Hans und Oskar Pohlmann

»Meine Großmutter hat immer gesagt: ›Meine beiden Söhne sind im Krieg gefallen.‹ Das hat sie bis zu ihrem Tode 1951 gesagt. Weil sie sich geschämt hat.‹«

Interview mit Albrecht Kaiser, Neffe von Hans und Oskar Pohlmann.

HANS (1899 – 1942) UND
OSKAR (1903 – 1941) POHLMANN

stammten aus einer Handwerkerfamilie. Der Vater war Schuhmacher, die Mutter betrieb in Bodenteich einen Kolonialwarenladen. Oskar lernte nach der Schule Dachdecker. Er spielte Klarinette und Geige, zuletzt in der Kapelle der SA. Sein Bruder Hans erlernte Schuhmacher in der väterlichen Werkstatt.

1934 erkrankte Oskar und wurde in der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg aufgenommen. Ein Jahr später wurde er zwangssterilisiert. Sechs Jahre später wurde er am 21. Mai 1941 in der Tötungsanstalt Hadamar ermordet. Sein Bruder Hans verhielt sich ab 1939 auffällig, kurz nachdem er als Soldat in den Kriegsdienst eingezogen wurde. Nach verschiedenen Stationen kam auch er im Dezember 1940 in die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg. Er infizierte sich mit Tuberkulose und starb im Mai 1942.

Seine Mutter ließ beide Söhne auf dem Friedhof in Bodenteich begraben.

Hans und Oskar Pohlmann

»Meine Großmutter hat immer gesagt: ›Meine beiden Söhne sind im Krieg gefallen.‹ Das hat sie bis zu ihrem Tode 1951 gesagt. Weil sie sich geschämt hat.‹«

Gespräch mit Albrecht Kaiser. Hans und Oskar sind seine Onkel.

Hans und Oskar Pohlmann sind Brüder.
Sie kommen aus Bodenteich (Uelzen).
Der Vater ist Schuh-Macher.
Die Mutter hat einen Lebens-Mittel-Laden.
Oskar lernt nach der Schule Dach-Decker.
Er spielte Klarinette und Geige.
Sein Bruder Hans lernt Schuh-Macher bei seinem Vater.
1934 wird Oskar krank.
Er kommt in das besondere Kranken-Haus.
1935 wird er unfruchtbar gemacht.
Gegen seinen Willen.
6 Jahre später wird er ermordet.
In der Tötungsanstalt Hadamar.

Sein Bruder Hans wird 1939 psychisch krank.
Da ist er Soldat.
Er kommt auch in das besondere Kranken-Haus. Er bekommt eine Lungen-Krankenheit: Tuber-Kulose.
Er stirbt im Mai 1942 in der Anstalt.
Seine Mutter begräbt beide Söhne auf dem Fried-Hof in Bodenteich.

Jürgen Endewardt

»Da sagt er: ›Tue mir einen Gefallen, solltest du jemals mit meinen Eltern zusammen-kommen, frage da nicht nach
und bohre auch nicht weiter.‹«

Interview mit Helga Endewardt, Schwägerin von Jürgen Endewardt.

Jürgen Endewardt (1941 – 1942)

wurde in Lüneburg in der Bülow-Straße geboren. Da Jürgen weder sitzen noch laufen konnte, war seine Mutter Elli um die Entwicklung ihres Kindes besorgt. Jürgen sollte deswegen im Kinderkrankenhaus in der Barckhausenstraße 6 behandelt werden, doch von dort wurde er am 17. November 1942 in die  »Kinderfachabteilung Lüneburg« überwiesen.

Als Elli Endewardt ihren Sohn drei Tage nach  seiner Einweisung besuchen wollte, durfte sie nicht zu ihm. Die Mutter betrat trotzdem das Zimmer und sah noch, wie eine Pflegerin schmutzige Bettwäsche unter dem Bett versteckte. Als Elli Endewardt die Bettdecke, ein dünnes Laken, lüftete, war Jürgen splitternackt, obwohl die Temperaturen winterlich waren.
Am 7. Dezember 1942 war Jürgen tot.

Auf Wunsch der Mutter wurde Jürgen nicht auf dem Anstaltsfriedhof, sondern auf dem Lüneburger Zentralfriedhof beerdigt.

Jürgen Endewardt

»Da sagt er: ›Tue mir einen Gefallen, solltest du jemals mit meinen Eltern zusammen-kommen, frage da nicht nach
und bohre auch nicht weiter.‹«

Gespräch mit Helga Endewardt. Ihr Mann ist der Bruder von Jürgen Endewardt.

Jürgen ist in Lüneburg geboren.
Er kann nicht sitzen und laufen.
Seine Mutter Elli macht sich Sorgen.
Sie bringt ihn in das Kinder-Kranken-Haus.
In der Barckhausenstraße 6.
Von da kommt Jürgen in die Kinder-Fach-Abteilung.
In das besondere Kranken-Haus.


3 Tage später besucht Elli ihren Sohn.
Die Pflegerin lässt sie nicht ins Zimmer.
Die Mutter geht trotz-dem rein.
Sie sieht:
Die Pflegerin versteckt schmutzige Bettwäsche. Jürgen liegt splitter-nackt in einem Bett.
Er hat nur eine dünne Decke.
Aber es ist eiskalt und Winter.
Wenige Tage später ist Jürgen tot.


Die Mutter sagt:
Jürgen soll ein Grab auf dem Zentral-Fried-Hof haben.
Jürgen soll nicht auf dem Anstalts-Fried-Hof liegen.

Robert Salau

»[…] ich wusste schon, dass hier
ein Verwandter – ein Biester –
gelebt hat und auch zu Tode
gekommen ist. Aber nähere
Umstände habe ich nicht
erfahren.«


Robert Salau kommt aus Lüneburg.
Er kommt aus einer großen Familie.
Es gibt 18 Geschwister.
Er geht nach Bremerhaven und wird Fischer.
Und er arbeitet in einer Fisch-Fabrik.
Er klaut sehr oft. Fisch und Kleidung.
Dafür kommt er vor Gericht.
1937 wird er unfruchtbar gemacht.
Gegen seinen Willen.


1942 entscheidet das Gericht:
Robert Salau muss in das besondere Kranken-Haus nach Lüneburg.
Er ist gemein-gefährlich.
Dann ist 1944.
Alle Häftlinge im besonderen Kranken-Haus müssen in ein Konzentrations-Lager.
Er kommt nach Neuengamme und Hannover.
Er muss in einer Fabrik Zwangs-Arbeit machen.
Er wird im März 1945 erschossen.


Er wird auf einem Ehren-Friedhof beerdigt.
Alle denken: Er heißt »Robert Salan«.
Er ist ein Kriegs-Gefangener aus Frankreich.
Aber das klärt sich erst 2015 auf.

Robert Salau

»[…] in der Akte können wir sehen, dass er Briefe von einem Krankenpfleger hat schreiben lassen […], die sind aber nicht abgeschickt worden. Da hat er denn an seine Mutter geschrieben […], sich auch nach den Geschwistern erkundigt.«

Robert Salau (1911 – 1945)

kam aus Lüneburg und hatte zahlreiche Geschwister, insgesamt 18. Er ging nach Wesermünde (Bremerhaven) und heuerte auf verschiedenen Schiffen an. Wenn er nicht als Fanghelfer gebraucht wurde, verdiente sein Geld in der Fischindustrie. Mal klaute er eine Hose, mal Fisch. Mehrfach wurde er deswegen vor Gericht gestellt und zu Gefängnisstrafen verurteilt. 1937 wurde er zwangssterilisiert.

Schließlich ordnete das Gericht 1942 seine Sicherungsunterbringung in der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg an. Durch die Entlassung ins Konzentrationslager Neuengamme kam er ins Außenlager Hannover-Stöcken. Dort musste er in der Akkumulatoren-Fabrik Zwangsarbeit leisten. Er starb im März 1945. In der Annahme er sei ein französischer Kriegsgefangener namens »Robert Salan«, wurde er im Mai 1945 auf einem Ehrenfriedhof am Maschsee in Hannover bestattet.

Robert Salau

»[…] was bezeichnend ist, dass wir letztendlich nur die negativen Stationen in seinem Leben erfahren haben: […] Wir wissen aus den Akten nur von Haft, Arbeitslosigkeit, Sterilisation, Psychiatrisierung und Verlegung nach Neuengamme.«

Interview mit Ralf Brebeck, Großneffe von Robert Salau.

Robert Salau (1911 – 1945)

kam aus Lüneburg und hatte zahlreiche Geschwister, insgesamt 18. Er ging nach Wesermünde (Bremerhaven) und heuerte auf verschiedenen Schiffen an. Wenn er nicht als Fanghelfer gebraucht wurde, verdiente sein Geld in der Fischindustrie. Mal klaute er eine Hose, mal Fisch. Mehrfach wurde er deswegen vor Gericht gestellt und zu Gefängnisstrafen verurteilt. 1937 wurde er zwangssterilisiert.

Schließlich ordnete das Gericht 1942 seine Sicherungsunterbringung in der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg an. Durch die Entlassung ins Konzentrationslager Neuengamme kam er ins Außenlager Hannover-Stöcken. Dort musste er in der Akkumulatoren-Fabrik Zwangsarbeit leisten. Er starb im März 1945. In der Annahme er sei ein französischer Kriegsgefangener namens »Robert Salan«, wurde er im Mai 1945 auf einem Ehrenfriedhof am Maschsee in Hannover bestattet.

Robert Salau

»[…] ich wusste schon, dass hier
ein Verwandter – ein Biester –
gelebt hat und auch zu Tode
gekommen ist. Aber nähere
Umstände habe ich nicht
erfahren.«

Gespräch mit Ralf Brebeck. Robert Salau war sein Groß-Onkel.


Robert Salau kommt aus Lüneburg.
Er kommt aus einer großen Familie.
Es gibt 18 Geschwister.
Er geht nach Bremerhaven und wird Fischer.
Und er arbeitet in einer Fisch-Fabrik.
Er klaut sehr oft. Fisch und Kleidung.
Dafür kommt er vor Gericht.
1937 wird er unfruchtbar gemacht.
Gegen seinen Willen.


1942 entscheidet das Gericht:
Robert Salau muss in das besondere Kranken-Haus nach Lüneburg.
Er ist gemein-gefährlich.
Dann ist 1944.
Alle Häftlinge im besonderen Kranken-Haus müssen in ein Konzentrations-Lager.
Er kommt nach Neuengamme und Hannover.
Er muss in einer Fabrik Zwangs-Arbeit machen.
Er wird im März 1945 erschossen.


Er wird auf einem Ehren-Friedhof beerdigt.
Alle denken: Er heißt »Robert Salan«.
Er ist ein Kriegs-Gefangener aus Frankreich.
Aber das klärt sich erst 2015 auf.

Heinrich Biester

»[…] ich wusste schon, dass hier
ein Verwandter – ein Biester –
gelebt hat und auch zu Tode
gekommen ist. Aber nähere
Umstände habe ich nicht
erfahren.«

Heinrich Biester (1901 – 1941)

wurde in Hannover-List groß. Er wollte Musiker
werden, studierte ab 1924 in Hannover und
Wien Musik und Gesang. Ein Studium in den
USA war geplant. Doch dann erkrankte er und
kehrte 1926 nach Hause zurück. 1927 kam er in
die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg.


Dort war sein Onkel, Heinrich Mund, seit 1906
Anstaltsseelsorger. Er sollte auf seinen Neffen
aufpassen. Heinrich Biester nahm bis zur
Verlegung in die Tötungsanstalt an seinen
Gottesdiensten teil und spielte dort die Geige.
Er wurde am 21. Mai 1941 in Hadamar
ermordet.


Seine Familie hatte sofort den Verdacht, dass
ein Verbrechen passiert war. Die christlich
geprägte Familie verzichtete darauf, die Urne
mit seiner vermeintlichen Asche überführen
und zu Hause bestatten zu lassen.

Heinrich Biester

»[…] ich wusste schon, dass hier
ein Verwandter – ein Biester –
gelebt hat und auch zu Tode
gekommen ist. Aber nähere
Umstände habe ich nicht
erfahren.«

Heinrich Bieter ist aus Hannover-List.
Er will Musiker werden.
Dafür geht er nach Wien.
Er will auch in die USA.
Aber er wird krank.
1927 kommt er in das besondere Kranken-Haus Lüneburg.

Sein Onkel Heinrich Mund ist da Seel-Sorger.
Heinrich spielt Geige in seinen Gottes-Diensten. Noch 3 Tage vor der Verlegung.
Er wird am 21. Mai 1941 in einer Tötungs-Anstalt ermordet.
In Hadamar.

Die Familie ist sich sicher:
Heinrich ist Opfer von einem Verbrechen.
Die Familie glaubt an Gott.
Sie entscheiden:
Heinrich wird nicht zu Hause bestattet.
Seine Asche bleibt in Hadamar.