Dem Erbgesundheitsgericht saßen neben dem Amtsrichter zwei medizinische Richter vor. Bei den medizinischen Richtern handelte es sich immer um einen niedergelassenen Haus- oder Nervenarzt sowie einen verbeamteten Arzt. Der verbeamtete Arzt war entweder Amtsarzt oder Anstaltsarzt. Es wurde darauf geachtet, dass die Personen, die das medizinische Gutachten erstellten und das richterliche Amt ausübten, nicht identisch waren. So kam es beim Lüneburger Erbgesundheitsgericht vor, dass immer dann der Leiter des Gesundheitsamtes (Hans Rohlfing) das Richteramt vom Anstaltsdirektor (Max Bräuner) übernahm, wenn das Gutachten durch eine*n Mediziner*innen der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg erstellt worden war, etwa durch die Ärzte Baumert, Bräuner, Marx, Redepenning, Winninghoff oder die Ärztin Schmidt. Bei Bedarf wurden Rohlfing und Bräuner von einem Uelzener Kollegen (Sander) vertreten.
Bis 1940 war nahezu ausschließlich Amtsrichter Edzard Stölting der amtsgerichtliche Vorsitzende. Er wurde abgelöst von Börner und Jahn. Die Richter Severin und van Lessen vertraten hin und wieder. Oft saßen auch die niedergelassenen Ärzte Dressler und Vosgerau dem Erbgesundheitsgericht vor. Sie wurden von Bergmann (1940) und Cropp (1944) vertreten. Im Zusammenhang mit dem Erbgesundheitsobergericht werden in den Gerichtsunterlagen häufig die Namen Harten, Josten und Harries genannt.
Das Erbgesundheitsobergericht war in zweiter und letzter Instanz für gerichtliche Entscheidungen über die Anordnung der Unfruchtbarmachung zuständig. Die Betroffenen waren praktisch rechtlos. Anfänglich wurden Fälle ohne Anhörung der Betroffenen und ohne ernsthafte Vorbereitung durch die Beisitzer abschließend beraten und entschieden. Später fanden die Anhörungen in der Regel an den jeweiligen Gerichtsstandorten der Erbgesundheitsgerichte statt.
Besonders unangenehm musste aus richterlicher Sicht berühren, dass die Verfahren häufig ohne Neubegutachtungen und ohne Aktenzugang seitens der Betroffenen durchgeführt wurden, sodass sich selbst der nationalsozialistische Rechtswahrer-Bund veranlasst sah, verfahrensrechtliche Minimalstandards einzufordern. Man erwartete unter anderem zumindest das Recht Betroffener auf eine Akteneinsicht. Erst im Dezember 1936 empfahl das Reichsjustizministerium dem Celler Oberlandesgerichtspräsidenten von Garßen, den Rechtsanwälten der von Verfahren vor dem Erbgesundheitsobergericht Betroffenen bei entsprechender Prüfung und Belehrung Akteneinsicht zu gewähren.
Die Gerichtsverfahren fanden in Bezug auf die Patient*innen der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg in der Regel auf Station statt. Es wäre zu aufwendig gewesen, die Patient*innen ins Gericht zu eskortieren. Nur all jene, die sich nicht in Anstaltspflege befanden, wurden in den Seitentrakt des Amts- und Landgerichtes, Eingang Bardowickerstaße, vorgeladen. Identisch verfuhr man auch mit den Verhandlungen vor dem Erbgesundheitsobergericht. Das Celler Gericht schickte die Richter auf Dienstreise nach Lüneburg, dort wurden gleich mehrere Verfahren gebündelt verhandelt. Sie wurden in der Anstalt bzw. im Amts- und Landgerichtsgebäude geführt.