Am 13. Dezember 1939 wurde Charlotte Regenthal in Wunstorf bei Neustadt am Rübenberge geboren. Ihre Eltern waren Lotte Regenthal, geborene Ritter, und Flugzeugklempner Walter Regenthal. Im Alter von zwei Jahren wurde bei ihr »Idiotie bei Littlescher Krankheit« diagnostiziert. Die Eltern hatten bereits kurz nach der Geburt bemerkt, dass Charlotte eine Behinderung zu haben schien. Deshalb waren sie der Meldepflicht beim Gesundheitsamt Neustadt nachgekommen, die seit dem 18. August 1939 bestand. Laut Diagnose war es Charlotte unmöglich »zu stehen, zu laufen und ein Wort zu sprechen«.
Das Gesundheitsamt Neustadt veranlasste mit Gutachten vom 16. September 1942 die Aufnahme in die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg. Um die Anstaltskosten vom »Reichsausschuss zur wissenschaftlichen Erfassung von erb- und anlagebedingten schweren Leiden« finanzieren zu lassen, wurde Charlotte am 30. Oktober 1942 auch dort gemeldet. Charlotte wurde im Alter von fast drei Jahren am 11. November 1942 von ihrer Mutter »in einer Kinderkarre liegend« in die Anstalt gebracht. Am 20. November 1942 bewilligte der »Reichsausschuss« die Kostenübernahme für eine Dauer von vier Wochen.
Der behandelnde Arzt vermerkte mehrmals in Charlottes Patientenakte, dass »keinerlei Änderung und Besserung« bei Charlotte zu erwarten sei. Einen Tag vor ihrem dritten Geburtstag, am 12. Dezember 1942 erkrankte sie plötzlich an hohem Fieber. Es bestand der Verdacht auf eine »Diphtherie«-Erkrankung, die durch einen Laborbefund vom 14. Dezember 1942 bestätigt wurde. Fünf Tage später starb Charlotte Regenthal. Die offizielle Todesursache lautete »Diphtherie«. Sie starb an dem Tag, an dem die Kostenübernahme durch den »Reichsausschuss« endete.
Durch die Initiative ihres acht Jahre jüngeren Bruders Gerhard Regenthal wurde 2009 auf dem Psychiatriegelände vor der Gedenkstätte im ehemaligen Badehaus ein Stolperstein in Erinnerung an Charlotte Regenthal verlegt. In diesem Zusammenhang wurden die Hintergründe ihres Anstaltsaufenthaltes erstmals dokumentiert. Zehn Jahre später wurde ihr Fall erneut untersucht. Durch eine Neubewertung der Akten ist aus heutiger Sicht unklar, ob Charlotte ein Opfer der »Kinder-Euthanasie« ist. Auch eine absichtsvolle Infizierung mit Diphtherie-Bazillen in der »Kinderfachabteilung« ist nicht ausgeschlossen.
Der Stolperstein erinnert an Charlotte Regenthal, geboren am 13. Dezember 1939, gestorben am 19. Dezember 1942.
Charlotte Regenthal, ca. 1942.
Privatbesitz Gerhard Regenthal.
Sterbeurkunde Charlotte Regenthal.
Privatbesitz Gerhard Regenthal.