Die zentrale, planmäßig gesteuerte Ermordung von erwachsenen Psychiatriepatient*innen begann im Jahr 1940 nach Einführung der Meldepflicht und der Einrichtung von Tötungsanstalten. Diese Anstalten waren zwischen 1940 und 1941 Brandenburg an der Havel, Bernburg, Grafeneck, Hadamar, Hartheim und Pirna-Sonnenstein. Die der Kanzlei des Führers direkt unterstellte Verwaltungszentrale hatte bis März 1945 ihren Sitz in einer Villa in der Berliner Tiergartenstraße 4, weshalb heute von der »Aktion T4« gesprochen wird.
Grundlage für die Planung und Durchführung war die Ermächtigung, die Anfang Oktober 1939 von Adolf Hitler verfasst und auf den Tag des Kriegsbeginns am 1. September 1939 zurückdatiert wurde. Darin wurden der Leiter der Kanzlei des Führers, Philipp Bouhler, und Hitlers chirurgischer Leibarzt Karl Brandt ermächtigt, ausgewählten Ärzt*innen die Tötung von Menschen mit Behinderungen und Erkrankungen zu erlauben.
In der Tiergartenstraße 4 wurde eine zentrale Dienststelle eingerichtet, die in vier Abteilungen gegliedert die Erfassung, Deportation, Tötung und kostenmäßige Abwicklung von Patientinnen sowie das dafür erforderliche Personalwesen organisierte. Heil- und Pflegeanstalten wurden aufgefordert, Patient*innen mit Hilfe von Meldebögen an die »T4«-Zentrale zu melden.
Rund 40 ärztliche Gutachter*innen entschieden anhand der Meldebögen, ob ein*e Patient*in ermordet werden sollte oder nicht. Mit einem roten Plus- oder einem blauen Minuszeichen wurde auf dem Bogen entsprechend gekennzeichnet, wer ermordet werden sollte. Auf dieser Basis wurden Verlegungslisten erstellt. Die Anstaltsärzt*innen konnten diese Listen ergänzen oder kürzen.
Die Deportation von Patient*innen in die Tötungsanstalten wurde als »planwirtschaftliche Verlegung« bezeichnet und durch die Einbeziehung sogenannter »Zwischenanstalten« verschleiert. Durch sie konnten die einzelnen Verlegungstransporte zudem besser aufeinander abgestimmt werden. Für die Transporte der Patient*innen in die Tötungsanstalten kamen Reichspost-Busse zum Einsatz, die zu Beginn der »Aktion T4« noch keine graue Tarnfarbe trugen. Häufig wurden die Verlegungen vom Anstaltspersonal begleitet.
Die Angehörigen wurden in der Regel erst dann über die »planwirtschaftliche Verlegung« informiert, wenn die Patient*innen bereits tot waren. Der ihnen mitgeteilte offizielle Todestag wurde gefälscht und nach hinten verlegt, um noch Pflegegeld zwischen tatsächlichem Todestag und offiziellem Sterbedatum abrechnen zu können. Hierdurch finanzierte sich die »Aktion T4« und wurden Personal- und Sachkosten bestritten.
Insgesamt fielen 1940 bis 1941 im Rahmen der »Aktion T4« mehr als 70.000 Psychiatriepatient*innen dem Gas-Mord zum Opfer. Die »Aktion T4« endete offiziell im August 1941 durch mündliche Anordnung von Hitler an Bouhler.
Doch mit dem offiziellen Ende der »Aktion T4« endeten die Morde an Psychiatriepatient*innen nicht. Die »Euthanasie«-Maßnahmen wurden als »geheime Reichssache« fortgeführt. Im Rahmen der sogenannten »Sonderbehandlung 14f13« wurden in den Tötungsanstalten Bernburg, Pirna-Sonnenstein und Hartheim Konzentrationslager-Häftlinge ermordet. Außerdem erfolgten bis Kriegsende und darüber hinaus in der sogenannten »dezentralen Euthanasie« hunderttausend Morde durch Medikamente und Mangelversorgung.
Die Villa in der Tiergartenstraße 4 wurde im Frühjahr 1945 durch eine Bombe nahezu vollständig zerstört.
Ein Bus der »Aktion T4«.
Archiv Stiftung Liebenau.