Gedenkanlage

Anlässlich der Bestattung der sterblichen Überreste von Kindern und Jugendlichen, die in der »Kinderfachabteilung« Lüneburg 1941 und 1942 ermordet worden waren, wurde 2013 eine Gedenkanlage errichtet. Sie erinnert an die mit der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg in Verbindung stehenden NS-Opfer. Bereits seit 1983 erinnert ein Gedenkstein auf dem Friedhof an die Opfer der Lüneburger NS-Psychiatrie. Dieser wurde in die neu errichtete Gedenkanlage integriert.

Die Gedenkanlage besteht aus einem Backsteinband aus gelben und roten Steinen in Anlehnung an die Gebäude der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg, der heutigen Psychiatrischen Klinik. Es wurden 297 rote Steine verlegt, einer für jedes auf dem »Kindergräberfeld« bestattete Kind. Ein Block von 37 gelben Steinen wurde für die Kinder gesetzt, von denen bisher Organ-Abgaben nach Hamburg belegt sind. Die Gedenkanlage ist zugleich das Grab von zwölf Kindern, deren sterbliche Überreste im Rahmen der Einweihung am 25. August 2013 beigesetzt wurden. Für sie ragen zwölf historische Steine von 1901, dem Baujahr der Anstalt, heraus.

An die Gedenkanlage wurden Kirschbäume gepflanzt, die symbolisch für die verschiedenen Opfergruppen und für jedes individuelle Einzelschicksal stehen. Die Gedenkanlage ist allen diesen Opfern gewidmet: Frauen und Männern, die gegen ihren Willen unfruchtbar gemacht wurden oder die aus der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg in die Tötungsanstalten Pirna-Sonnenstein und Hadamar verlegt und dort vergast wurden, Kindern und Jugendlichen, die in der Lüneburger »Kinderfachabteilung« ermordet wurden, ausländischen Patient*innen, die aus Norddeutschland in der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg konzentriert und von dort deportiert wurden, sowie allen Patient*innen, die in der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg der »dezentralen Euthanasie« zum Opfer fielen und an Mangelernährung bzw. den Folgen von Verwahrlosung starben.

In den Jahren 2006 und 2012 wurden im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Gehirnschnitte von Kindern und Jugendlichen entdeckt, die in der Lüneburger »Kinderfachabteilung« ermordet wurden. Die Präparate wurden im Beisein der Angehörigen dicht an den ursprünglichen Gräbern der Kinder bestattet. Bei den zwölf Kindern handelt es sich um:

Marianne Begemann (1929 – 1941)
Rosemarie Bode (1935 – 1942)
Waldemar Borcholte (1931 – 1942)
Friedrich Daps (1933 – 1942)
Heinrich Herold (1934 – 1942)
Elsa Knust (1928 – 1942)
Herta Ley (1930 – 1942)
Hans-Herbert Niehoff (1933 – 1942)
Helmut Quast (1930 – 1942)
Heinz Schäfer (1937 – 1942)
Eckart Willumeit (1928 – 1942)
Werner Wolters (1938 – 1942)

Friedhof Nord-West

Der heutige Friedhof Nord-West wurde 1922 als Anstaltsfriedhof der 1901 gegründeten (Provinzial-) Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg für die Bestattung von Patient*innen sowie des Anstaltspersonals in Betrieb genommen. Zuvor wurden Patient*innen unter anderem auf dem Lüneburger Michaelisfriedhof beigesetzt. In der Nachkriegszeit blieb der Friedhof in Landesbesitz und wurde von der Anstaltsgärtnerei gepflegt.

Die letzten Patient*innen wurden 1982 bestattet. 1985 ging der Friedhof an die Stadt Lüneburg über. Er wird seitdem als städtischer Friedhof mit dem Namenszusatz »Nord-West« geführt. Seit 2008 finden hier auch Beisetzungen islamischer Glaubensangehöriger statt.

Auf dem Anstaltsfriedhof wurden auch Opfer der Lüneburger »Euthanasie«-Maßnahmen (1941 – 1945) sowie Opfer der Nachkriegspsychiatrie (1945 – 1951) bestattet. Hierzu gehören Kinder und Jugendliche, die in der »Kinderfachabteilung« Lüneburg ermordet wurden, Patient*innen der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg, die der »dezentralen Euthanasie« zum Opfer fielen, sowie an Erschöpfung, Hunger bzw. Mangelversorgung nach Kriegsende Verstorbene. Zu den erwachsenen Opfern der »dezentralen Euthanasie« gehörten insbesondere Patient*innen mit Behinderungen sowie mit ausländischer Herkunft (Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter*innen, Flüchtlinge und Umsiedler*innen). Außerdem wurden auf dem Anstaltsfriedhof auch Opfer des Luftkrieges beerdigt.

Die Kinder und Jugendlichen wurden auf einem »Kindergräberfeld« beigesetzt, die Patient*innen ausländischer Herkunft auf einem »Ausländergräberfeld«. Acht ermordete Kinder und Jugendliche wurden außerhalb des »Kindergräberfeldes« in einem Grab für erwachsene Patient*innen bestattet.

Nicht auf diesem Friedhof beigesetzt wurden Patient*innen aus der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg, die Opfer der »Aktion T4« wurden und 1941 in Tötungsanstalten ermordet wurden, sowie all jene Opfer, deren Angehörigen eine Überführung der Leichname veranlassten.

Bei den Beerdigungen trugen Pflegekräfte die Särge. In der Regel waren Geistliche, aber nur selten Angehörige anwesend. Die Toten wurden in Reihengräbern Kopf an Kopf beigesetzt. Die Gräber waren mit einfachen Holzkreuzen versehen, die nur die Namen und die Grabnummern trugen. Ende der 1940er Jahre wurden die Kreuze durch sogenannte Kissensteine ersetzt. Auf diesen rechteckigen, 40 x 30 cm kleinen Granitsteinen waren der Name und die Lebensdaten eingraviert.

Zwischen 1949 und 1957 wurden französische, niederländische und italienische Tote exhumiert und auf Kriegsgräberstätten überführt. Mit Ausnahme von 84 Gräbern wurden alle Gräber von Opfern der NS- und Nachkriegspsychiatrie sowie Gräber von Luftkriegsopfern nach einer Ruhezeit von 25 Jahren überbettet, obwohl sie unter die Kriegsgräbergesetze hätten fallen müssen. Die verbliebenen Gräber wurden 1975 zu einer Kriegsgräberstätte hergerichtet.

Seit 1983 erinnert ein Gedenkstein an die Opfer der Lüneburger NS-Psychiatrie. Im Zusammenhang mit der Beisetzung der sterblichen Überreste von zwölf Kindern, die in der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg dem Patientenmord zum Opfer fielen, wurde der Stein 2013 versetzt und Element einer Gedenkanlage. Inzwischen wird auf Geschichts- und Erinnerungstafeln über die Grablagen informiert.

Ehrenhain

1967 wurde der ehemalige Ärztliche Direktor Dr. Rudolf Redepenning am Fuße der »Kindergräberfelder« beigesetzt. Das Grab ist durch ein Hochkreuz gekennzeichnet und erinnert aufgrund seiner zentralen Lage sowie einer Douglasien-Allee, die quer über den Friedhof zu seinem Grab mit Hochkreuz hinführt, an einen Ehrenhain.

Als das Grab errichtet wurde, waren sämtliche Gräber der Opfer der Lüneburger »Euthanasie«-Verbrechen noch vorhanden und nicht überbettet, das »Kindergräberfeld« und das »Ausländergräberfeld« in unmittelbarer Nähe noch voll belegt. Auch existierte noch keine Kriegsgräberstätte oder Gedenkanlage.

Der Ehrenhain mit Grab von Rudolf Redepenning war aufgrund seiner Dimension auf dem Friedhof dominant. Das ihm gewidmete Kreuz und die Allee stachen markant hervor. Das ist insofern bemerkenswert, als dass Rudolf Redepenning in Bezug auf die Lüneburger »Euthanasie«-Verbrechen nicht nur Zuschauer und Mitläufer, sondern auch Tatbeteiligter und Täter war. Während seiner Zuarbeit zur Aufarbeitung der Verbrechen im Zuge zweier Ermittlungsverfahren Ende der 1940er und in den 1960er Jahren konnte er seine eigene Verstrickung geheim halten.

Der Ehrenhain wurde wohl auch dadurch gerechtfertigt, dass er sich für eine Reform der Nachkriegspsychiatrie eingesetzt hatte und dafür das Bundesverdienstkreuz erhielt. Für die Angehörigen der Opfer der »Euthanasie«-Verbrechen ist es ein Hohn, dass sein Grab als Ehrenhain angelegt und gepflegt wurde, während die Gräber hunderter Ermordeter verschwanden.

Gräber außerhalb des Anstaltsfriedhofs

Es kam vor, dass Angehörige die Überstellung bzw. Rückführung der Leiche an den Heimatort veranlassten. Das ist der Grund, weshalb die Zahl der Kinder-Gräber auf dem »Kindergräberfeld« nicht identisch mit der Zahl der in der Anstalt gestorbenen Kinder ist.

Die Lüneburger Familien ließen ihre ermordeten Kinder ausnahmslos auf dem Lüneburger Zentralfriedhof bestatten. Bislang ist nur ein in der Anstalt gestorbenes Kind bekannt, das ebenfalls auf dem Zentralfriedhof Lüneburg beerdigt wurde, obwohl es kein Lüneburger Kind war: Christian Meins. Vermutlich wurde er auf dem Zentralfriedhof beerdigt, weil er offiziell als »Bombenbeschädigter« geführt wurde und für jene auf dem Zentralfriedhof ein Gräberfeld vorgesehen war.

Die Familien, die ihre Angehörigen nach Hause überführen ließen, gingen unterschiedlich mit ihrem Tod um. Es gab jene, die eine Trauerfeier ausrichteten, und solche, die nicht einmal eine Erwähnung im Gottesdienst wünschten. Es gab jene, die den Toten im Familiengrab beisetzen ließen, und solche, die genau das vermieden.

Im Fall der »Aktion T4« ließen sich nur verhältnismäßig wenige Familien die Urnen mit der vermeintlichen Asche überstellen. Die Urnen, gefüllt mit einer Misch-Asche der Opfer der »Aktion T4«, wurden dann in der Regel zu bereits bestehenden Gräbern hinzugebettet und gepflegt. Die Asche der übrigen Opfer der »Aktion T4« wurde – je nach Tötungsanstalt – als Dünger auf Feldern verstreut, in Erdhalden gekippt oder in fließendem Wasser entsorgt.

Da die Familien häufig nicht wussten, dass es sich bei ihrem Toten um ein Opfer der »Euthanasie« handelte, sind auch die wenigen bestehenden Gräber von »Euthanasie«-Opfern außerhalb von Anstaltsfriedhöfen nach Ablauf der Liegezeit meist aufgelöst worden.

Bis in die 1980er Jahre zu einem besonderen Stichtag hatten Familien die Möglichkeit, Gräber zu melden, die ab Anerkenntnis als Kriegsgräber öffentlich gepflegt werden konnten. Zu diesem Zeitpunkt gab es bei den Familien von »Euthanasie«-Opfern jedoch oftmals gar kein Wissen um das an ihren Verwandten verübte Verbrechen. Das führte dazu, dass viele Gräber, die sich außerhalb der Anstaltsfriedhöfe und in Familienpflegschaft befanden, nicht gemeldet wurden. Demgemäß wurden sie auch nie als Kriegsgräber erfasst, anerkannt und unter Schutz gestellt.

Bis heute gilt: Seit Ablauf des Stichtages ist eine Unterschutzstellung privat gepflegter Kriegsgräber nicht mehr möglich, auch wenn Forschungen inzwischen zweifelsfrei belegen können, dass es sich um Gräber von »Euthanasie«-Opfern handelt. Der Fortbestand dieser Gräber ist nicht gesichert, da sie nur existieren, solange die Familien bereit und in der Lage sind, die Gräber zu erhalten.

»Ausländergräberfeld«

57 Frauen und Männer ausländischer Herkunft, die zwischen Dezember 1943 und Juni 1949 in der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg starben, wurden auf dem sogenannten »Ausländergräberfeld« des Anstaltsfriedhofes, dem heutigen Friedhof Nord-West bestattet. Erwachsene Patient*innen ausländischer Herkunft, die vor Dezember 1943 in der Anstalt starben, wurden in Streulage auf verschiedenen Gräberfeldern bestattet. Im Zuge der Errichtung einer Kriegsgräberstätte im Jahr 1975 wurden diese sterblichen Überreste exhumiert und auf das »Ausländergräberfeld« umgebettet.

Heute existieren noch 84 Gräber von Patient*innen ausländischer Herkunft, die in der Heil- und Pflegeanstalt starben. Darunter sind auch die Gräber von vier Kindern, die als »ausländische Flüchtlingskinder« geführt wurden.

Alle anderen Gräber von Opfern der NS- und Nachkriegspsychiatrie sowie Gräber von Luftkriegsopfern wurden nach einer Ruhezeit von 25 Jahren überbettet, obwohl sie nach dem Kriegsgräbergesetz ebenso ein dauerhaftes Ruherecht gehabt hätten.