursache 1 angeb. Schwachsinn wahrscheinlich 1b. fieberhafter Magendarmkatarrh.«

Die Eltern besuchten Benni während seines Aufenthaltes in der »Kinderfachabteilung« noch ein weiteres Mal. Im Feld der Besucherkarte »Bemerkungen« sind auch drei Gesprächstermine eingetragen. Ob es wirklich zu Gesprächen mit Max Bräuner, dem Ärztlichen Direktor der Anstalt kam, die Eltern eventuell sogar Einfluss auf die Versorgung ihres Kindes nahmen, lässt sich anhand der Besucherkarte nicht zweifelsfrei rekonstruieren. Offen ist auch, wie ein solcher Einfluss geartet gewesen sein konnte. Auffällig ist jedoch, dass Benni innerhalb von drei Wochen starb. Er wurde mit hoher Wahrscheinlichkeit ermordet – mit oder ohne Zustimmung bzw. Initiative der Eltern. Sie wurden noch am selben Tag per Telegramm informiert: »Sohn Willem entschlafen.« Benni wurde auf dem Kindergräberfeld bestattet.

»Benni« Hiemstra im Alter von einem Jahr, 3. Oktober 1938.

Privatbesitz Johan Huisman.