Timofey Thomachincko

Timofey Thomachinckos Identität zu klären war nicht leicht. Im Begräbnisbuch zum Anstaltsfriedhof hatte der Friedhofsverwalter nur den Begräbnistag »7. Februar 1945« sowie den Namen »Schannchincko« handschriftlich notiert. Scheinbar gab es bereits hier einen Übertragungsfehler im vorderen Namensteil. Beim Erfassen der Kriegsgräberlisten 1954 wurde das zweite »c« dann auch noch als »o« gelesen, sodass aus »Schannchincko« fortan der Name »Schannchinoko« wurde. Erst durch die Auswertung des »Alphabetischen Verzeichnisses der kranken Männer« der Heil- und Pflegeanstalt und des Sterberegisterauszuges sowie durch eine Rekonstruktion der Schreibfehler konnte gesichert werden, dass es sich bei »Timofey Thomachincko« und »Schannschinoko« um ein und dieselbe Person handelt.

Er wurde 1889 in Michailow in Russland geboren. Vor seiner Aufnahme in die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg am 26. Januar 1945 war er in Ihlienworth bei Otterndorf im Land Hadeln als Ostarbeiter bei einem Bauern mit dem Namen Luca beschäftigt. Seiner Einweisung ging eine amtsärztliche Untersuchung voraus, bei der der Amtsarzt Dr. Liebering zu dem Ergebnis kam, dass Timofey Thomachincko aufgrund angeblicher Tobsuchtsanfälle gemeingefährlich sei.

In Lüneburg wurde er dann von dem Leiter der »Ausländersammelstelle« Dr.Redepenning untersucht, der bei ihm eine akute Geisteskrankheit diagnostizierte, Schizophrenie jedoch mit einem Fragezeichen versah. Timofey Thomachincko kam ins Haus 15 und wog bei einer Körpergröße von 1,66 m nur 60 kg. Einen Tag nach der Aufnahme notierte Redepenning: »Leidet ganz offenbar an Angst. […] ist sehr scheu und abwehrend. Lehnt Essen ab. Noch nicht einen Schluck Wasser, spuckt ihn aus.« Eine sprachliche Verständigung, so geht es aus der Akte hervor, war auf verschiedenen Wegen nicht möglich gewesen. Trotz eines Dolmetschereinsatzes sprach Timofey Thomachincko kein Wort. Auch in den Tagen nach der Aufnahme stellte sich keine Besserung ein.

Am 1. Februar 1945 notierte Redepenning: »Unruhe hält an. Durchaus unansprechbar – trotz aller Bemühungen der Russisch sprechenden Poln-Kranken.« Am 4. Februar hielt Redepenning »Fieber. Schwächer« fest. Am 5. Februar 1945 folgte der Eintrag: »13 Uhr 30 gestorben. Kurz vor dem
Tod Arztbesuch mit Sprachmittler. Nichts zu erfahren. Verfolgungs- und Vergiftungswahn? Schizo?« Timofey Thomachincko starb im Alter von 39 Jahren an Erschöpfung.