Die Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein befindet sich am historischen Ort einer ehemaligen Tötungsanstalt. Die Anstalt in der Festung Schloss Sonnenstein ist die älteste Psychiatrie in Deutschland. Die von einem reformpsychiatrischen Ansatz geprägte Anstalt nahm 1811 ihren Betrieb auf. In den 1930er Jahren setzte sich mit dem neuen Ärztlichen Direktor Paul Hermann Nitsche eine von Rassenhygiene geprägte Versorgung durch. Im Dezember 1939 endete der Anstaltsbetrieb. Das Schloss wurde – wohl auch aufgrund der Nähe zu den von deutschen Soldaten besetzten Gebieten in Polen – als Reservelazarett und Lager für sogenannte »Umsiedler« genutzt.
Im Frühjahr 1940 wurde in einem abgeschirmten Teil des Anstaltsgeländes eine Tötungsanstalt eingerichtet. Zwischen Juni 1940 und August 1941 wurden über 13.700 Menschen mit psychischen Erkrankungen bzw. Behinderungen ermordet. Die Menschen wurden in einen als Duschraum getarnten Kellerraum des Hauses C 16 geführt und durch Kohlenmonoxid erstickt. Wenige Meter entfernt befanden sich zwei Koksöfen, in denen die Leichen anschließend verbrannt wurden.
Am 7. März 1941 wurden im Rahmen der »Aktion T4« mindestens 123 männliche Patienten aus der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg in die Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein verlegt und direkt nach ihrer Ankunft ermordet. Es war die einzige Verlegung, die direkt von Lüneburg nach Pirna stattfand.
Zur Beurkundung sämtlicher Tode wurde in der Tötungsanstalt ein Sonderstandesamt betrieben, das den Angehörigen hinsichtlich Todesursache und Todesdatum gefälschte Sterbeurkunden schickte.
Zum Ende der »Aktion T4« und nach deren offizieller Einstellung ging das Morden in Pirna-Sonnenstein weiter. Über 1.000 Menschen wurden ab Sommer 1941 im Rahmen der sogenannten »Sonderbehandlung 14f13« ermordet. Hierbei handelte es sich um ehemalige, nicht mehr arbeitsfähige Häftlinge der Konzentrationslager Sachsenhausen, Buchenwald und Auschwitz, die in der Gaskammer in Schloss Sonnenstein ermordet wurden. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine Vernichtungslager mit eigenen Gaskammern.
Ein Drittel des Personals aus der Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein wurde nach dem Ende der »Aktion T4« in das von Deutschen besetzte Generalgouvernement in Polen versetzt, um dort mit ihrem »Expertenwissen« die drei Vernichtungslager Sobibór, Bełżec und Treblinka aufzubauen und zu betreiben. Über 1,8 Millionen Menschen wurden in diesen Lagern während der »Aktion Reinhardt« ermordet.
Im Sommer 1942 wurde die Tötungsanstalt aufgelöst und die Spur der Verbrechen verwischt. In das Schloss Sonnenstein zogen die »Adolf-Hitler-Schule Gau Sachsen« sowie die Reichsverwaltungsschule ein, bis Kriegsende wurde das Schloss Sonnenstein außerdem als Wehrmachtslazarett genutzt.
Die Strafverfolgung der Ärzt*innen und Pfleger*innen setzte 1947 ein. Der Arzt Paul Hermann Nitsche und zwei Pfleger wurden im Dresdner Prozess zum Tode verurteilt.
Von 1945 bis 1949 diente das Schloss als Flüchtlings- und Quarantänelager für ehemalige Wehrmachtsangehörige, auch waren Teile des Landratsamtes in den Räumlichkeiten untergebracht. Bis 1954 beherbergte das Schloss eine Polizeischule. Zwischen 1954 und 1991 wurde ein Großteil des Geländes von einem Strömungsmaschinenwerk zum Bau von Flugzeugturbinen genutzt. 1989 gründete sich eine Bürgerinitiative mit dem Ziel, eine Gedenkstätte einzurichten. 1991 richtete die Arbeiterwohlfahrt Werkstätten für Menschen mit Behinderungen ein, parallel konstituierte sich ein Kuratorium zwecks Errichtung einer Gedenkstätte. 1992 bis 1994 wurden die Kellerräume rekonstruiert und als Gedenkstätte hergerichtet. Im Jahr 2000 wurde eine Dauerausstellung eingeweiht.
In Pirna wird auch im öffentlichen Raum an die Verbrechen erinnert. Es gibt 16 Wegweiser, die vom Bahnhof zur Gedenkstätte führen und über den Patient*innenmord informieren. Darüber hinaus gibt es im Stadtgebiet eine »Gedenkspur« bunter Kreuze.
Historische Postkarte der königlichen Heil- und Pflegeanstalt Pirna-Sonnenstein.
ArEGL 99.
Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein.
ArEGL, Henning Bendler.