Heinz Knorr, geboren am 4. März 1932 in Artlenburg, war Sohn des Landwirts Heinrich Knorr und dessen Frau Frieda, geborene Rühmann. Sie heirateten am 22. April 1927. Wegen seiner geistigen Behinderung und eingeschränkten Sprache war es Heinz nicht möglich, die Dorfschule in Artlenburg zu besuchen. Der Hof war sein Lebensraum.
Um die Bewohner Artlenburgs vor Kriegshandlungen zu schützen, wurden am 21. April 1945 alle Bauernhöfe evakuiert. Die Familie Knorr wurde weitere vier Monate lang zunächst in einer Scheune, dann in einem Pferdestall in Vrestorf bei Bardowick untergebracht. Die heftigen Bombardements am Tag vor der Evakuierung überforderten Heinz, sodass er am Abend des 20. April 1945 weglief. Seine Mutter habe ihn tagelang gesucht, eine Vermisstenanzeige aufgegeben und in der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg nach ihm gefragt.
Heinz Knorr wurde zwei Tage nach seinem Verschwinden von Polizeibeamten aufgegriffen und direkt in die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg gebracht. Dort wurde er trotz seines jungen Alters von erst 13 Jahren von Arzt Gustav Marx in Haus 21 aufgenommen, einer Erwachsenenstation für Männer. Seine Identität blieb unbekannt, da er bis auf seinen Vornamen nur undeutliche Äußerungen von sich geben konnte. Die Ärzte und Pflegekräfte gingen davon aus, dass Heinz ein orientierungsloser Geflüchteter war.
Bis zum 8. Oktober 1945 hatte sich Heinz‘ Zustand so stark verschlechtert, dass er auf eine Pflegeintensivstation verlegt werden musste. Er war abgemagert und schwach. Zwei Tage später erlitt er Krampfanfälle. Seiner Krankenakte sind keine Maßnahmen zur Verbesserung oder gar Stabilisierung seines Gesundheitszustands zu entnehmen.
Heinz Knorr starb am 2. November 1945 in der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg im Alter von 13 ½ Jahren. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhungerte er. Als Todesursache notierte der Arzt Rudolf Redepenning eine »abnorme organische Epilepsie«.
Am 6. November 1945 wurde Heinz anonym und ohne Beisein seiner Eltern auf dem Anstaltsfriedhof beerdigt, da sich der Arzt Rudolf Redepenning erst nach seinem Tod darum bemühte, Heinz‘ Identität zu klären. Ziel war es, Angehörige zu finden, die die entstandenen Pflegekosten bezahlen sollten. Zunächst wurde daher die Kriminalpolizei beauftragt, die Identität festzustellen. Dann wurden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Klinik befragt, ob jemand den jungen Mann kennen würde. Tatsächlich gab es einen Gärtnerlehrling, der Heinz wiedererkannte.
Die Kripo Lüneburg besuchte daraufhin Heinz‘ Eltern und zeigte ihnen ein Foto der Leiche. Sie erkannten Heinz und erhielten wenige Tage später die Rechnung für den Aufenthalt in der Heil- und Pflegeanstalt. Man versäumte dabei, den Eltern die genauen Umstände seines Todes und den Ort mitzuteilen, an dem er begraben worden war. Heinz‘ Schwester Thea gab sich damit nicht zufrieden. Bis zu ihrem Tod im Jahr 2015 versuchte sie herauszufinden, was wirklich mit Heinz geschehen war und wo sein Grab liegt, jedoch ohne Erfolg. Eine Lokalisierung des überbetteten Grabes gelang erst ein Jahr später. Im Gedenken an Heinz Knorr wurde am 4. September 2016 im Beisein der Angehörigen eine Geschichts- und Erinnerungstafel enthüllt.
Der Rühmannsche Hof im Stremel 7, wo Heinz aufwuchs, existiert noch. Heinz‘ Schwester Thea verkaufte ihn im Jahr 1978, seitdem wird er vermietet.
Heinz Knorr, ca. 1943.
Privatbesitz Anneliese Twesten.