Zizlaw Rudzki wurde am 20. Mai 1923 in Tschenstochau (Częstochowa) im Süden Polens geboren. Polen war ab September 1939 durch die Deutschen besetzt. Um den kriegsbedingten Arbeitskräftemangel im Deutschen Reich zu kompensieren, wurden die Menschen im besetzten Gebiet aufgefordert, sich zum Arbeitsdienst zu melden. »Auf Anordnung der Polizei« meldete sich auch Zizlaw Rudzki am 30. Juli 1940 zum Arbeitsdienst ins Deutsche Reich. Da war er erst 17 Jahre alt und es ist davon auszugehen, dass diese Meldung unfreiwillig erfolgte.
Zizlaw Rudzki arbeitete rund drei Jahre als Zwangsarbeiter, zum Schluss in einem Motorenwerk in Varel. Er habe »zur vollsten Zufriedenheit gearbeitet, bis er vor etwa 3 Monaten nach und nach in der Arbeit nachließ, ein bedrücktes Wesen zur Schau trug und ganz allgemein – in auffallend affectiver Weise – stereotyp angab, nicht mehr arbeiten zu können.«, begründete der praktische Arzt Dr. Behrens aus Varel seine Verdachtsdiagnose »Schizophrenie« und stützte sich hierbei offenbar auf die Angaben des Vorgesetzten des Motorenwerkes. Der vor der Aufnahme in die Heil- und Pflegeanstalt Oldenburg in Wehnen hinzugezogene Nervenarzt kam zu dem gleichen Ergebnis. Selbstäußerungen von Rudzki flossen in die ärztlichen Gutachten nicht ein. Auch der Oberarzt in Wehnen, ein Dr. Moor, hielt in seinem Bericht fest: »Nach der eingehenden körperlichen Untersuchung und psychischen Beobachtung handelt es sich bei R.[udzki] um ein Erscheinungsbild, das mit Verstimmungen, Depressionszuständen, Apathie und völliger Abgeschlossenheit von seiner Umwelt einhergeht. Exogene Momente, die die Ursache dieser psychischen Veränderungen sein könnten, sind allem Anschein nach auszuschließen […]«. Der Oberarzt stützte sich ausschließlich auf die Angaben der Kollegen, die sich ihrerseits wiederum auf die Angaben des Vorgesetzten im Motorenwerk Varel stützten.
Am 3. September 1943 kam Zizlaw Rudzki in der Heil- und Pflegeanstalt Oldenburg in Wehnen an. Dort blieb er »verschlossen, stierte völlig verstört auf dem Wachsaal herum, [gab] auch auf eindringliches Fragen keine Antwort.«. Zizlaw Rudzkis körperlicher Zustand verschlechterte sich zudem derart, dass eine später in Erwägung gezogene Elektroschockbehandlung nicht möglich war. Zizlaw Rudzkis Krankengeschichte ist typisch für Patient*innen, die in die »Ausländersammelstelle« eingeliefert wurden: Er kam am 14. Dezember 1944 in der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg an und wurde wie viele andere erst am 3. Januar 1945 von dem Leiter Dr. Redepenning begutachtet. Der einzige Eintrag war: »Stuporös wie oben geschildert. nicht arbeitsfähig.« Zwei Wochen später notierte Redepenning: »Nässt ein. Stuporös. Elend & abgemagert. [Unterstreichung im Original]«. Am 7. Februar folgte der Eintrag: »Unverändert: nicht arb.[eits]eins.[atz]fähig. Bef. [und]-Bericht.« Am 25. März folgte: »An Erschöpfung gestorben [Unterstreichung im Original]. Mutter kann nicht in Tschenstochau benachrichtigt werden.« Zizlaw Rudzki wurde nur 21 Jahre alt.