Herta Ley

Herta Ley wurde am 9. Oktober 1930 in Westrhauderfehn, Kreis Leer, geboren. Sie erkrankte mit zwei oder drei Jahren an einer Hirnhautentzündung. Ihr Vater Wessel Ley war Arbeiter und Landwirt. Über die Mutter Gesine Ley ist wenig dokumentiert. Sie arbeitete in der Landwirtschaft mit und hielt ab 1939 den Hof. Herta hatte eine zwei Jahre jüngere Schwester Ilse.

Herta Ley wurde im Alter von fast fünf Jahren in die Rotenburger Anstalten der Inneren Mission aufgenommen. Die Einweisung wurde durch den Kreisarzt veranlasst, der bei einer gelegentlichen Untersuchung einen »angeborenen Schwachsinn schwersten Grades« feststellte. Bei der Aufnahme gaben die Eltern an, Herta könne ein paar Worte sprechen, gehen, sitzen und stehen, jedoch wurden diese Angaben bezweifelt und die Diagnose »Idiotie« gestellt, . Auch fehlen in den Arztberichten Zuschreibungen wie »unsauber«, »kann nicht alleine essen« etc., sodass angenommen werden kann, dass Herta bei ihrer Aufnahme tatsächlich in einem gewissen Maße selbstständig war.

Herta wurde zu Weihnachten beurlaubt und hin und wieder von ihrer Mutter besucht. Herta nahm in der Rotenburger Anstalt jedoch eine schlechte Entwicklung. Sie verlernte das Laufen, Sprechen und verlor ihre Selbständigkeit. Offenbar wurde sie nicht gefördert und stattdessen vernachlässigt. Kurz vor ihrer Verlegung nach Lüneburg 1941 heißt es abschließend »Ganz tiefstehendes Mädchen, das sich selbst schlägt und beißt.« Zwei Monate später schrieb der Lüneburger Arzt Willi Baumert über Herta: »Völlig tiefstehend und offenkundig bildungsunfähig«.

Im November 1941 wurde an die Eltern ein Schreiben geschickt, das sie darüber in Kenntnis setzte, dass ihre Tochter hochfieberhaft an einem Bronchialkatarrh erkrankt sei. In der Akte ist hierzu nichts vermerkt. Vermutlich war Herta gar nicht erkrankt, sondern wurden ihre Eltern versehentlich angeschrieben.

Laut Akte erkrankte Herta erst Ende Januar / Anfang Februar 1942 fieberhaft. Sie starb am 3. Februar 1942 im Alter von elf Jahren. Die in der Todesanzeige angegebene offizielle Todesursache lautete »doppelseitige Lungentuberkulose«, obwohl sich hierzu kein einziger Eintrag in ihrer Krankenakte findet. Hierbei bezog sich Willi Baumert auf vermeintliche Tuberkulose-Vorerkrankungen von Herta. Doch diese hatte es nie gegeben. Das geht aus zwei Arztberichten hervor, die 1936 und 1940 erstellt wurden. Zweimal war Herta Ley mit Verdacht auf Lungen-Tbc untersucht worden, beide Untersuchungen waren jedoch ohne Befund. Bei der Untersuchung 1940 wurde sogar festgestellt: »Der Durchleuchtungsbefund liess nichts für eine Tbc. erkennen, jedoch einen Herzfehler vermuten, möglicherweise einen angeborenen. […] Lungenfelder einwandfrei«.

An den Vater, der zur gleichen Zeit im Lager Löningen seinen Heimatschutzdienst leistete, gingen noch am Todestag ein Telegramm und ein ausführliches Schreiben. Darin hieß es: »Wie ich Ihnen bereits telegraphisch mitteilte ist Ihre Tochter Herta Ley heute Vormittag 3,30 Uhr sanft entschlafen.« Sie wurde drei Tage später auf dem Anstaltsfriedhof, dem heutigen Friedhof Nord-West, bestattet.

Im Strafprozess wegen Mordes gegen Dr. Max Bräuner, Dr. Willi Baumert und die Pflegerin der Mädchenstation Dora Vollbrecht 1962 – 1966 wurde Hertas Krankenakte am 12. Juni 1963 als Beweisstück angeführt. In ihrer Befragung konnte Dora Vollbrecht die Tötung vieler namentlich benannter Kinder jedoch nicht mehr erinnern. 1966 wurde Dora Vollbrecht außer Verfolgung gesetzt, 1980 das Strafverfahren gegen sie wegen Verfahrensunfähigkeit endgültig eingestellt.

Nach dem Tod von Herta bekam ihre Mutter Gesine noch zwei Mädchen, Wilma und Hanne. Weil Hanne am gleichen Tag geboren wurde wie Herta, sollte sie erst den Namen Herta tragen. Erna, die Schwester von Gesine, verhinderte dies. Sie hatte sich um Herta gekümmert, bevor diese in die Anstalt aufgenommen wurde und erzählte später von ihr. Ihre Schwester Hanne trug zur Aufarbeitung von Hertas Schicksal bei.

Herta Ley, ca. Frühjahr 1932.

Privatbesitz Familie Herlyn und Hamel.

Wilma und Ilse Ley, Franz Hamel, Hanne, Gesine und Wessel Ley (von links nach rechts), September 1956.

Privatbesitz Familie Herlyn und Hamel.