Heinrich Röhrup

Heinrich Röhrup wird am 30. Januar 1914 in Wulstorf geboren.
Das ist im Land-Kreis Lüneburg.
Nach der Schule arbeitet er als Hilfs-Arbeiter.
Er wohnt mit seiner Familie in Lüneburg.

1936 wird Heinrich Soldat bei der Marine in Kiel.
Er versteht nicht immer alles.
Zum Beispiel was die Lehrer sagen.
Er gehorcht auch nicht immer den Befehlen.
Darum kommt er ins Kranken-Haus der Marine.
Die Ärzte sagen:
Heinrich ist geistes-krank.
Er muss in eine Anstalt.

Erst kommt Heinrich in eine Anstalt nach Neustadt.
Das ist in Nord-Deutsch-Land.
Die Ärzte dort sagen:
Heinrich muss unfruchtbar gemacht werden.
Da ist Heinrich 23 Jahre alt.

Von Neustadt kommt Heinrich in die Anstalt nach Lüneburg.
Weil seine Familie in Lüneburg lebt.
Am 21. Februar 1938 wird Heinrich im Lüneburger Kranken-Haus operiert.
Er wird unfruchtbar gemacht.
Da ist er 24 Jahre.
Kurz danach darf er nach Hause zu seiner Familie.

Ein Jahr später hat Heinrich Wut-Anfälle.
Er muss wieder in die Lüneburger Anstalt.
Die Ärzte sagen:
Heinrich ist sehr dumm.
Sie sagen auch:
Heinrich ist verrückt.
Nun muss Heinrich in der Anstalt bleiben.

Dann sagen die Ärzte in der Lüneburger Anstalt:
Heinrich ist gefährlich.
Er soll sterben.
Sie melden ihn bei dem Amt in der Tier-Garten-Straße 4 in Berlin.
Dort werden die Morde an den Patienten geplant.

Die Ärzte in Berlin setzen Heinrich auf eine Todes-Liste.
Am 7. März 1941 wird Heinrich in die Anstalt Pirna-Sonnenstein verlegt.
Das ist eine Tötungs-Anstalt in Sachsen.
Dort wird Heinrich in der Gas-Kammer ermordet.
Er ist 27 Jahre alt.

Das ist das Gerichts-Urteil vom 29. Dezember 1937.
Vom Erb-Gesundheits-Gericht in Lübeck.
Darin steht:
Heinrich Röhrup ist sehr dumm.
Er ist schwach-sinnig.
Er soll keine Kinder haben.
Er soll sterilisiert werden.

Dorothea Kaliwe

Dorothea Kaliwe, die Jüngste von insgesamt elf Kindern einer Gastwirtsfamilie, wurde am 14. Januar 1890 in Tarkowo im heutigen Polen geboren. In ihrer Jugend durfte sie eine Höhere Töchterschule besuchen und ihre Ausbildung zur Kindergärtnerin absolvieren. 1909 lernte sie ihren 15 Jahre älteren zukünftigen Ehemann, den »königlichen Forstaufseher« Ernst Kaliwe kennen. Sie heirateten am 18. August 1910 und lebten in seiner Dienstwohnung auf Schloss Adlig Hammerstein. Ein Jahr später kam der Sohn Günter zur Welt, 15 Monate später die Tochter Ursula. 1914 wurde Ernst zum Militär eingezogen. Nach seiner Rückkehr wurde der Sohn Ernst Kaliwe junior geboren. Ernst übernahm eine Försterei in Heimbuch in der Lüneburger Heide.

Infolge des Heimatverlustes und einer Fehlgeburt von Zwillingen erkrankte Dorothea an Depressionen. 1924 erfolgte die erste Aufnahme in die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg. Nach drei Monaten wurde sie wieder entlassen. Ihr Ehemann übernahm die Försterei in Scharnebeck und die Familie zog erneut um. In der darauffolgenden Zeit kam es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu ehelicher Gewalt gegen Dorothea, die sich wehrte. Als angesehener Förster von seiner Frau geschlagen worden zu sein, stellte für Ernst Kaliwe eine schwere Kränkung dar.

Im September 1928 wies er seine Frau ein zweites Mal in die Anstalt ein. 1940 und 1941 starben die Söhne Günter und Ernst im Krieg. Ursula, die 1933 den Förster Theo Zobel heiratete, blieb Dorotheas einzige Bezugsperson. Als Dorothea am 8. September 1943 in die Tötungsanstalt Pfafferode verlegt wurde, informierte Max Bräuner ihren Ehemann Ernst. Es ist davon auszugehen, dass sich die Männer kannten. Dorotheas Tochter Ursula und ihr Schwiegersohn Theo fuhren dem Verlegungstransport hinterher und erzwangen die Herausgabe der Mutter bzw. Schwiegermutter.

Dorothea lebte bis zu ihrem Tod im Januar 1967 bei ihrer Tochter. Theo Zobel überlebte den Krieg nicht. Er wurde 1944 wegen Defätismus denunziert und in ein Strafbataillon versetzt. Als Mitglied der Reserve der 6. Armee stirbt er mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Operation Jassy-Kischinew zwischen 21. und 29. August 1944. Im Jahr 1959 wurde er offiziell für tot erklärt.

Dorothea Kaliwe mit ihren beiden Kindern Günter und Ursula, ca. 1915.

Archiv der »Euthanasie«-Gedenkstätte Lüneburg.

Dieses Bild entstand in der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg, als Dorothea von ihrer Tochter Ursula und ihrer neugeborenen Enkelin besucht wurde, Dezember 1934.

Archiv der »Euthanasie«-Gedenkstätte Lüneburg.

In der hinteren Reihe stehen die Brüder Günter und Ernst Kaliwe, Ernst Kaliwe senior, Ursula und Theo Zobel. In der vorderen Reihe stehen die Enkelinnen Gisela und Ursula. Scharnebeck, ca. 1940.

Archiv der »Euthanasie«-Gedenkstätte Lüneburg.

Das ist das Deckblatt der Charakteristik von Dorothea Kaliwe mit dem Stempel »8.9.1943 nach Pfafferode verlegt«.

NLA Hannover Nds. 330 Lüneburg Acc. 2004/134 Nr. 00946.

Dorothea Kaliwe

Dorothea Kaliwe ist am 14. Januar 1890 geboren.
Sie ist die Jüngste von 11 Kindern.
Sie besucht eine gute Schule.
Danach wird sie Kinder-Gärtnerin.

Im Jahr 1910 heiratet sie den Förster Ernst Kaliwe.
Sie bekommen 3 Kinder:
Ernst, Günther und Ursula.
Ernst Kaliwe wird Förster in Heimbuch.
Das ist ein Ort in der Lüneburger Heide.

Dorothea Kaliwe bekommt Heim-Weh.
Und sie hat eine Fehl-Geburt.
Das ist zu viel für sie.
Sie wird krank.
Sie ist immerzu traurig.

Im Jahr 1924 kommt sie in die Lüneburger Anstalt.
Nach 3 Monaten darf sie wieder nach Hause.
Danach wird Ernst Kaliwe Förster in Scharnebeck.
Das ist in der Nähe von Lüneburg.

Ernst Kaliwe behandelt seine Ehe-Frau schlecht.
Er schlägt sie.
Dorothea Kaliwe wehrt sich.
Darüber ist Ernst Kaliwe sehr wütend.
Er bringt seine Frau Dorothea in die Anstalt zurück.
Das ist im September 1928.
Sie bleibt dort 15 Jahre.

In der Zwischenzeit heiratet ihre Tochter Ursula.
Sie heiratet auch einen Förster: Theo Zobel.
Ursula Zobel und ihr Ehe-Mann besuchen die Mutter.
Sie besuchen sie auch mit ihrem ersten Enkel-Kind.

Am 8. September 1943 wird Dorothea Kaliwe verlegt.
Sie kommt in die Tötungs-Anstalt Pfafferode.

Das hat Max Bräuner entschieden.
Max Bräuner ist der Ärztliche Direktor der Lüneburger Anstalt.
Der Ehe-Mann von Dorothea und Max Bräuner kennen sich.
Max Bräuner erzählt Ernst Kaliwe von der Verlegung seiner Ehe-Frau.

Ernst Kaliwe interessiert das nicht.
Es ist ihm egal.
Aber er erzählt der Tochter Ursula davon.
Sie und ihr Ehe-Mann Theo Zobel fahren Dorothea hinterher.
Sie wollen Dorothea retten.
Sie wollen ihre Ermordung verhindern.
Theo hat ein Gewehr dabei.
Damit droht er: Ich will meine Schwieger-Mutter mitnehmen.
Keiner hindert mich.
Wenn mich jemand daran hindert,
erschieße ich ihn.

Das hat Erfolg.
Ursula und Theo Zobel dürfen Dorothea mitnehmen.
Sie retten Dorothea.
Dorothea überlebt.

Sie wohnt ab dann bei ihrer Tochter Ursula.
Im Jahr 1967 stirbt sie als alte Frau.

Theo Zobel überlebt den Krieg nicht.
Er sagt: Ich finde nicht gut, was die Nazis machen.
Das ist verboten.
Er wird verraten.
Zur Strafe muss er in den Krieg.
Dort stirbt er im August 1944.

Das ist ein Foto von Dorothea Kaliwe.
Auf dem Foto sind die Kinder Günter und Ursula zu sehen.
Das Foto ist über 100 Jahre alt.

Das Foto ist aus dem Jahr 1934.
Es ist in der Anstalt in Lüneburg auf-genommen.
Ursula besucht ihre Mutter Dorothea in der Anstalt.
Sie zeigt ihr Baby.
Es ist die Enkelin von Dorothea Kaliwe.

Das ist ein Familien-Foto.
Es ist etwa aus dem Jahr 1940.
Zu sehen sind: Günther und Ernst Junior.
Daneben steht Ernst Kaliwe.
Neben ihm stehen Ursula und Theo Zobel.
Davor stehen Gisela und Ursula.
Es sind die Enkelinnen von Dorothea Kaliwe.

Das ist ein Blatt aus der Kranken-Akte von Dorothea Kaliwe.
Darauf sind auch Stempel.
Auf einem Stempel steht:
8.9.1943 nach Pfafferode verlegt.
Sie soll ermordet werden.

Emma K.

Emma K. wurde am 14. September 1899 geboren. Sie hatte sechs Geschwister und wuchs in Lehe (heute Bremerhaven) auf. Das Zuhause von Emma war für die verschiedenen Familienzweige der familiäre Mittelpunkt. Die älteste Tochter richtete dort ein Fischgeschäft ein, das sich im Laufe der Jahre zu einem kleinen Kolonialwarenladen entwickelte. Emma war das fünfte Kind. Mit 16 Jahren erkrankte sie an hormonell ausgelösten Krämpfen, die sich hin und wieder einstellten. 1920, im Alter von 20 Jahren, heiratete sie den Maurer Hermann K.

Nach der Geburt der Tochter verschlimmerte sich ihre Erkrankung. Trotz zunehmender Pflegebedürftigkeit, zögerte die Familie eine Einweisung in eine Anstalt jahrelang hinaus. Nachdem ein Kreisarzt bereits ein Einweisungsgutachten angefertigt hatte, ließen ihr Mann und die Eltern weitere 14 Monate verstreichen. Im September 1927 kam Emma erstmals in die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg.

Nach knapp zwei Monaten kehrte sie »ungeheilt« wieder nach Hause zurück. Weitere zwei Jahre versuchte die Familie, sie daheim zu betreuen. 1929 folgte eine zweite stationäre Aufnahme, die immer wieder von Beurlaubungen nach Hause unterbrochen wurde. Bis 1941 verschlechterte sich Emmas gesundheitlicher Zustand erheblich.

Daraufhin wurde sie für eine »planwirtschaftliche Verlegung« nach Hadamar vorgesehen. In ihrer Krankengeschichte findet sich der Eintrag »April verlegt«. Emma kam dieser Verlegung jedoch zuvor, da sie am 9. April 1941 starb. Ihr Grab in Lehe wurde noch Jahrzehnte gepflegt und von der Tochter, ihrem Ehemann und den Enkelkindern häufig besucht.

Emma K. im Alter von ca. 17 Jahren.


Privatbesitz Horst S.

Wohl auch um zu verhindern, dass Emmas Sterben in Verbindung mit der »planwirtschaftlichen Verlegung« gebracht werden konnte, strich der Lüneburger Psychiater Dr. Bernhard Winnighoff den Eintrag »April verlegt« durch und trug das falsche Sterbedatum »10. April 1941« in ihre Krankenakte ein. Im Aufnahmebuch der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg ist das richtige Sterbedatum, der 9. April 1941, nachgetragen worden, vermutlich wurde die Fälschung hier schlicht vergessen.

NLA Hannover Hann. 155 Lüneburg Acc. 2004/66 Nr. 9033.

Emma K.

Emma K. ist am 14. September 1899 geboren.
Sie hat 6 Geschwister.
Emma ist das fünfte Kind.

Mit 16 Jahren erkrankt sie.
Sie hat Anfälle und Krämpfe.
Aber damit kann sie leben.

Im Jahr 1920 heiratet sie den Maurer Hermann K.
Da ist Emma 20 Jahre alt.
Sie bekommen eine Tochter.

Danach werden Emmas Anfälle und Krämpfe schlimmer.
Die Familie will sie trotzdem nicht in eine Anstalt geben.
Erst im Jahr 1927 kommt sie in die Lüneburger Anstalt.

In den nächsten Jahren ist Emma auf Urlaub zu Hause.
Bis in das Jahr 1941 geht es Emma immer schlechter.
Sie hat immer mehr Anfälle und Krämpfe.

Das ist ein Foto von Emma K.

Das Foto wurde in einem Foto-Studio gemacht.

Deswegen ist Emma schön angezogen.

Emma ist eine junge Frau auf dem Foto.

Sie ist etwa 17 Jahre alt.


Das ist ein Eintrag aus der Kranken-Akte von Emma K.
Darin steht: Im April verlegt.
Sie sollte in die Tötungs-Anstalt verlegt werden.
Dann stirbt Emma K. während eines Anfalls.
April verlegt wird danach durchgestrichen.
Der Arzt schreibt: Gestorben 10. April 1941.

Aber das stimmt nicht.
Emma K. stirbt am 9. April 1941.
Der Arzt will die Verlegung am 9. April 1941 geheim halten.
Er will keinen Todes-Fall an dem Verlegungs-Tag.
Er will Fragen verhindern.
Es soll alles ohne Störungen verlaufen.
Er will keine Probleme bekommen.

Anna Timme

Anna Timme, geboren am 8. Juli 1909 in Hagen, wuchs mit fünf Brüdern auf einem Bauernhof auf. Vor und nach der Schule mussten die Kinder bei der harten landwirtschaftlichen Arbeit helfen. Mit 21 Jahren erkrankte Anna und wurde Patientin der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg. Nach fünf Monaten wurde sie in die Außenfürsorge nach Hause entlassen.

Weil sie ihrer Arbeit auf dem Hof nicht nachkam und somit für die Familie eine Belastung darstellte, wurde sie drei Jahre später, 1934 erneut in die Lüneburger Anstalt eingewiesen. Sie bekam die Diagnose »Schizophrenie«. Am 16. Juni 1941 starb sie in Hadamar einen qualvollen Erstickungstod.

Anna Timme und ihre fünf Brüder, ca. 1915/1916.

Privatbesitz Otto Timme/Elisabeth Habermann.

Als die Familie von Agnes Timme die Urne anforderte, wurde sie versehentlich nach Hannover-Stöcken, zum zuständigen Friedhofsamt von Frida Timme (einem weiteren Mordopfer mit Namen Timme) geschickt. Der Fehler wurde korrigiert, sodass die Agnes Timme zugeschriebene Asche schließlich doch noch in Hermannsburg beigesetzt werden konnte.

Privatbesitz Sabine Röhrs.

Der einzige überlieferte Bericht, den Dr. Niemeyer 1931 über den Besuch von Anna Timme in der »Außenfürsorge« verfasste, dokumentiert die Situation von Anna in ihrer Familie nach ihrer Rückkehr aus der Anstalt.

NLA Hannover Hann. 155 Lüneburg Acc. 2004/066 Nr. 09585.

Anna Timme

Anna Timme wird am 8. Juli 1908 in Hagen geboren.
Das ist ein Dorf im Land-Kreis Celle.
Sie hat 5 Brüder.
Die Eltern haben einen Bauern-Hof.
Alle Kinder müssen vor und nach der Schule helfen.
Sie müssen schwer arbeiten.
Obwohl sie Kindern sind.

Anna Timme macht das krank.
Da ist sie 21 Jahre alt.
Sie kommt in die Anstalt nach Lüneburg.
Dort geht es ihr besser.
Nach 5 Monaten darf sie wieder nach Hause.
Sie will aber nicht mehr auf dem Bauern-Hof helfen.
3 Jahre später muss Anna wieder in die Anstalt.

Am 16. Juni 1941 wird Anna Timme in der Gas-Kammer ermordet.

Das ist Anna mit ihren 5 Brüdern.
Das Foto ist über 100 Jahre alt. Auf dem Foto ist Anna 7 oder 8 Jahre alt.

Die Familie von Agnes Timme will die Urne haben.
Sie soll beerdigt werden.
Das Fried-Hofs-Amt macht einen Fehler.
Die Urne von Agnes Timme wird verschickt.
Aber an die Familie von Frieda Timme.

Dieser Fehler wird bemerkt.
Die Urne wird noch mal verschickt.
Jetzt an die richtige Adresse.
An die Familie von Agnes Timme.
Die Familie wundert sich.
Sie glaubt nicht an den natürlichen Tod.

Das ist ein Bericht.
Er ist aus dem Jahr 1931.
Anna ist wieder zu Hause.
Der Arzt besucht sie zu Hause.
Danach schreibt er den Bericht.
Er schreibt: Anna spricht nicht.
Sie hilft nur mit, wenn man ihr das sagt.
Sie sieht sauber aus.
Sie isst gut und sie schläft gut.