Zwangs-Sterilisation in Lüne-Burg

Auch in Lüne-Burg gibt es den National-Sozialismus.
Zwischen 1933 und 1945.
Menschen mit Behinderung und Krankheiten werden in der Zeit angezeigt.
Beim Gesundheits-Amt.
Meistens machen Ärzte eine Anzeige.
Aber auch Lehrer oder Erzieher.
Jeder kann so eine Anzeige machen.

Es gibt fast 4 Tausend Anzeigen beim Gesundheits-Amt in Lüne-Burg.
So viele Menschen sollen un-frucht-bar gemacht werden.
Es gibt mehr als 2 Tausend Gerichts-Verhandlungen.
Lüne-Burg hat ein eigenes Erb-Gesundheits-Gericht.

Es gibt noch viele Akten aus dem Gericht.
In den Akten steht alles drin über die Verhandlung.
Und über das Urteil.
Von über 800 Menschen wissen wir daher alles ganz genau.
Nur über die sprechen wir hier.
Auch wenn es eigentlich viel mehr sind.

Wilhelm Klatt ist der erste der un-frucht-bar gemacht wird.
Er wird am 19. Juni 1934 operiert.
Er ist Tapezierer.

Anni Korn ist die letzte die un-frucht-bar gemacht wird.
Sie wird am 7. März 1945 operiert.
Sie arbeitet in der Land-Wirtschaft.

Die meisten Operationen gibt es zwischen den Jahren 1934 und 1938.
Danach werden es weniger.
Weil ab 1939 Krieg ist.

Etwas mehr als die Hälfte der Sterilisierten sind Frauen.
Etwas weniger als die Hälfte sind Männer.
Bei ihrer Sterilisation sind die Menschen meistens unter 30 Jahre alt.
Das jüngste Opfer heißt Inge Wernitz.
Sie ist angeblich schwach-sinnig.
Sie wird im Lüne-Burger Kranken-Haus operiert.
Da ist sie erst 14 Jahre alt.

Der älteste Mann ist Gustav Lindenau.
Er ist ein Häftling in einem Konzentrations-Lager als das Gericht das entscheidet.
Er soll »schwerer Alkoholiker« sein.
Er ist 63 Jahre alt als er un-fruch-tbar gemacht wird.

Die meisten werden operiert wegen Schwach-Sinn.
Über 5 Hundert.
Über 1 Hundert werden operiert wegen Realitäts-Verlust.
Es gibt sehr strenge Regeln.
Wer sie nicht einhält wird auch operiert.
In Lüne-Burg sind es über 50.

Fast jeder Dritte lebt in der Stadt Lüne-Burg.
Oft wohnen mehrere Menschen in einer Straße.
Es sind Nachbarn.
Oder sie gehören zu einer Familie.

Sterilisations-Gesetz

Die National-Sozialisten machen 1933 ein Gesetz.
Dieses Gesetz erlaubt die Zwangs-Sterilisation.
Das bedeutet:
Das Gesetz bestimmt wer un-frucht-bar gemacht werden darf.
Es sind Menschen mit Behinderungen.
Oder Menschen mit bestimmten Krankheiten.
Nach der Operation können diese Menschen keine Kinder mehr bekommen.
Das Gesetz gilt ab dem 1. Januar 1934.

In dem Gesetz steht:
Menschen mit bestimmten Krankheiten sollen keine Kinder bekommen.
Wer eine Krankheit hat soll unfruchtbar gemacht werden.
Dann wird man operiert.
Nach der Operation kann man keine Kinder mehr bekommen.

So ein Gesetz gibt es früher nicht nur in Deutsch-Land.
Es gibt so ein Gesetz auch in anderen Ländern.
In Dänemark und Norwegen.
In Schweden und Finnland.
Und in vielen Teilen der USA.

Aber in Deutsch-Land ist es das Gesetz besonders streng.
Darin steht:
Ein Gericht entscheidet über die Operation.
Die Menschen dürfen immer operiert werden.
Auch wenn sie nicht wollen.
Wenn sie Nein sagen.
Dann darf die Polizei einen fest-nehmen.
Und man wird zu der Operation gezwungen.

Wenn man dies hat wird man operiert:
Schwach-Sinn.
Große Traurigkeit oder Lebens-Müdigkeit.
Anfälle haben.
Nicht sehen können.
Nicht hören können.
Nicht laufen können.
Am Körper anders sein.
Zu viel Alkohol trinken.

Später kommt noch dazu:
Sex mit vielen verschiedenen Menschen haben.
Ohne Wohnung sein.
Viele Kinder haben von verschiedenen Partnern.

Erb-Biologische Bestand-Aufnahme

Früher werden in Deutsch-Land viele Menschen über-prüft.
Es wird geprüft:
Sind sie gesund?
Nur wer gesund ist, darf Kinder bekommen.

Über-prüft werden immer:
• alle Menschen in Anstalten
• alle Kinder im Kinder-Heim
• Schüler an einer Förder-Schule oder schlechte Schüler
• Männer und Frauen, die heiraten wollen
• Soldaten
• Ehe-Paare, die Geld brauchen vom Staat (für die Familie)
• Eltern, die Geld brauchen vom Staat (für die Kinder)
• Mütter und Väter, die nicht verheiratet sind
• Mütter, die Kinder von verschiedenen Vätern haben
• Menschen, die im Gerichts-Gefängnis sind
• Sinti und Roma (die Nazis sagen: Zigeuner)
• Opfer von Vergewaltigung oder Miss-Brauch
• Sex-Arbeiterinnen oder Sex-Arbeiter
• Obdachlose

Über-prüft werden auch alle mit Familien-Angehörigen, die

• Selbst-Mord gemacht haben
• bestimmte Krankheiten haben
• Bett-Nässer sind
• Alkoholiker sind
• Sex mit Verwandten haben
• schon lange arbeits-los sind
• auch un-frucht-bar gemacht werden sollen.

Die Nazis sagen:
Diese Menschen sind nicht gesund.
Wir müssen sie in Listen erfassen.
Sie müssen beobachtet werden.
Nur dann kann man sie kontrollieren.
Zum Beispiel sollen sie keine Kinder haben.

Rassen-Hygiene

Viele Menschen früher glauben:
Es gibt richtige und falsche Menschen.
Sie unter-scheiden Menschen in Rassen.
So denken auch viele Wissenschaftler.
Sie sagen:
Es gibt gute und schlechte Rassen.
Und es gibt gesunde und kranke Menschen.

Die guten Rassen und gesunden Menschen sollen sich vermehren.
Nur sie sollen viele Kinder bekommen.
Die schlechten Rassen und die kranken Menschen sollen keine Kinder bekommen.
Sie sollen aus-sterben.
Das nennt man Eugenik.
Oder Rassen-Hygiene.

Eugenik gibt es früher nicht nur in Nazi-Deutsch-Land.
Es gibt sie auch in anderen Ländern.
In Dänemark und Norwegen.
In Schweden und Finnland.
Und in manchen Teilen der USA.

Erb-Gesundheits-Gericht Lüneburg

Im National-Sozialismus gibt es ein besonderes Gericht.
Das heißt Erb-Gesundheits-Gericht.
Am Erb-Gesundheits-Gericht gibt es immer 3 Richter.
Der erste Richter ist eine Person die Recht gelernt hat.
Der zweite und dritte Richter sind Ärzte.
Ein Arzt hat immer eine Arzt-Praxis.
Der andere Arzt arbeitet immer in einem Kranken-Haus.
Oder im Gesundheits-Amt.

Bis zum Jahr 1940 ist Edzard Stölting der Richter.
Danach über-nehmen andere das Amt des Richters.
Die Ärzte am Gericht sind Haus-Ärzte.
Und Nerven-Ärzte.
Sie sind in der Stadt bekannt.
Viele Lüne-Burger sind ihre Patienten.

Meistens ist auch der Anstalts-Direktor als Richter dabei.
Er leitet die Anstalt in Lüne-Burg.
Das ist ein besonderes Kranken-Haus.
Der Amts-Arzt vertritt ihn wenn er keine Zeit hat.

Das Erb-Gesundheits-Gericht entscheidet:
Der Mensch muss sterilisiert werden.
Die Entscheidung heißt Urteil.
Manche Menschen wehren sich gegen das Urteil.
Sie wollen nicht sterilisiert werden.
Sie legen Ein-Spruch ein.
Das heißt sie sagen: Nein.
Dann gibt es eine neue Verhandlung.
Vor einem neuen Gericht.
Vor dem Ober-Gericht in Celle.

Selten ist der Ein-Spruch erfolg-reich.
Nur ganz selten sagt das Ober-Gericht in Celle:
Die Menschen haben recht.
Sie sollen nicht operiert werden.

Aber oft sagt das Ober-Gericht:
Die Menschen sollen sterilisiert werden.

Ab 1936 entscheidet das Ober-Gericht:
Auch arme Menschen dürfen sterilisiert werden.
Oder un-verheiratete Eltern.
Und Menschen die anders leben als die meisten.

Das Gerichts-Verfahren findet an verschiedenen Orten statt.
Bei Patienten im Kranken-Haus.
In ihrem Kranken-Zimmer.

Bei allen anderen in einem Gericht.
Das ist in Lüne-Burg in einem Schloss.
Da ist heute auch noch ein Gericht.
Das ist am Markt-Platz.
In der Nähe vom Rat-Haus.

Auch die Gerichts-Verfahren des Ober-Gerichtes finden da statt.
Bei Kranken-Haus-Patienten auf der Kranken-Station.
Dafür kommt der Richter aus Celle angereist.
Es finden oft mehrere Verfahren an einem Tag statt.
Dann lohnt sich die Reise für den Richter.