Ida Zettel

Ida Zettel wurde am 5. Oktober 1884 in Osten-Hemmoor als Älteste von sieben Kindern geboren. Ihr Vater Wilhelm Zettel war Gastronom.

Ca. 1904 zog die Familie Zettel nach Harburg und übernahm dort das großbürgerliche Bahnhofshotel. Ida ließ sich zur Volksschullehrerin ausbilden, interessierte sich für Philosophie. 1908 starb die Mutter. Drei Jahre später erkrankte Ida an Depressionen. Ihre Familie dachte, eventuell hinge es mit einer unglücklichen Liebe zusammen. Sie kam ins Harburger Krankenhaus, wo sie versuchte, sich durch einen Fenstersprung das Leben zu nehmen.

Mit der Diagnose »Hysterie« wurde sie im Sommer 1911 aus dem Harburger Krankenhaus als »Haustochter« in die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg verlegt, aus der sie 1916 wieder entlassen wurde. Zwei Jahre später wurde sie ein zweites Mal in die Heil- und Pflegeanstalt eingewiesen. Nun lautete die Diagnose »Hebephrenie«, also »Schizophrenie«. 1920 erhielt ihre Schwester Toni die Pflegschaft. Sie brachte Ida in der Privatklinik Dr. Frontheim in Liebenburg unter.

Die Hoffnung auf Heilung wurde jedoch enttäuscht, sodass Ida im September 1921 in die Lüneburger Anstalt zurückkehrte. Ida wurde während ihres Aufenthaltes in Lüneburg von ihren Schwestern, Ende der 1920er-Jahre auch von ihrer Nichte Gertrud besucht. Nach 20 Jahren kontinuierlicher Anstaltsunterbringung wurde Ida am 30. April 1941 in die Zwischenanstalt Herborn und von dort am 16. Juni 1941 in die Tötungsanstalt Hadamar verlegt.

Der Familie wurde als offizielle Todesursache »Typhus« genannt. Diese Aussage warf bei Gertrud schon damals kritische Fragen auf.

Porträt von Ida Zettel, aufgenommen im Fotoatelier Carl Timm in der Lindenstraße 18 in Harburg, um 1904.

Privatbesitz Michael Meyberg.

Das Harburger Bahnhofshotel beherbergte 40 Gästezimmer und ein Restaurant. Ida und ihre vier Geschwister Toni, Luise, Wilhelm und Theodor unterstützten den väterlichen Hotelbetrieb. Nach dem Tod des Vaters 1920 übernahmen die Geschwister Toni und Theodor das Hotel. Aufgrund der Inflation 1923 und der folgenden Wirtschaftskrisen fiel es Idas Geschwistern schwer, das Hotel wirtschaftlich auskömmlich zu führen. Die Postkarte von 1904 bezeugt die wirtschaftlich guten Jahre.

Privatbesitz Michael Meyberg.

Familie Zettel vor 1900. Zu sehen sind die Eltern Anna und Wilhelm Zettel. Von links nach rechts hinter den Eltern stehen die Kinder Luise, Toni, Theodor, Ida und Wilhelm.

Privatbesitz Michael Meyberg.

1932 wurde der Hotelbetrieb eingestellt, nur das Restaurant wurde fortgeführt. Frei werdende Räume wurden an die Gauleitung der NSDAP Ost-Hannover vermietet, die von 1934 bis 1937 dort ihren Hauptsitz hatte und im Sommer 1937 in die Schießgrabenstraße nach Lüneburg umzog. Schließlich gaben »Zettels Erben« im Oktober 1937 auch den Restaurantbetrieb auf. Die Hamburger Baubehörde zog in das ehemalige Hotel ein.

Privatbesitz Michael Meyberg.

Ida Zettel

Ida Zettel ist am 5. Oktober 1884 geboren.
Sie ist die Älteste von 7 Kindern.
Ihr Vater Wilhelm ist ein Gast-Wirt.
Er hat ein großes Hotel in Harburg.

Ida Zettel wird Lehrerin.
1911 wird sie krank.
Sie ist immerzu sehr traurig.
Da ist sie 27 Jahre alt.
Sie kommt in ein Kranken-Haus in Harburg.
Sie will nicht mehr leben.
Sie will sich umbringen.

Ida Zettel kommt in die Lüneburger Anstalt.
Dort will man ihr helfen.
Das hat Erfolg.
1916 wird sie entlassen.

2 Jahre später geht es ihr wieder schlecht.
Sie muss wieder in die Lüneburger Anstalt.
Ihre Schwester Toni kümmert sich um Ida.

Es vergehen wieder 2 Jahre.
Ida Zettel geht es nicht besser.
Toni bringt Ida in eine Privat-Klinik.
Dort wird ihr nicht geholfen.

Ein Jahr später kommt sie zurück in die Lüneburger Anstalt.
Dort bleibt sie 20 Jahre.
Am Anfang bekommt Ida Zettel viel Besuch von ihren Schwestern.
Und von einer Nichte.
Nach vielen Jahren hört der Besuch auf.
Ida Zettel ist allein.

Am 30. April 1941 wird Ida Zettel verlegt.
In die Anstalt Herborn.
Von dort wird sie in die Tötungs-Anstalt Hadamar verlegt.
Sie kommt am 16. Juni 1941 dort an.
Sie wird am selben Tag ermordet.

Danach bekommt die Familie einen Brief.
Da steht drin: Ida hatte Typhus.
Das ist eine schwere Krankheit.
Aber Ida hatte kein Typhus.
Das ist gelogen.
Die Nichte von Ida Zettel glaubt es auch nicht.
Sie weiß: Es stimmt nicht.
Ida wurde ermordet.

Das ist ein Foto von Ida Zettel.

Es ist schon sehr alt.

Es ist schon 120 Jahre alt.

Ida ist auf dem Foto eine junge Frau.

Das ist eine Post-Karte.
Sie ist aus dem Jahr 1904.
Sie zeigt ein großes Hotel in Harburg.
Das Hotel gehört dem Vater von Ida Zettel. Die Kinder helfen dem Vater im Hotel.
Nach seinem Tod führen sie es weiter.

Das ist ein Foto von Familie Zettel.
Es ist über 120 Jahre alt.
Links hinter dem Vater ist Ida Zettel.

Das ist ein Foto vom Hotel in Harburg.
Im Jahr 1932 wird das Hotel geschlossen
Die NSDAP (Nazi-Partei) mietet die Räume.
Im Jahr 1937 zieht die NSDAP aus.
Es zieht die Hamburger Bau-Behörde ein.
Die Familie Zettel zieht aus.

Elfa Seipel

Elfa Seipel kommt aus der Stadt Schleswig.
Ihr Vater ist Chef von einem Restaurant für Soldaten.
Dort lernt sie viele Soldaten kennen.
Und sie hat Geschlechts-Verkehr mit ihnen.
Sie erkrankt an einer Geschlechts-Krankheit.
Die kann zu der Zeit noch nicht behandelt werden.
Sie ist sehr ansteckend.
Und die Krankheit zerstört nach ein paar Jahren das Gehirn.

Vorher heiratet Elfa ihren Ehe-Mann Ludwig Seipel.
Die Hochzeit ist an Heilig-Abend im Jahr 1923.
Das Ehepaar bekommt keine Kinder.
Sie streiten sich viel.
Ludwig will Elfa verlassen.
Er will die Scheidung.
Er zieht zu seinen Eltern in die Stadt Hannover.

Elfa wohnt dann alleine in der Stadt Uelzen.
Es geht ihr schlecht.
Weil sich ihr Gehirn verändert, hat sie Wahn-Ideen.
Sie bildet sich Sachen ein, die es gar nicht gibt.
Sie will sich sogar umbringen.

Sie kommt in die Anstalt in Lüneburg.
Damit das nicht passiert.
Der Bruder von Elfa will sie nach Hause holen.
Der Arzt Max Bräuner sagt: Nein!
Er ist der Chef von der Anstalt in Lüneburg.
Elfa muss bleiben.
Gegen ihren Willen.
Und gegen den Willen der Familie.

Elfa wird am 9. April 1941 in die »Aktion T4« verlegt.
Am 28. Mai 1941 wird sie in der Tötungs-Anstalt Hadamar ermordet.
Da ist sie 44 Jahre alt.

Der Ehemann Ludwig bekommt danach einen Trost-Brief von der Anstalt.
Da steht drin: Elfa ist am 10. Juni 1941 gestorben. An einem Hirn-Schlag.
Beides ist gelogen.
Elfa ist zwei Wochen früher ermordet worden.
Aber so bekam die Anstalt noch länger Pflege-Geld für Elfa.

Das ist ein Foto von Familie Piske.
Es ist Elfa mit ihren Eltern und Geschwistern.
Elfa trägt eine weiße Bluse.
Auf dem Foto ist Elfa etwa 18 Jahre alt.

Diese Post-Karte schreibt der Bruder von Elfa an seine Schwester Paula.
Das ist im Jahr 1927.
Er schreibt: Elfa geht es nicht gut.

Das ist der Trost-Brief von der Anstalt Hadamar an die Familie von Elfa.
Darin stehen Lügen.
Da steht eine falsche Todes-Ursache und ein falsches Datum.
Die Anstalt will den Mord an Elfa im Jahr 1941 verheimlichen.

Theresia Silker

Theresia Silker, geborene Klieve, war 49 Jahre alt, als sie in die »Aktion T4« verlegt und dort ermordet wurde. Sie wurde in Senden/Westfalen geboren und heiratete 1916 mit 23 Jahren den Schlosser und Schmied Bernhard Silker. Das Paar zog nach Lingen ins Emsland. Im April 1917 kam der gemeinsame Sohn zur Welt. Während der Schwangerschaft mit dem zweiten Kind erkrankte Theresia. Es zeigten sich erste Symptome einer Psychose.

Während ihres ersten Aufenthaltes brachte sie im ehemaligen Kloster Gertrudenberg in Osnabrück im Dezember 1918 ihr zweites Kind zur Welt. Zu früh geboren, starb die Tochter nach zwei Tagen. Im Februar 1919 wurde Theresia versuchsweise entlassen. Doch sie erholte sich von ihrer Erkrankung nicht und musste erneut eingewiesen werden. Da sie inzwischen wieder bei ihren Eltern in Senden gemeldet war, konnte sie im Herbst 1920 in der katholischen Einrichtung Marienthal in Münster aufgenommen werden, die auch eine Mitnahme von Kindern ermöglichte. Die Familie bemühte sich darum, Mutter und Sohn nicht zu trennen.

Als sich Theresias Gesundheitszustand nicht besserte, kam sie ein zweites Mal in die Anstalt Gertrudenberg. Fünf Jahre später wurde Theresia in die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg verlegt. Ihr Mann war 1926 nach Buchholz i. d. Nordheide gezogen, wodurch nun die Lüneburger Anstalt für sie zuständig wurde. Nach 20 Jahren Anstaltsaufenthalt wurde Theresia am 30. April 1941 von Lüneburg über Herborn nach Hadamar verlegt und am 16. Juni 1941 ermordet.

Nach ihrem Tod ging Bernhard Silker Ende 1941 zurück nach Hiltrup. Ein halbes Jahr später kehrte er nach Buchholz zurück und starb wenige Monate später im November 1942.

Charakteristik Theresia Silker.

Von Theresia Silker, wie von vielen Frauen, die in Hadamar ermordet wurden, gibt es kein Foto. Auch sind die Krankenakten oft nicht vollständig vorhanden. Wenn überhaupt, gibt es eine Charakteristik, auf der auf zwei Seiten wesentliche persönliche Daten und höchstens das Aufnahmegutachten als Abschrift erhalten geblieben sind.

NLA Hannover Hann. 155 Lüneburg Acc. 2004/066 Nr. 09412.

Meldebogen Theresia Silker.

Auf Basis von Meldebögen, die Anstalten und Heime gemäß der eingeführten Meldepflicht ausfüllten und an die »T4«-Zentrale schickten, wurden Verlegungslisten zusammengestellt. Da die ursprünglichen Verlegungslisten verloren gegangen sind, wurde nachträglich, im Zusammenhang mit staatsanwaltlichen Ermittlungen, eine weitere Liste der Verlegungen von Herborn nach Hadamar zusammengestellt. Sie dokumentiert auch den tatsächlichen Todestag.

Hauptstaatsarchiv Wiesbaden Abt. 461 Akte 32061 Bd. 17, S. 82.

Elfa Seipel

Elfa Seipel, geb. Piske, wurde am 6. Mai 1897 in Schleswig geboren. Elfa besuchte die Volksschule in Rendsburg, ihr Vater betrieb ein Offizierskasino. Vermutlich infizierte sich Elfa schon als Jugendliche bzw. junge Erwachsene mit »Syphilis«, einer damals weit verbreiteten Geschlechtskrankheit. Am 24. Dezember 1923 heiratete Elfa den Zahlmeister Ludwig Seipel. Bis 1931 lebte das Paar in Soltau. Die Ehe blieb kinderlos. 1932 schlug Ludwig die höhere Beamtenlaufbahn ein, zog hierfür vorübergehend zu seinen Eltern nach Hannover. Elfa bezog alleine eine Wohnung in Uelzen.

Gesundheitlich ging es ihr inzwischen schlecht. Infolge der »Syphilis« entwickelte sie Wahnideen, und sie unternahm einen Suizidversuch. Daraufhin wurde sie mit der Diagnose »progressive Paralyse« in die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg eingewiesen. Ihr Bruder Otto versuchte 1936, die Entlassung zu erwirken, um seine Schwester durch die Mutter zu Hause pflegen zu lassen. Das wurde von Anstaltsdirektor Max Bräuner abgelehnt, weil ihr Aufenthaltsort dann nicht mehr im Einzugsgebiet der Anstalt gelegen hätte. Elfa Seipel wurde im Alter von 43 Jahren am 9. April 1941 in die Zwischenanstalt Herborn und von dort am 28. Mai 1941 in die Tötungsanstalt Hadamar verlegt.

Die Familie erfuhr zwölf Tage später in einem »Trostbrief« von ihrem Tod. Die offizielle Todesursache lautete »Hirnschlag«. Die Familie hatte von Anfang an den Verdacht, dass Elfas Tod keine unmittelbare Folge ihrer Krankheit war.

Gruppenbild der Familie Piske, ca. 1914, Elfa ist vorne links in weißer Bluse zu erkennen.

Privatbesitz ?

»[…] schade, daß Elfa es nicht gut hatte«, schrieb Elfas Bruder Wilhelm Piske in einer Postkarte von seiner Hochzeitsreise an seine Schwester Paula. Elfas Erkrankung trat zur Hochzeit ihres Bruders im Jahr 1927 erstmals auf.

Privatbesitz Ulla Bucarey.

Den Familien der Opfer wurde die Sterbemitteilung in Form eines »Trostbriefes« zugesandt. Elfas Familie wurde am 31. Mai 1941 über die »planwirtschaftliche Verlegung« von Lüneburg nach Herborn informiert. Zu diesem Zeitpunkt war sie bereits drei Tage tot. Im »Trostbrief« wird behauptet, Elfa sei am 10. Juni 1941 (zugleich Datum des »Trostbriefes«) infolge eines »Hirnschlages« gestorben. Die fingierte Todesursache sollte den Mord vertuschen. Die Verlegung des offiziellen Sterbedatums ein bis zwei Wochen nach hinten ermöglichte es der »T4«-Zentrale, für diesen Zeitraum noch Pflegegeld abzurechnen.

Staatsarchiv Sigmaringen Wü 42 T 60 Nr. 344.

Theresia Silker

Theresia Silker wird mit 49 Jahren ermordet.
Sie ist ein Opfer der »Aktion T4«.
Sie ist in Senden geboren.
Das liegt in Westfalen.
Mit 23 Jahren heiratet sie den Schlosser und Schmied Bernhard Silker.

Ein Jahr später bekommen sie einen Sohn.
Nach einem Jahr ist Theresia wieder schwanger.
Sie hat für ein zweites Kind keine Kraft.
Sie wird krank.
Sie kommt in eine Anstalt.
Dort bringt sie eine Tochter zur Welt.
2 Tage später stirbt die Tochter.
Das Mädchen wurde viel zu früh geboren.

Theresia Silker bleibt krank.
Sie ist viele Jahre Patientin in der Anstalt.
15 Jahre ist sie Patientin in Lüneburg.

Am 30. April 1941 kommt sie in die »Aktion T4«.
Sie wird in eine Anstalt in Herborn verlegt.
Das ist geheim.
Ihr Ehemann und ihr Sohn erfahren davon viel zu spät.
Am 16. Juni 1941 kommt sie von Herborn in die Tötungs-Anstalt Hadamar.
Am gleichen Tag wird sie in der Gas-Kammer ermordet.

Von Theresia gibt es kein Foto.
Es gibt nur ein paar Blätter aus ihrer Kranken-Akte.

Das ist eine Verlegungs-Liste.
Darauf stehen die Namen der ermordeten Frauen.
Und ihr Geburts-Datum.
Und der Tag, an dem sie in die »Aktion T4« kommen.
Sie wurden von Lüneburg in eine Tötungs-Anstalt gebracht.
Dort wurden sie ermordet.