Im Zweiten Welt-Krieg gibt es viele Verbrechen. Es werden Menschen ermordet. Im Konzentrations-Lager. Bergen-Belsen ist so ein Lager. Da werden Juden ermordet. Da werden Kriegs-Gefangene ermordet. Da werden Gegner der Nazis ermordet. Insgesamt werden 100.000 Menschen schlecht behandelt. Über 70.000 werden in Bergen-Belsen ermordet.
Dann ist der Krieg aus. Das Lager Bergen-Belsen wird befreit. Von britischen Soldaten. Die Täter werden verhaftet. Sie sollen bestraft werden.
Darum gibt es ein Gerichts-Verfahren. Er fängt 5 Monate nach Kriegs-Ende an. Er geht nur 2 Monate.
Die ganze Welt will wissen:
• Was ist in Bergen-Belsen passiert. • Was haben die Nazis gemacht.
Das Gericht in Lüneburg ist zu klein. Da passen nicht alle rein. Darum nimmt man die Halle. Vom Lüneburger Männer-Turn-Verein.
Es gibt 45 Angeklagte. Auch der Lager-Leiter ist angeklagt. 30 werden bestraft. 11 bekommen die Todes-Strafe. Viele bekommen Haft-Strafen.
15 bekommen keine Strafe.
30 Jahre vergehen. Die Halle wird abgerissen. Das ist im Jahr 1976. Viele Lüneburger sagen: Nein.
Aber die Stadt Lüneburg macht weiter. Darum gibt es die Halle nicht mehr. Sie ist 1880 gebaut worden. Für Sport vom Männer-Turn-Verein. Und für Schulen.
Dragoner sind eine Gruppe Soldaten von früher. Sie kämpfen gegen Franzosen. In der Zeit von Napoleon. Das ist in den Jahren 1813 bis 1815. Und im Krieg gegen Frankreich. Der ist in den Jahren 1870 und 1871.
In Afrika sind sie Teil der deutschen Herrscher. In der Zeit der Kolonien. Sie machen mit bei einem Völker-Mord. Da werden 100.000 Menschen ermordet. • 80.000 gehören zur Familie der Herero. • 20.000 gehören zur Familie der Nama. Heute heißt das Land Namibia.
Und die Soldaten kämpfen im 1. Welt-Krieg. Dann ist der Krieg aus. Die Deutschen verlieren den Krieg. Die Dragoner-Gruppe löst sich auf. Aber nur kurz. Ein Jahr später gibt es sie wieder. Und sie bekommen ein Denkmal. Es ist ein trauriger Soldat aus Metall. Auf einem Sockel.
In der Nazi-Zeit sollen Soldaten Helden sein. Sie werden gefeiert. Sie werden ge-ehrt. Darum gibt es 1939 ein neues Denkmal. Der traurige Soldat kommt weg.
Der neue Soldat sitzt auf einem Pferd. Er hat eine Waffe. Er zieht in den Kampf. Die Namen der toten Soldaten sind drauf-geschrieben. Auch die Namen der Mörder aus Namibia. Das neue Denkmal wird ein Treff-Punkt. Für Nazis.
2012 ist das Denkmal alt und kaputt. Es gibt einen Verein. Er sammelt Geld. Für das Heil-machen vom Denkmal. Die Stadt Lüneburg gibt auch Geld dazu. Im Jahr 2013 wird es wieder auf-gestellt. Viele Lüneburger finden das nicht gut. Weil es ein Nazi-Denkmal ist.
Vom 17. September bis zum 17. November 1945 fand in der Turnhalle des Männerturnvereins (MTV) in Lüneburg der erste rechtsstaatliche Prozess gegen NS‐Gewaltverbrechen auf deutschem Boden statt. Ziel der britischen Militärregierung war es, den Deutschen in einem ordentlichen, einer Demokratie würdigen Gerichtsverfahren das unvorstellbare Grauen des Nationalsozialismus offenzulegen, die Täterinnen und Täter zu überführen und nach britischem Recht zu verurteilen. Angeklagt wurden 45 Mitglieder des Lagerkommandos des KZ Bergen‐Belsen, darunter der Kommandant Josef Kramer und Aufseherinnen wie Irma Greese. Ihnen wurde die unmenschliche Behandlung von über 100.000 Häftlingen und die Ermordung von Zehntausenden Menschen zur Last gelegt.
Anklagebank im Bergen-Belsen-Prozess in der MTV-Halle, 10.9.1945. Der ehemalige Lagerkommandant Josef Kramer, der mit der Nummer 1 gekennzeichnet ist, ist in der unteren linken vorderen Ecke zu sehen.
IWM HU 59545.
Um Platz für die zahlreichen nationalen und internationalen Pressevertreter zu schaffen und um möglichst viele Deutsche teilnehmen zu lassen, wurde die Turnhalle beschlagnahmt und die Stadtverwaltung mit den nötigen Umbaumaßnahmen, u. a. für ca. 400 Zuschauerplätze, beauftragt. Die Resonanz fiel eher verhalten aus: „ Die Lüneburger waren überhaupt nicht begeistert, dass das in ihrer Stadt stattfinden sollte. Es gab sehr viele Vorbehalte, man hatte Angst, dass man mit diesen Verbrechen in einen Topf geworfen werde“, so John Cramer, der intensiv zu dem Verfahren geforscht hat. Das Verfahren endete am 17.November 1945 mit elf später vollstreckten Todesurteilen, meist langjährigen Haftstrafen und 15 Freisprüchen. Obwohl das Verfahren von der internationalen Presse vielfach als fair beschrieben wurde, gab es auch Stimmen, die die Urteile zum Teil als zu milde kritisierten.
MTV-Halle, Lindenstraße 30 in Lüneburg, etwa 1965.
Privatbesitz Beckmann | ArGW.
Die Rückgabe der Turnhalle an den MTV erfolgte erst im Februar 1947. Noch Anfang der 1960er-Jahre wurde sie „Belsen‐Halle“ genannt. Ab dem 16. Februar 1976 begann im Zuge von Straßenumbaumaßnahmen der Abriss gegen den Widerstand von Teilen der Lüneburger Zivilgesellschaft. Damit wurde ein wichtiges Denkmal der Erinnerungskultur unwiederbringlich zerstört.
In ganz Deutschland entstanden ab Ende der 1840er-Jahre Turnhallen. Sie boten den Turnerschaften Schutz vor dem Wetter und dienten als Lagerort für Turngeräte und Löschutensilien, denn die Turner stellten häufig die freiwillige Feuerwehr. Ab 1860 bemühte sich der MTV um den Bau einer Turnhalle. Allerdings reagierte die Lokalpolitik nur sehr verhalten. Die Eröffnung fand am 30. Oktober 1880 statt. Nach Entwürfen des Stadtbaumeisters August Maske wurde ein funktionales Gebäude im Stil der Zeit realisiert. Zwei markante Schlauchtürme beherrschten die Nordseite und waren auf die Lüneburger Altstadt ausgerichtet.
In der Halle fanden neben Schul‐ und Vereinssport auch Maskenbälle, Theateraufführungen und Konzerte statt. Im Ersten Weltkrieg diente die Halle als Militärkantine; im Zweiten Weltkrieg wurde sie zeitweise als Getreidelager genutzt, sie war auch Notunterkunft für Ausgebombte und Flüchtlinge.
Das Denkmal zeigt einen „Dragoner in Feldgrau mit der Pickelhaube, der hoch zu Ross mit eingelegter Lanze, den Karabiner in der Gewehrtasche neben sich, als Meldereiter unterwegs ist.“ (Landeszeitung, 4. Juli 1988). Es wurde im Jahr 1939 vom Berliner Bildhauer Prof. Emil Cauer (1867-1946) geschaffen. Das Dragoner-Denkmal ersetzte das ehemalige Denkmal des Dragoner-Traditionsverbandes für die „gefallenen Kameraden des Dragoner Regiments Nr. 16 und der Reserve-Kavallerie-Abteilung Nr. 78“ am Schifferwall, das einen trauernden Soldaten zeigt.
Traditionsverbände bestanden aus ehemaligen Mitgliedern der Einheit und deren Angehörigen. Sie prägten die Gedenkkultur der damaligen Zeit entscheidend. Aus der Geschichte der Dragoner:
1813-1815
Aufstellung durch Oberstleutnant von Estorff-Veerßen in Lüneburg und Einsatz in den Napoleonischen Kriegen
Garnisonen in Lüneburg, Uelzen, Lüchow und Harburg (Königreich Hannover)
ab 1818
Garnisonen in Lüneburg, Uelzen, Lüchow und Harburg (Königreich Hannover)
ab 1866
Teilweise Übernahme in preußische Dienste als Dragoner-Regiment Nr. 16
1867
Als 2. Hannoversches Dragoner-Regiment Nr. 16 in Northeim und Einbeck stationiert
1870/71
Einsatz im deutsch-französischen Krieg, anschließend Verlegung nach Lüneburg
1904/05
Beteiligung am Völkermord an den Herero und Nama in Deutsch-Südwest-Afrika (Namibia)
1914
Einsatz im Ersten Weltkrieg
1919
Auflösung des Dragoner-Regiments
1920
Neuaufstellung als Reiter-Regiment 13 der Reichswehr 26
Postkarte vom Dragoner-Denkmal im Park am Schifferwall. Es war am 17.9.1922 eingeweiht worden. Sammlung Hajo Boldt.
Mit zeitlich wachsendem Abstand zum Kriegsende 1918 wurden Kriegstote als „deutsche Helden“ gefeiert. In diesem Sinne errichtete man 1939 das neue Dragoner-„Ehrenmal“ im heutigen Clamart-Park. Die Stadt Lüneburg übernahm das Denkmal in ihre Obhut. Aus dem trauernden Soldaten wurde ein bewaffneter, was der NS-Ideologie besser entsprach. Die Einweihung des Denkmals am Pfingstsonntag, kurz vor dem Zweiten Weltkrieg, zelebrierten die Nationalsozialisten als propagandistischen Akt, um die Bevölkerung auf den Krieg einzustimmen. Es wurde zum zentralen „Ehrenmal“ Lüneburgs. Jährlich trafen sich dort die deutschlandweit organisierten Dragoner-Traditionsvereine zusammen mit der Sturmabteilung (SA), der Hitler-Jugend und weitere Kameradschaften des NS-Reichskriegerbundes, um der Kriegstoten zu gedenken. Das Hakenkreuz wurde auf der Dragoneruniform und der Fahne getragen.
Der Sockel trägt Namenstafeln von Lüneburger Kriegstoten aus beiden Weltkriegen sowie Namen von Dragonern, die 1904/05 im heutigen Namibia umkamen. Von den 1950er-Jahren bis zur Auflösung des Traditionsverbandes 1982 diente das Denkmal im Clamart-Park als Treffpunkt für die „alten Kameraden“ und für „ewig Gestrige“; seine politisierende Wirkung war und ist offenkundig.
2012 drohte das Denkmal umzustürzen. Aufgrund fehlender Mittel für eine Restaurierung sollte es im städtischen Bauhof eingelagert werden. Der 2012 gegründete „Verein der Freunde und Förderer des Denkmals Dragoner e.V.“ setzte sich für den Erhalt des Denkmals im Clamart-Park ein und sammelte Spendenin Höhe von 30.000 Euro. Der Rat der Hansestadt Lüneburg fasste daraufhin am 23. März 2012 den Beschluss, das Dragoner-Denkmal – neben weiteren Reiterdenkmalen – mit zusätzlichen öffentlichen Mitteln zu sanieren. Nach der Restaurierung in Berlin wurde es am 29. September 2013 hier wieder aufgestellt. In der Lüneburger Öffentlichkeit war und ist es weiterhin umstritten.
Einweihung des Dragoner-Denkmals, 28.5.1939. Sammlung Hajo Boldt.