Wilhelm Güthling

Wilhelm Güthling wurde am 3. April 1886 in Lüneburg geboren. Er war ein »doppeltes Opfer« der Eugenik und »Euthanasie«-Maßnahmen.

Am 21. Mai 1907 wurde er mit 21 Jahren das erste Mal in der Heil-und Pflegeanstalt Lüneburg aufgenommen. Seine Diagnose lautete zunächst »angeborener Schwachsinn«. Als einziger Angehöriger war sein Vater benannt, mit dem er in der Straße Vor dem Neuen Tore in Lüneburg lebte. In der zweiten Hälfte der 1930er-Jahre zog der Vater in die Gellersstraße um und verstarb kurze Zeit später.

Wilhelm Güthling wurde immer wieder für längere Zeit Patient in der Anstalt. Zu seinen Aufenthalten außerhalb der Anstalt gibt es unterschiedliche Angaben über seinen Lebensunterhalt. In der Akte des Gesundheitsamtes wird er als Arbeiter bezeichnet. Auch habe er in einer Fassfabrik und als Knecht gearbeitet. Doch Versuche der Eltern, ihn dauerhaft in eine Anstellung zu bringen, scheiterten wohl aufgrund seines Müßiggangs. So verbrachte er sogar eine Zeit im Armenhaus und aufgrund von Bettelei sei er zudem drei Tage im Gefängnis gewesen.

Die letzte dokumentierte Aufnahme in der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg erfolgte am 18. Dezember 1933. Danach scheint er nicht wieder entlassen worden zu sein.

Wilhelm Güthling zählt zu den ersten Opfern der Zwangssterilisation. Das Erbgesundheitsgericht Lüneburg beschloss seine Sterilisation am 26. Juni 1934, obwohl aufgrund des dauerhaften geschlossenen Anstaltsaufenthaltes von ihm gar keine »rassenhygienische Gefahr« ausging. Am 20. September 1934 wurde er mit hoher Wahrscheinlichkeit im Städtischen Krankenhaus Lüneburg operiert. Seine frühe Sterilisation ist Ausdruck der Akribie, mit der insbesondere zu Beginn der Einführung des Gesetzes vorgegangen wurde.

Nach der Sterilisation erfolgten nur noch wenige Einträge in Wilhelm Güthlings Krankenakte. Der letzte Eintrag erfolgte durch den Arzt Rudolf Redepenning am 22. April 1941 und lautete: »Nach Herborn«. Zur gleichen Zeit wurde auch seine Diagnose handschriftlich in »Pfropfschizophrenie« geändert. So wurde seine Deportation in eine der Tötungseinrichtungen gerechtfertigt. Wilhelm Güthling wurde am 23. April 1941 mit rund 120 weiteren Patient*innen im Zuge der »Aktion T4« in die Zwischenanstalt Herborn und von dort in die Tötungsanstalt Hadamar deportiert. Dort wurde er am 21. Mai 1941 ermordet.

Deckblatt des Charakteristik-Bogens von Wilhelm Güthling.


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