Günther Bruchmüller und Hermann gehören zu jenen Brüdern, die zunächst durch eine Verlegung in die Stiftung Eben-Ezer nach Lemgo gerettet zu sein schienen. Günther, geboren am 7. Mai 1933, war der Ältere von beiden. Auch sein eineinhalb Jahre jüngerer Bruder Hermann, geboren am 18. Januar 1935, kam in Lüneburg zur Welt. Die Brüder wurden am 25. November 1942 gemeinsam in der »Kinderfachabteilung« Lüneburg aufgenommen. Sie kamen nicht von zu Hause, sondern waren zunächst Patienten im Kinderhospital in Lüneburg, danach in der Pestalozzi-Stiftung in Burgwedel. Auch das Kinderheim Springe soll eine Station gewesen sein, und schließlich waren sie Fürsorgezöglinge im Provinzial- Jugendheim Wunstorf. Dort wurden sie durch den behandelnden Arzt Willi Baumert für eine Aufnahme in die ebenfalls von ihm geleitete »Kinderfachabteilung« selektiert. Ihre Geschwister Alwine und Helga blieben in Wunstorf.
Die Eltern waren der Kriegsinvalide Ludwig Bruchmüller und seine Frau Anna Marie. Zur Mutter vermerkte Baumert, dass sie aufgrund »Schwachsinns« sterilisiert worden sei und sich zum Zeitpunkt der Aufnahme ihrer beiden Söhne im »Konzentrationslager« befand.
Günther Bruchmüller kehrte am 27. Januar 1944 aus Lemgo zurück nach Lüneburg. Er wurde wie 23 weitere Jungen und Mädchen in die »Kinderfachabteilung« zurückverlegt. Er blieb in der Lüneburger Anstalt bis weit über das Kriegsende hinaus und gehört somit zu den Überlebenden der »Kinderfachabteilung«. Wenige Monate nach der Einrichtung einer neuen Pflegschaft starb er im Alter von 23 Jahren am 2. Dezember 1956 infolge einer Blinddarmoperation.
Erst zwei Wochen vor seinem Tod hatte sein Bruder Hermann den Kontakt zu ihm gesucht. Hermann war inzwischen in einer bäuerlichen Familienpflegestelle untergebracht und ließ über die Stiftung Eben-Ezer in der Lüneburger Anstalt anfragen, wie es seinem Bruder gehe. Er ließ nichts unversucht, die Verbindung zu seinem Bruder zu halten. Da er selbst nicht schreiben konnte, formulierte die Anstalt eine Antwort. Darin erfuhr Hermann, dass Günther inzwischen im Rahmen der Arbeitstherapie im Fahrdienst eingesetzt war. Er sei sehr nützlich, zutraulich und guter Dinge gewesen.
Die Schwester Alwine St. bemühte sich um die Pflegschaft für ihren Bruder Günther. Obwohl seine Schwester diese Pflegschaft ab Oktober 1956 besaß, wurde sie über den Tod ihres Bruders nicht informiert. Sie erfuhr von seinem Tod eher beiläufig durch einen Halbbruder. Auch Hermann erfuhr nichts vom Tod seines Bruders. Deswegen ließ er zwei Jahre später fragen, ob sich die Brüder einmal sehen dürften und dies an Weihnachten möglich sei. Hermann erfuhr daraufhin mit zwei Jahren Verspätung, dass sein Bruder nur wenige Tage nach seiner Kontaktaufnahme verstorben war.
Personalbogen männlicher Fürsorgezöglinge.
NLA Hannover Nds. 330 Lüneburg Acc. 2004/134 Nr. 3058.
Schreiben der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg an den Herrn Oberpräsidenten vom 29.1.1944.
NLA Hannover Nds. 330 Lüneburg Acc. 2004/134 Nr. 3058.
Schreiben von Alwine St. vom 30.7.1957.
NLA Hannover Nds. 330 Lüneburg Acc. 2004/134 Nr. 3058.
Schreiben der Anstalt Eben-Ezer an die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg vom 24.11.1958.
NLA Hannover Nds. 330 Lüneburg Acc. 2004/134 Nr. 3058.