Marie Pawlus

Marie Pawlus wurde am 15. Mai 1925 in Nesterow in Russland geboren. Bei ihrer Ankunft in der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg wog die Zwanzigjährige bei einer Größe von 1,60 m nur 41 kg. Sie weigerte sich ihren Namen zu sagen, und nur mit Hilfe russischer Mitpatientinnen sowie eines Dolmetschers wurden wenige Informationen zutage gefördert. Sie habe angegeben, 27 Jahre alt und seit drei Monaten in Deutschland zu sein. Ihre Eltern seien tot und sie habe bei einem Bauern gearbeitet. Sie habe zwei Brüder und drei Schwestern in der Ukraine. Sie gab bei der Befragung auch an, dass sie zur Schule gegangen sei und deshalb ein wenig lesen und schreiben könne.

Im Aufnahmeformular ist notiert, dass sie bei einem Herrn Bernhard Meyer aus Garrel (in der Nähe von Cloppenburg) als Ostarbeiterin beschäftigt war. Dort hatte das Arbeitsamt Vechta, von dem Marie Pawlus‘ Verlegung nach Lüneburg initiiert wurde, fälschlicherweise auch angegeben, sie sei 1912 geboren. Man hatte sich an den Eintragungen in Wehnen orientiert. In Wehnen war sie vom St. Elisabeth-Stift in Lastrup – wo sie sich vorübergehend befand – wegen Erregungszuständen, Desorientiertheit, Gewalttätigkeit und angeblichen Stimmenhörens am 6. Mai 1944 in die Heil- und Pflegeanstalt Oldenburg in Wehnen überwiesen worden. Dort sei sie dann »maßlos verkommen und verdreckt. Voller Ungeziefer« angekommen. Obwohl unter Hinzuziehung eines Dolmetschers auch dort schon nichts von ihr zu erfahren war, attestierte man ihr »Sinnestäuschungen und Wahnvorstellungen«. Weil sie sich nicht wusch, erregt und unruhig blieb bzw. »alle Arbeitsversuche fehlgeschlagen« waren, überwies man sie schließlich von Wehnen nach Lüneburg.

Die Lüneburger Ärzte stellten die Verdachtsdiagnose einer »katatonen Schizophrenie«. Des Weiteren stellte man fest, sie sei »ein blaßes Mädchen in schlechtem Kräftezustand.« Man brachte sie nach Haus 16. Dort erholte sie sich kaum. Ein Versuch, sie in der Schälküche zu beschäftigen, misslang. Sie sei dort nicht zu gebrauchen gewesen. Sie blieb »unbeschäftigt«. Im Oktober 1945 hieß es zudem: »Spricht nicht, interessenlos, zeitweise abwesend.« Im Dezember 1945, nach einem Jahr Aufenthalt in Lüneburg, stellten die Ärzte fest, sie sehe »auffallend schlecht aus«. Gustav Marx notierte am 14. Dezember 1945 »P. ist sehr elend, blaß, abgemagert« und ordnete deswegen eine aufbauende »Diät« an. Zwei Wochen später starb Marie Pawlus. Die offizielle Todesursache lautete Lungentuberkulose, die 16 Tage zuvor diagnostiziert worden war.