Geschwister Buhlrich

Hans Buhlrich, geboren am 1. Mai 1932, war das älteste Kind von Johanne Caroline (geborene Hartmann) und Wilhelm Johann Heinrich Buhlrich. Er wuchs bis zu seinem zehnten Lebensjahr bei seinen Eltern auf. Laut Cousin Kurt Homburg habe Hans seinen rechten Arm nicht unter Kontrolle gehabt und im Kopf sei er auch etwas langsamer gewesen. Am 21. Mai 1936 wurde Hans Schwester Erika Buhlrich, am 3. März 1941 seine Schwester Margret Buhlrich geboren.

Als der Vater in den Kriegsdienst eingezogen wurde, musste Mutter Johanne alles alleine bewältigen. Ihr Neugeborenes war erst ein halbes Jahr alt. Vermutlich aufgrund von Überforderung der Mutter wurde Hans am 20. September 1941 in das staatliche Gertrudenheim eingewiesen. Vom Gertrudenheim wurde Hans noch im selben Monat in die Heil- und Pflegeanstalt Kloster Kutzenberg (Oberfranken) verlegt. Dort starb Hans ein Jahr später am 17. Oktober 1942. Die offizielle Todesursache lautete »Herzschwäche«.

Als Hans Schwester Erika etwa ein Jahr alt war, erkrankte sie an Hirnhautentzündung. Infolgedessen zeigte sich eine Entwicklungsverzögerung. Als Erika fünf Jahre und ihre kleine Schwester sechs Monate alt war, erfuhr sie, dass ihr Bruder ins Gertrudenheim musste. Von da an wuchs sie ohne ihn und nur mit der fünf Jahre jüngeren Schwester Margret auf.

Als Bremen bombardiert wurde, suchte Johanne mit ihren Mädchen Zuflucht in einem Bunker. Nachbarn fühlten sich von den Mädchen gestört und denunzierten sie. Drei Jahre nachdem bereits ihr Bruder in die Anstalt eingewiesen worden war, wurden am 6. September 1944 auch Erika und Margret Buhlrich als anstaltsbedürftig in die »Kinderfachabteilung« Lüneburg aufgenommen. Johanne nutzte die Gelegenheit, um die Ursache für die Verzögerungen und Behinderungen ihrer Kinder zu erfragen. In Briefen bat sie den Ärztlichen Direktor, ihre Kinder dahingehend zu untersuchen. Sie dachte, auch Margret sei verzögert und habe eine Behinderung, dabei hatte sie nur »krumme Beine«.

Sie erhielt die Antwort, dass zur Klärung der Ursache Untersuchungen am Gehirn vorgenommen werden müssten, die erst nach dem Tode möglich seien. Beide Schwestern wurden daraufhin im Abstand von wenigen Wochen in der »Kinderfachabteilung« Lüneburg ermordet – erst Erika, dann Margret. Johanne hatte somit ihre drei Kinder in der »Kinder-Euthanasie« verloren.

Nach den Gehirn-Sektionen empfahl ihr Dr. Max Bräuner, sie solle besser keine weiteren Kinder bekommen. Daraufhin adoptierten sie und ihr Ehemann Wilhelm einen Jungen. Friedrich Buhlrich erfuhr erst nach dem Tod seiner Adoptiveltern, dass er drei Geschwister hatte. Er machte sich auf die Suche nach ihrem Schicksal und setzt sich seither für die Aufarbeitung der »Euthanasie«-Verbrechen ein.

Hans Buhlrich, 29.3.1936.

Privatbesitz Friedrich Buhlrich.

Erika Buhlrich auf einer Decke im Garten, ca. 1937.

Privatbesitz Friedrich Buhlrich.

Foto von Margret Buhlrich im Garten, Spätsommer 1944.

Privatbesitz Friedrich Buhlrich.

Aufnahme-Kartei zu Hans Buhlrich.

Kopie Friedrich Buhlrich |
Staatsarchiv Bamberg, Rep. K 61, Nr. 6489.

»Möchte sie auch fragen ob Sie schon festgestellt haben wovon es kommt, das meine beiden Kinder krank sind.«
Schreiben von Johanne Buhlrich an die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg, 18.9.1944.

NLA Hannover Hann. 155 Lüneburg Acc. 56/83 Nr. 45.

Sterbeurkunde Erika Buhlrich, 23.11.1944.

Privatbesitz Friedrich Buhlrich.

Sterbeurkunde Margret Buhlrich, 25.1.1945.

Privatbesitz Friedrich Buhlrich.