Kinder-Fach-Abteilung Lüne-Burg

Die Kinder-Fach-Abteilung ist eine Kinder-Station.
Sie ist einem besonderen Kranken-Haus.
Dort werden Kinder mit Behinderungen untersucht und behandelt.
Und Kinder die sich anders verhalten.

Die Kinder-Fach-Abteilung Lüne-Burg gibt es ab 1941.
In der Zeit des National-Sozialismus.
Die Ärzte sind Max Bräuner und Willi Baumert.
Max Bräuner ist Direktor des Kranken-Hauses.
Willi Baumert ist der Arzt auf der Kinder-Station.
Die Kinder-Fach-Abteilung ist groß.
Sie ist in 3 Häusern unter-gebracht.
In Haus 23, 24 und 25.
21 Pflegerinnen passen auf die Kinder auf.

Am Anfang kommen 138 Kinder aus einem Heim in Roten-Burg.
Das ist eine Stadt in Nieder-Sachsen.
Sie werden Patienten in der Kinder-Fach-Abteilung.
Sie werden untersucht und beobachtet.
Der Arzt Willi Baumert entscheidet:
Dieses Kind darf leben.
Denn es ist schlau.
Es darf auf eine Schule für Kinder mit Behinderungen gehen.
Oder Willi Baumert entscheidet:
Dieses Kind muss sterben.
Denn es ist dumm.
Es gibt keine Entwicklung.

Bei dieser Entscheidung helfen 3 Ärzte.
Sie sind nicht in Lüne-Burg.
Sie sind in Berlin.
Sie nennen sich »Reichs-Aus-Schuss«.
Sie lernen die Kinder gar nicht kennen.
Die Ärzte gucken sich nur Berichte an.
Trotzdem entscheiden sie über das Leben und den Tod der Kinder.

Willi Baumert entscheidet oft:
Dieses Kind muss sterben.
Von den Kindern aus Roten-Burg sterben fast alle.
Bis auf 9 Jungen und 7 Mädchen.

737 Kinder kommen insgesamt in die Kinder-Fach-Abteilung.
Mehr als 425 werden ermordet.

Die Pflegerinnen machen mit.
Sie geben den Kindern ein Medikament.
Die Kinder bekommen zu viel von dem Medikament.
Das ist tödlich.
Sie werden krank und sterben.

Oft bekommen die Kinder auch zu wenig essen.
Dann verhungern die Kinder.
Manchmal macht der Arzt Versuche mit den Kindern.
Er gibt ihnen nicht erlaubte Medikamente.
Die Kinder sind Opfer vom Patienten-Mord.

Nach dem Mord nehmen die Ärzte das Gehirn aus dem Kinder-Kopf.
Sie unter-suchen es.
Sie wollen wissen:
Warum hat das Kind eine Behinderung.
Sie wollen wissen:
Wie sieht das Gehirn aus.

Hier kommen die Kinder-Opfer her:
Nieder-Sachsen.
Hamburg.
Bremen.
Bremer-Haven.
Nord-Rhein-West-Falen.

Es gibt auch Kinder aus Belgien und den Nieder-Landen.
Das sind Nachbar-Länder von Deutsch-Land.

Über 300 Kinder werden in Lüne-Burg beerdigt.
Auf dem Fried-Hof des besonderen Kranken-Hauses.
4 Gräber sind noch da.
1 Kinder-Grab ist auf einem anderen Fried-Hof in Lüne-Burg.
Es ist auch noch da.

Im April 1945 ist der Krieg in Lüne-Burg aus.
Der National-Sozialismus ist zu Ende.
Aber die Kinder-Fach-Abteilung gibt es weiter.
Im August 1945 nehmen sie noch ein Kind auf.

Im Herbst 1945 sterben immer noch Kinder.

Marianne Begemann

Marianne Begemann ist 1929 in Esens geboren.
Das ist ein Ort im Land-Kreis Wittmund in Ost-Fries-Land.
Ost-Fries-Land ist im Norden in Deutsch-Land.
Der Vater ist Bauer.
Zur Geburt von Marianne arbeitet er in der Molkerei.
Er melkt Kühe.
Marianne hat 3 ältere Brüder.

Marianne ist 2 Jahre alt.
Da kommt sie in ein Kinder-Heim.
Sie kann nicht laufen.
Und nicht sprechen.
Sie braucht Hilfe beim Essen und Trinken.
Das schafft die Mutter nicht.

Die Mutter von Marianne hat eine seelische Erkrankung.
Sie ist Patientin in verschiedenen Anstalten.
Da ist Marianne 5 Jahre alt und älter.
Deswegen muss sie oft ins Kinder-Heim.

Die Mutter holt Marianne immer wieder aus dem Heim. .
Sie probiert es alleine.
Aber sie schafft es nicht.
Dann bringt sie Marianne wieder zurück ins Heim.

Im Jahr 1940 muss Marianne zum Gesundheits-Amt.
Der Arzt sagt:
Marianne hat eine Behinderung.
Die Mutter kann sich nicht um sie kümmern.
Marianne wird zu groß und zu schwer.
Und sie wird bald eine Frau.
Das ist zu viel für die Mutter.

Marianne muss in eine Anstalt.
Eine Anstalt ist ein besonderes Kranken-Haus.
Sie kommt nach Roten-Burg.
Dort wird sie nicht gut behandelt.
Der Arzt und die Pfleger kümmern sich schlecht um sie.

Im Oktober 1941 kommt Marianne nach Lüne-Burg.
Dort gibt es ein besonderes Kranken-Haus.
Sie kommt in die Kinder-Fach-Abteilung.
Sie wird krank.
Weil sie zu viel von einem Medikament bekommt.
Sie soll sterben.
Am 20. Dezember 1941 stirbt Marianne.
Sie wird ermordet.

Man nimmt ihr das Gehirn aus dem Kopf.
Und schickt es wird in ein Kranken-Haus nach Hamburg.
Die Ärzte forschen an dem Gehirn.
Sie wollen wissen:
Warum hatte Marianne eine Behinderung?
Sie schreiben die Ergebnisse in ein Buch.
Sie schreiben ihren Namen falsch:
Marianne BERG-mann.

Marianne wird auf dem Fried-Hof der Anstalt beerdigt.
Man schreibt ihren Namen wieder falsch:
Marianne BEG-mann.

Nach dem Krieg wird das Gehirn von Marianne vergessen.
Über 70 Jahre lang.
Dann werden Teile von ihrem Gehirn in einem Kranken-Haus-Keller gefunden.
Es ist nicht sicher ob sie zu Marianne gehören.
Ihr Name ist ja nicht richtig geschrieben.

Alles wird überprüft.
Und es stimmt.
Das Gehirn ist das von Marianne BEGE-mann.

Die Teile von ihrem Gehirn werden beerdigt.
Auf dem Fried-Hof Nord-West.
Das ist am 25. August 2013.
Jetzt ist da eine Gedenk-Anlage.

Auf dem Foto ist Mariannes Familie.

Das Foto ist sehr alt.

Auf dem Foto ist die Groß-Mutter.

Auch der Vater und ein Onkel von Marianne.

Es ist schwarz-weiß.

Damals gab es noch keine Farb-Fotos.

Yvonne Mennen

Yvonne Mennen ist 1938 in den Nieder-Landen geboren.
Das ist ein Nachbar-Land von Deutsch-Land.
Sie hat 10 Geschwister.
5 sterben.

Ihre Mutter Ida ist Haus-Frau.
Sie hat kein Geld.
Der Vater ist ohne Arbeit.
Er hat keine Staats-Bürgerschaft.
Er darf nicht in Holl-Land leben.
Er ist ohne Rechte.
Deswegen leben 3 Kinder in einem Kinder-Heim.

Der Vater Hinderk Mennen wird Soldat.
Dafür bekommt er Rechte.
Er darf in Deutsch-Land leben.
Aber er muss im Krieg kämpfen.
Darum kann er seiner Frau nicht helfen.

Der Krieg kommt auch in die Nieder-Lande.
Es fallen viele Bomben.
Es wird gefährlich.
Die Mutter muss mit den Kindern flüchten.
Sie muss weg-gehen.
Damit die Bomben sie nicht treffen.

Sie geht mit den Kindern nach Deutsch-Land.
Sie denkt:
Da ist mein Mann Hinderk.
Ich will zu ihm.
Aber sie finden ihn nicht.
Und sie finden kein neues Zu-hause.
Sie müssen in ein Flüchtlings-Lager.
Aber da können sie nicht bleiben.

Sie müssen in einem Stall wohnen.
Da gibt es keine Möbel.
Da gibt es kein frisches Wasser.
Da kann man sich nicht waschen.
Sie sind sehr arm.
Die Mutter ist verzweifelt.
Sie will nicht mehr leben.

Die Geschwister von Yvonne werden krank.
Sie bekommen eine Haut-Krankheit.
Sie müssen in ein Kranken-Haus.
Da ist ihre Schwester 2 Jahre alt.
Und ihr Bruder ist 8 Jahre alt.

Die Familie wird gemeldet.
Ein Arzt untersucht die Mutter und Yvonne.
Er entscheidet:
Die Mutter hat eine seelische Erkrankung.
Sie muss in eine Anstalt.
Eine Anstalt ist ein besonderes Kranken-Haus.
Yvonne hat eine Behinderung.
Sie muss auch in eine Anstalt.
Das ist im Oktober 1944.
Da ist Yvonne 5 Jahre alt.

Yvonne und ihre Mutter kommen in die Anstalt nach Lüne-Burg.
Yvonne kommt in die Kinder-Fach-Abteilung.
Sie wird von ihrer Mutter getrennt.
Sie dürfen sich nicht besuchen.

4 Wochen später ist Yvonne tot.
Sie wird ermordet.
Sie stirbt am 26. November 1944.
Sie ist ein Opfer vom Patienten-Mord.

Ihre Mutter über-lebt.
Sie wird gesund.
Sie darf im März 1945 aus der Anstalt raus.

Herta Ley

Herta Ley ist 1930 in West-Rhauder-Fehn geboren.
Das ist im Land-Kreis Leer.

Mit 2 Jahren hat sie eine Hirn-Haut-Entzündung.
Das ist gefährlich.
Dann ist das Gehirn entzündet.
Es kann zu einem Schaden kommen.
Und das ist bei Herta passiert.
Sie bekommt eine geistige Behinderung.

Der Vater ist Arbeiter und Bauer.
Auch die Mutter arbeitet in der Land-Wirtschaft.
Herta hat eine jüngere Schwester.

Sie kommt nach Roten-Burg.
In die Anstalt.
Das ist ein besonderes Kranken-Haus.
Da ist sie fast 4 Jahre alt.
Das hat ein Arzt entschieden.
Es ist der Arzt aus dem Gesundheits-Amt.

Die Eltern sagen:
Herta soll zu Hause bleiben.
Sie kann laufen, sprechen, sitzen, essen, trinken.
Alles alleine und ohne Hilfe.
Aber der Arzt glaubt den Eltern nicht.
Darum bleibt sie in Roten-Burg.

Dort geht es Herta schlecht.
Nach 2 Jahren kann sie nichts mehr alleine.
Sie kann nicht mehr sprechen und laufen.
Auch alles andere hat sie verlernt.
Denn niemand hat mit ihr geübt.

Im Oktober 1941 kommt Herta nach Lüne-Burg.
Dort ist ein besonderes Kranken-Haus.
Sie kommt in die Kinder-Fach-Abteilung.
Das ist eine Abteilung nur für Kinder und Jugendliche.

Nach 4 Wochen bekommen die Eltern einen Brief.
Darin steht:
Herta ist krank.
Sie hat Fieber.
Aber das stimmt nicht.

Im Januar 1942 wird Herta wirklich krank.
Sie bekommt ein Medikament.
Und zwar viel zu viel davon.
Mit Absicht.
Sie soll sterben.
Sie stirbt am 3. Februar 1942.

Der Arzt sagt:
Herta stirbt an einer Lungen-Krankheit.
Sie heißt Tuberkulose oder T B C.
Aber auch das stimmt nicht.
Der Arzt lügt.
Herta hat kein T B C.
Es gibt sogar einen Beweis.
2 Mal wird sie unter-sucht.
2 Mal hat sie kein T B C.

Die Wahrheit ist:
Herta ist ein Opfer des Patienten-Mordes.

Sie wird auf dem Fried-Hof der Anstalt beerdigt.
Das ist der Fried-Hof Nord-West.

Viele Jahre später ist eine Pflegerin vor Gericht.
Sie hat Herta das Medikament gegeben.
Sie hat Herta ermordet.
Aber sie sagt:
Ich kann mich an nichts erinnern.
Darum bekommt sie keine Strafe.
Das ist im Jahr 1966.

Nach dem Tod von Herta werden 2 Schwestern geboren:
Das eine Mädchen soll auch Herta heißen.
Weil sie am gleichen Tag geboren ist wie Herta.

Die Tante sagt: Nein!
Gebt dem Kind einen eigenen Namen.
Herta ist ermordet worden.
Ihre Schwester soll davon frei groß werden.

Also bekommt die Schwester den Namen Hanne.
Später erzählt die Tante die ganze Geschichte.
So erfährt Hanne von der Ermordung ihrer Schwester.

Das ist ein Foto.

Auf diesem Foto ist ein kleines Mädchen zu sehen.

Sie ist dick angezogen.

Sie trägt eine Mütze und einen Schal.

Das Mädchen ist Herta Ley.

Jemand hält Herta an der Hand.

Sie ist etwa drei Jahre alt.

Auf diesem Foto sieht man Hertas Familie.

Dort sind Hertas jüngere Schwestern zu sehen.

Und ihre Eltern.

Das Foto ist viele Jahre nach dem Krieg gemacht worden.

Helmut Quast

Helmut Quast ist 1930 geboren.
Er kommt aus dem Alten Land.
Das ist im Süden von Hamburg.
Der Vater ist Bauer und Soldat.
Er stirbt im Krieg.

Die Mutter heiratet einen anderen Mann.
Sie bekommt 2 Kinder mit ihm.
Die Familie lebt auf einem Bauern-Hof.
Die Familie zieht in den Land-Kreis Stade.
Da ist Helmut 6 Jahre alt.

Helmut benimmt sich nicht gut.
Er ist böse und gemein zu anderen Kindern.
Er hat es auch in der Schule schwer.
Er lernt nicht gerne.

Seine Lehrerin sagt:
Helmut muss auf eine Hilfs-Schule.
Das ist eine Schule für Kinder mit Behinderungen.

Ein Arzt vom Gesundheit-Amt sagt das auch.
Er sagt:
Helmut muss in die Anstalt nach Roten-Burg.
Das ist ein besonderes Kranken-Haus.
Da gibt es eine Hilfs-Schule.

Das passiert im Jahr 1938.

Helmut bleibt in Roten-Burg.
3 Jahre lang.
Dort ist er am Anfang nicht mehr gemein und böse.
Er fällt nicht auf.
Er benimmt sich.

Dann heiratet sein Vater.
Und Helmut darf nicht nach Hause zu seiner Mutter.
Das macht ihn wütend.
Ab dann macht er nicht mehr gut mit.
Er will nicht mehr arbeiten.
Er hilft nicht mehr mit.
Er ärgert andere Kinder.

Im Oktober 1941 kommt Helmut nach Lüne-Burg.
Dort ist ein besonderes Kranken-Haus.
Er kommt in die Kinder-Fach-Abteilung.
Dort wird er ermordet.
Ein Arzt gibt ihm zu viel von einem Medikament.
Er stirbt am 1. März 1942.

Helmut wird auf dem Fried-Hof der Anstalt beerdigt.
Aber sein Grab ist bis heute nicht zu finden.
Es ist weg.
Niemand weiß wo es ist.