Auch in der Lüneburger Heil- und Pflegeanstalt wurde »dezentrale Euthanasie« praktiziert. Wie viele Patient*innen infolge der »dezentralen Euthanasie« in Lüneburg ermordet wurden, befindet sich derzeit in Erforschung. Diese Gruppen lassen sich identifizieren:
• Patient*innen aus der Heil- und Pflegeanstalt Hamburg-Langenhorn und der Stiftung Eben-Ezer,
• Patient*innen in der »Ausländersammelstelle« sowie
• erwachsene Patient*innen mit Behinderungen, für deren Aufnahme die Lüneburger Anstalt die Zuständigkeit hatte.
Die Sterberate unter den erwachsenen Patient*innen erreichte in den Jahren 1944 und 1945 mit bis zu 27 Prozent eine Rekordhöhe. Das heißt, nahezu ein Viertel der Patient*innen überlebte die Lüneburger Psychiatrie nicht und wurde möglicherweise Opfer der »dezentralen Euthanasie«. Auch nach der Befreiung Lüneburgs ging das Sterben in der Psychiatrie an Hunger, Mangel- und Fehlversorgung nahezu unvermindert weiter. Bis in den Sommer 1946 finden sich in den Sterbeurkunden die Todesursachen »Marasmus« und »Nahrungsmangel«. Auch gibt es viele Patient*innen, die sich in der Anstalt tödlich mit Tuberkulose infizierten.
Darüber hinaus kam es nach dem Ende der »Aktion T4« unvermindert zu »planwirtschaftlichen Verlegungen« in die »dezentrale Euthanasie«. So wurden in den Jahren 1942 und 1943 einzelne Patient*innen in die Tötungsanstalt Hadamar verlegt. Am 8. September 1943 wurden rund 300 Lüneburger Patient*innen in die Tötungsanstalt Pfafferode in Thüringen verlegt. Am 31. März 1944 kam es zu einer Verlegung von Patienten (nur Männer) aus der »Sicherungsunterbringung« (forensische Psychiatrie) in das Konzentrationslager Neuengamme. Am 11. Juni, 20. November und 20. Dezember 1944 kam es zu Verlegungen von Patient*innen ausländischer Herkunft an einen noch nicht identifizierten Ort, um sie dort mutmaßlich der Tötung zuzuführen.