Christian Meins

Christian Meins war das erste Kind von Gretchen (Gretel) und Hermann Meins. Beide kamen aus Hamburg. Gretel kam aus einer kommunistisch geprägten Familie, Hermann war sozialdemokratisch und beteiligte sich als Jugendlicher an Straßenschlachten gegen Nationalsozialisten. Gretel und Hermann lernten sich in einer Gastwirtschaft kennen, in der Gretel in der Küche aushalf. Sie heirateten am 18. Januar 1939, als Gretel bereits schwanger war. Nach der Heirat bezog das Paar eine eigene Mietwohnung in Hamburg-Hammerbrook in der Nähe von Christians Großeltern mütterlicherseits. Zur Großmutter väterlicherseits, die eine eigene Kneipe führte und als durchsetzungsstark galt, gab es kaum Kontakt.

Christians Vater Hermann war Elektriker und arbeitete in der Rüstungsindustrie, unter anderem auch in Peenemünde an der »V2« sowie beim Technischen Hilfswerk. Durch sein gutes Einkommen brauchte Gretel nach der Geburt von Christian nicht zu arbeiten. Christian wurde am 10. Juni 1939 geboren. Er wurde nach seinem verstorbenen Großvater väterlicherseits benannt. Bei der Geburt hatte er die Nabelschnur zweimal um den Hals gewickelt und musste daraufhin ins Rotenburger Kinderkrankenhaus eingewiesen werden. Von diesem Geburtsschaden erholte er sich nicht.

Christian blieb verzögert und entwickelte epileptische Anfälle. Im Alter von rund drei Jahren legten sich die Anfälle. Ab dann sei Christian sehr lebhaft gewesen, besonderes Gefallen habe er am Klappern von Türen gehabt, die er stundenlang auf- und zuschlagen konnte. Die Eltern müssen Christian sehr geliebt haben. Der Vater machte Überstunden, um vom Lohnaufschlag Heilpraktiker-Rechnungen bezahlen zu können. Sie waren sehr glücklich über das beeinträchtigte Kind. Er war der »Prinz«, berichtet seine Schwester Heidi Frahm. Sie selbst blieb in ihrer Kindheit im Schatten ihres verstorbenen Bruders.

Christian, seine Eltern und die Großeltern wurden im Zuge des Hamburger »Feuersturms« im Sommer 1943 ausgebombt. Sie wurden nach Burgdorf in Niedersachsen evakuiert. Dort wurde Christian am 3. August 1943 dem Gesundheitsamt vorgestellt und vom Amtsarzt für »anstaltsbedürftig« befunden, »zumal jetzt bei den schwierigen häuslichen Verhältnissen (Bombenbeschädigte) eine ordnungsgemäße Unterbringung im eigenen Haushalt nicht mehr möglich ist.« Weil die Mutter zeitnah nach Bayreuth weitergeschickt werden sollte und der Vater zwecks Wiederaufnahme seiner Arbeit bei Blohm & Voss ebenso dringlich nach Hamburg zurückkehren musste, wurde Christians Aufnahme in die Heil- und Pflegeanstalt aufgrund gebotener Eile telefonisch veranlasst.

Bereits zwei Tage später, auf dem Rückweg nach Hamburg, brachte Hermann seinen Sohn persönlich in die »Kinderfachabteilung« Lüneburg. In Hamburg angekommen, organisierte er eine sogenannte »Ley-Bude«. Diese Behelfsunterkunft führte dazu, dass Gretel und ihre Eltern noch vor Kriegsende nach Hamburg zurückkehren konnten. Christian wurde nur drei Wochen nach seiner Aufnahme am 29. August 1943 ermordet. Seine offizielle Todesursache lautete Bronchitis.

Weil Christian Meins vom Status her und aktenmäßig als »bombenbeschädigtes Kind« eingewiesen bzw. geführt worden war, wurde er nicht auf dem Anstalts- sondern auf dem Zentralfriedhof Lüneburg bestattet. 1952 fiel sein Grab unter das Kriegsgräbergesetz. Es ist deshalb bis heute als Einzelgrab mit Grabplatte erhalten. Das Schicksal ihres älteren Bruders ließ Heidi nie los. 1947 geboren, war ihre Kindheit auch von der Erinnerung an ihren toten Bruder geprägt. Über 15 Jahre lang versuchte sie, sein Schicksal zu klären. Da sie davon ausging, dass es kein Grab gäbe, ließ sie auf dem Hamburger Friedhof Ohlsdorf ein Namensschild in Gedenken an ihn anbringen. Im September 2021 besuchte sie das Grab ihres Bruders zum ersten Mal.

Christian Meins, Hamburg-Hammerbrook, ca. 1941.

Privatbesitz Heidi Frahm.

»Wenn du weiter nichts hast, aber wenigstens dein Söhnchen.«
Gretel Meins schrieb diesen Satz auf die Rückseite einer Postkarte, auf der Christian mit Sonnenhut im Sand sitzt. Von dieser Postkarte gibt es mehrere Abzüge. Auf einem anderen Abzug ist vom Vater notiert, Christian sei an den Folgen einer Rauchvergiftung gestorben, ausgelöst durch den Bombenangriff. Dies steht im Widerspruch zum Eintrag in der Krankengeschichte, sein körperlicher Gesundheitszustand sei unauffällig und seine Lunge sei »ohne Befund«.

Postkarte von Christian Meins, ca. 1942, Vorder- und Rückseite.

Privatbesitz Heidi Frahm.

Gretel war zum Zeitpunkt von Christians Tod bereits nach Oeslau bei Coburg weiterevakuiert worden. Sie schien auch deshalb keinen Kontakt zu ihrem Ehemann gehabt zu haben und musste sich in Sorge um ihren Sohn brieflich an die Anstalt wenden, um zu erfahren, wie es ihm ergangen sei. Der Brief wurde laut Stempel einen Tag nach Christians Tod zugestellt.

Brief von Gretchen Meins an die Heil- und Pflegeanstalt vom 28.8.1943.

NLA Hannover Hann. 155 Lüneburg Acc. 56/83 Nr. 314.

Grab von Christian Meins auf dem Zentralfriedhof Lüneburg, September 2021.

ArEGL.