Agnes Timme, geb. Fiebig, wurde am 10. Januar 1912 in Winsen an der Aller im Landkreis Celle geboren. Ihr Vater war Landarbeiter und ihre Mutter war Hausfrau. Agnes heiratete ihren Ehemann Wilhelm Timme am 25. Mai 1933. Ihr erstes gemeinsames Kind war bereits am 1. April 1933 geboren. Aufgrund bescheidener Verhältnisse lebte das Paar zunächst noch getrennt. Am 7. April 1934 gebar Agnes die zweite Tochter. Nach der Geburt zog die kleine Familie nach Hermannsburg. Das dritte Kind, ein Sohn, wurde am 25. Februar 1936 geboren. Schließlich kam eineinhalb Jahre später, im Juli 1937, das vierte Kind zur Welt. Mit dieser Geburt erkrankte Agnes an einer Psychose.
Bei der Taufe ihrer jüngsten Tochter, drei Wochen nach der Geburt, war sie bereits Patientin im Krankenhaus Celle. Von dort wurde sie mit der Diagnose »Pfropfschizophrenie« in die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg überwiesen. Die Aufnahme stellte ihren Ehemann Wilhelm, der bei den Rheinmetall Borsig Werken in Unterlüss in der Rüstungsindustrie arbeitete, vor die Situation, sich neben seiner Arbeit allein um vier Kleinkinder kümmern zu müssen, darunter ein Neugeborenes. Er wusste sich wohl nicht anders zu helfen, als alle vier Kinder wegzugeben. Eine Tochter kam für drei Jahre zu einer Tante nach Hamburg. Die anderen drei Kinder kamen in ein Heim der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt. Am 2. April 1940 kam auch die Tochter in Hamburg in das Celler Kinderheim der Volkswohlfahrt, sodass die Kinder wieder vereint waren.
Die Kinder blieben über ein Jahr im Heim und waren auch dort, als ihre Mutter Agnes am 30. April 1941 in die Zwischenanstalt Herborn und von dort am 16. Juni 1941 in die Tötungsanstalt Hadamar verlegt und ermordet wurde. Im August 1941 kam eine der Töchter in eine Pflegefamilie. Nach drei Tagen brachten die Pflegeeltern sie wieder ins Heim zurück, um sie gegen ihre kräftigere und somit tüchtigere Schwester zu tauschen. Die Nachbarn der Pflegefamilie fanden das Verhalten der Pflegeeltern herzlos und holten das angeblich schwächere Kind einen Tag später aus dem Heim zu sich, sodass die beiden Schwestern fortan als Nachbarinnen groß wurden. Die anderen beiden Geschwister wurden auf zwei weitere Pflegefamilien verteilt. Die Trennung der Kinder führte später zu einem Zerwürfnis mit dem Vater. Das jüngste Kind von Agnes sei später diejenige gewesen, die ihrem Vater die größten Vorwürfe gemacht habe, auch weil sie sich an der Erkrankung ihrer Mutter mitschuldig fühlte.
Agnes Fiebig, ca. 1929.
Privatbesitz Sabine Röhrs.
Verlegungsmitteilung Agnes Timme von 1941. Das Datum der Verlegungsmitteilung aus der Anstalt Herborn ist in Wirklichkeit das Sterbedatum des »T4«-Opfers Agnes Timme in der Tötungsanstalt Hadamar. Den Angehörigen wurde suggeriert, es handle sich um eine kriegsbedingte Verlegung an einen unbekannten Ort, angeordnet durch den Reichsverteidigungskommissar. Man bat die Angehörigen, von weiteren Nachfragen abzusehen. Dies sollte die Tötung verschleiern.
Privatbesitz Sabine Röhrs.
Am 27. Februar 2017 wurde in Erinnerung an Agnes Timme vor ihrem ehemaligen Wohnhaus in Hermannsburg ein Stolperstein verlegt. Bei dieser Verlegung wurde ihrer Enkelin ein Auszug aus dem Kirchenbuch übergeben. Darin war belegt, dass die Urne von Agnes schließlich doch noch von Hannover nach Hermannsburg überführt wurde und dort am 18. August 1941 beigesetzt worden war.