Zwangs-Sterilisation

Die National-Sozialisten machen 1933 ein Gesetz.
Dieses Gesetz erlaubt die Zwangs-Sterilisation.
Das ist eine Un-frucht-bar-Machung.
Das ist eine Operation gegen den eigenen Willen.
Man kann danach keine Kinder mehr bekommen.
Das fängt im Jahr 1934 an.

Über die Operation entscheidet ein Gericht.
Es ist ein Sonder-Gericht.
Es heißt Erb-Gesundheits-Gericht.
Es sagt ob jemand un-frucht-bar gemacht werden muss.
Es macht nichts anderes.
Nur darüber entscheiden.

Menschen die operiert werden sollen werden gemeldet.
An ein Gesundheits-Amt.
Es meldet den Menschen an das Erb-Gesundheits-Gericht.
Das Gericht muss über die Operation entscheiden.

Bei der Entscheidung hilft ein Arzt.
Er macht einen Test mit dem Mensch und stellt Fragen.
Er will wissen wie schlau jemand ist.
Und er macht einen Bericht.
Er schreibt:
Die Sterilisation ist not-wendig.
Der Mensch darf keine Kinder bekommen.
Oder er schreibt:
Die Sterilisation ist nicht not-wendig.
Der Mensch darf Kinder bekommen.

Es gibt ein Gerichts-Verfahren.
Da muss der Mensch wieder Fragen beantworten.
Es gibt 3 Richter.
2 davon sind Ärzte.
Am Ende gibt es ein Urteil:
Der Mensch muss operiert werden.
Oder nicht.

Der Mensch darf Nein sagen.
Dann muss ein Ober-Gericht entscheiden.
Es gibt wieder ein Urteil:
Der Mensch muss operiert werden.
Oder nicht.

Oft entscheiden die Richter:
Der Mensch ist dumm.
Er ist krank.
Dann muss der Mensch in ein Kranken-Haus.
Da wird er operiert.
Danach kann er keine Kinder mehr bekommen.

So geht es über 4 Hundert Tausend Menschen.
Im National-Sozialismus in Deutsch-lLand.
5 Tausend sterben durch die Operation.

Sterilisations-Gesetz

Die National-Sozialisten machen 1933 ein Gesetz.
Dieses Gesetz erlaubt die Zwangs-Sterilisation.
Das bedeutet:
Das Gesetz bestimmt wer un-frucht-bar gemacht werden darf.
Es sind Menschen mit Behinderungen.
Oder Menschen mit bestimmten Krankheiten.
Nach der Operation können diese Menschen keine Kinder mehr bekommen.
Das Gesetz gilt ab dem 1. Januar 1934.

In dem Gesetz steht:
Menschen mit bestimmten Krankheiten sollen keine Kinder bekommen.
Wer eine Krankheit hat soll unfruchtbar gemacht werden.
Dann wird man operiert.
Nach der Operation kann man keine Kinder mehr bekommen.

So ein Gesetz gibt es früher nicht nur in Deutsch-Land.
Es gibt so ein Gesetz auch in anderen Ländern.
In Dänemark und Norwegen.
In Schweden und Finnland.
Und in vielen Teilen der USA.

Aber in Deutsch-Land ist es das Gesetz besonders streng.
Darin steht:
Ein Gericht entscheidet über die Operation.
Die Menschen dürfen immer operiert werden.
Auch wenn sie nicht wollen.
Wenn sie Nein sagen.
Dann darf die Polizei einen fest-nehmen.
Und man wird zu der Operation gezwungen.

Wenn man dies hat wird man operiert:
Schwach-Sinn.
Große Traurigkeit oder Lebens-Müdigkeit.
Anfälle haben.
Nicht sehen können.
Nicht hören können.
Nicht laufen können.
Am Körper anders sein.
Zu viel Alkohol trinken.

Später kommt noch dazu:
Sex mit vielen verschiedenen Menschen haben.
Ohne Wohnung sein.
Viele Kinder haben von verschiedenen Partnern.

Erb-Biologische Bestand-Aufnahme

Früher werden in Deutsch-Land viele Menschen über-prüft.
Es wird geprüft:
Sind sie gesund?
Nur wer gesund ist, darf Kinder bekommen.

Über-prüft werden immer:
• alle Menschen in Anstalten
• alle Kinder im Kinder-Heim
• Schüler an einer Förder-Schule oder schlechte Schüler
• Männer und Frauen, die heiraten wollen
• Soldaten
• Ehe-Paare, die Geld brauchen vom Staat (für die Familie)
• Eltern, die Geld brauchen vom Staat (für die Kinder)
• Mütter und Väter, die nicht verheiratet sind
• Mütter, die Kinder von verschiedenen Vätern haben
• Menschen, die im Gerichts-Gefängnis sind
• Sinti und Roma (die Nazis sagen: Zigeuner)
• Opfer von Vergewaltigung oder Miss-Brauch
• Sex-Arbeiterinnen oder Sex-Arbeiter
• Obdachlose

Über-prüft werden auch alle mit Familien-Angehörigen, die

• Selbst-Mord gemacht haben
• bestimmte Krankheiten haben
• Bett-Nässer sind
• Alkoholiker sind
• Sex mit Verwandten haben
• schon lange arbeits-los sind
• auch un-frucht-bar gemacht werden sollen.

Die Nazis sagen:
Diese Menschen sind nicht gesund.
Wir müssen sie in Listen erfassen.
Sie müssen beobachtet werden.
Nur dann kann man sie kontrollieren.
Zum Beispiel sollen sie keine Kinder haben.

Rassen-Hygiene

Viele Menschen früher glauben:
Es gibt richtige und falsche Menschen.
Sie unter-scheiden Menschen in Rassen.
So denken auch viele Wissenschaftler.
Sie sagen:
Es gibt gute und schlechte Rassen.
Und es gibt gesunde und kranke Menschen.

Die guten Rassen und gesunden Menschen sollen sich vermehren.
Nur sie sollen viele Kinder bekommen.
Die schlechten Rassen und die kranken Menschen sollen keine Kinder bekommen.
Sie sollen aus-sterben.
Das nennt man Eugenik.
Oder Rassen-Hygiene.

Eugenik gibt es früher nicht nur in Nazi-Deutsch-Land.
Es gibt sie auch in anderen Ländern.
In Dänemark und Norwegen.
In Schweden und Finnland.
Und in manchen Teilen der USA.

»Erbbiologische Bestandsaufnahme«

Die sogenannte flächendeckende und lückenlose »erbbiologische Bestandsaufnahme« und Überprüfung war die grundlegende Voraussetzung für die Durchführung des »Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses«. Hierbei wurde nahezu jede*r durch das Gesundheitsamt hinsichtlich seines bzw. ihres »Erbwertes« erfasst und überprüft. Die Erfassung konnte über verschiedenste Wege erfolgen und in kaum einen Lebensbereich wirkten die »erbbiologische Bestandsaufnahme« und die Prüfung der »Erbtauglichkeit« nicht hinein. Systematisch erfasst und überprüft wurden alle:

• Patient*innen der Heil- und Pflegeanstalten, der örtlichen Kinderheime und Fürsorgeheime,

• Hilfsschüler*innen (Schülerinnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf ) sowie Schüler*innen, die aufgrund schlechter Noten / Sitzenbleibens bei Schuluntersuchungen der Amtsärzt*innen und bei Lehrkräften auffielen,

• Heiratswilligen (bei der Ehetauglichkeitsprüfung),

• Wehrpflichtigen (bei Feststellung der Wehrtauglichkeit),

• Ehepaare, die ein Ehestandsdarlehen beantragten,

• Eltern, die Kinderbeihilfe beantragten,

• Eltern ohne Trauschein,

• Mütter mit Kindern verschiedener Väter,

• Untersuchungshäftlinge, die sich im Gerichtsgefängnis befanden,

• Opfer von Missbrauch und Vergewaltigung,

• Sinti*zze und Rom*nja,

• Sexarbeiter*innen,

• »Landstreicher*innen« bzw. wohnungslos Gemeldete,

sowie all jene, aus deren Familie Suizid, eine psychische bzw. neurologische Erkrankung, Bettnässen, Alkoholismus, Inzest, Langzeitarbeitslosigkeit oder »Bummelantentum« bekannt war und all jene, die aufgrund laufender Sterilisationsverfahren von Angehörigen oder Verlobten für das Lüneburger Gesundheitsamt identifizierbar waren.

»Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses«

Das »Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses« wurde am 14. Juli 1933 verabschiedet und trat am 1. Januar 1934 in Kraft. Es lieferte die gesetzliche Grundlage für hundertausendfache Zwangssterilisationen.

Die gesetzliche Regelung der Sterilisation war keine deutsche Erfindung und auch in Deutschland keine alleinige Erfindung der Nationalsozialisten. Bereits 1907 führte der Bundesstaat Indiana in den U.S.A. ein Gesetz ein, das die Sterilisation von Anstaltsinsassen ermöglichte. Bis 1921 führten 15 weitere Bundesstaaten der U.S.A. ebensolche gesetzlichen Regelungen ein, bis 1933 waren es bereits 30 Bundesstaaten. In 41 U.S.-Bundesstaaten gab es zudem »Eheverbote« für sogenannte Geisteskranke. Die erste Sterilisation gegen den Willen eines*r Betroffenen wurde 1927 durch den Supreme Court, dem US-amerikanischen höchsten Gerichtshof, entschieden.

Auch in einzelnen europäischen Ländern wurden Sterilisationsgesetzte erlassen. 1929 führte Dänemark ein solches Gesetz ein. Ab 1938 wurde das Ehegesetz verschärft und 1939 wurden rassenhygienisch begründete Schwangerschaftsabbrüche legitimiert. Schweden und Norwegen führten parallel zum Deutschen Reich Sterilisationsgesetze ein. Finnland folgte 1935, Lettland 1937 und Island 1938.

Dem deutschen Gesetz ging eine Entwicklung voraus. Bereits 1923 wurde von Gustav Boeters ein erster Gesetzentwurf vorgelegt. Der Landesgesundheitsrat beschäftigte sich ebenfalls mit dieser Fragestellung und legte 1932 einen zweiten Gesetzentwurf vor. Schließlich setzte sich die Überarbeitung des dritten Gesetzesentwurfs von Arthur Gütt, Alfred Ploetz und Ernst Rüdin durch.

Das Gesetz regelte, dass Menschen mit »1.) angeborenem Schwachsinn, 2.) Schizophrenie, 3.) Zirkulärem (manisch-depressivem) Irresein, 4.) erblicher Fallsucht, 5.) erblichem Veitstanz (Huntingtonsche Chorea), 6.) erblicher Blindheit, 7.) erblicher Taubheit, 8.) schwerer erblicher körperlicher Mißbildung« zu sterilisieren seien, wobei bei die »Erblichkeit« in Bezug auf nahezu alle dieser Erkrankungs- bzw. Störungsbilder wissenschaftlich noch nicht bewiesen war. Auch »schwerer Alkoholismus« wurde als Sterilisationsgrund aufgeführt.

Darüber hinaus regelte das deutsche Gesetz in §12 im Unterschied zu den Gesetzen anderer Ländern die Sterilisation wider Willen, in dem es hieß: »Hat das Gericht die Unfruchtbarmachung endgültig beschlossen, so ist sie auch gegen den Willen des Unfruchtbarzumachenden auszuführen, sofern nicht dieser allein den Antrag gestellt hat. Der beamtete Arzt hat bei der Polizeibehörde die erforderlichen Maßnahmen zu beantragen. Soweit andere Maßnahmen nicht ausreichen, ist die Anwendung unmittelbaren Zwanges zulässig.«

Ab 1936 konnte auch ein »moralischer Schwachsinn« oder »sozialer Schwachsinn« als Urteilsbegründung herangezogen werden. Obwohl das »Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses« sogenannte »Asozialität« und »Kriminalität« nicht explizit als Gründe für eine Sterilisation benannte, wurden Personen mit wechselnden Geschlechtspartner*innen, die sich angeblich »unsittlich verhielten« oder »leicht sexuell erregbar« gewesen seien sowie Homosexuelle zwangssterilisiert.