Die sogenannte flächendeckende und lückenlose »erbbiologische Bestandsaufnahme« und Überprüfung war die grundlegende Voraussetzung für die Durchführung des »Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses«. Hierbei wurde nahezu jede*r durch das Gesundheitsamt hinsichtlich seines bzw. ihres »Erbwertes« erfasst und überprüft. Die Erfassung konnte über verschiedenste Wege erfolgen und in kaum einen Lebensbereich wirkten die »erbbiologische Bestandsaufnahme« und die Prüfung der »Erbtauglichkeit« nicht hinein. Systematisch erfasst und überprüft wurden alle:
• Patient*innen der Heil- und Pflegeanstalten, der örtlichen Kinderheime und Fürsorgeheime,
• Hilfsschüler*innen (Schülerinnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf ) sowie Schüler*innen, die aufgrund schlechter Noten / Sitzenbleibens bei Schuluntersuchungen der Amtsärzt*innen und bei Lehrkräften auffielen,
• Heiratswilligen (bei der Ehetauglichkeitsprüfung),
• Wehrpflichtigen (bei Feststellung der Wehrtauglichkeit),
• Ehepaare, die ein Ehestandsdarlehen beantragten,
• Eltern, die Kinderbeihilfe beantragten,
• Eltern ohne Trauschein,
• Mütter mit Kindern verschiedener Väter,
• Untersuchungshäftlinge, die sich im Gerichtsgefängnis befanden,
• Opfer von Missbrauch und Vergewaltigung,
• Sinti*zze und Rom*nja,
• Sexarbeiter*innen,
• »Landstreicher*innen« bzw. wohnungslos Gemeldete,
sowie all jene, aus deren Familie Suizid, eine psychische bzw. neurologische Erkrankung, Bettnässen, Alkoholismus, Inzest, Langzeitarbeitslosigkeit oder »Bummelantentum« bekannt war und all jene, die aufgrund laufender Sterilisationsverfahren von Angehörigen oder Verlobten für das Lüneburger Gesundheitsamt identifizierbar waren.