Dorothea Kaliwe

Dorothea Kaliwe ist am 14. Januar 1890 geboren.
Sie ist die Jüngste von 11 Kindern.
Sie besucht eine gute Schule.
Danach wird sie Kinder-Gärtnerin.

Im Jahr 1910 heiratet sie den Förster Ernst Kaliwe.
Sie bekommen 3 Kinder:
Ernst, Günther und Ursula.
Ernst Kaliwe wird Förster in Heimbuch.
Das ist ein Ort in der Lüneburger Heide.

Dorothea Kaliwe bekommt Heim-Weh.
Und sie hat eine Fehl-Geburt.
Das ist zu viel für sie.
Sie wird krank.
Sie ist immerzu traurig.

Im Jahr 1924 kommt sie in die Lüneburger Anstalt.
Nach 3 Monaten darf sie wieder nach Hause.
Danach wird Ernst Kaliwe Förster in Scharnebeck.
Das ist in der Nähe von Lüneburg.

Ernst Kaliwe behandelt seine Ehe-Frau schlecht.
Er schlägt sie.
Dorothea Kaliwe wehrt sich.
Darüber ist Ernst Kaliwe sehr wütend.
Er bringt seine Frau Dorothea in die Anstalt zurück.
Das ist im September 1928.
Sie bleibt dort 15 Jahre.

In der Zwischenzeit heiratet ihre Tochter Ursula.
Sie heiratet auch einen Förster: Theo Zobel.
Ursula Zobel und ihr Ehe-Mann besuchen die Mutter.
Sie besuchen sie auch mit ihrem ersten Enkel-Kind.

Am 8. September 1943 wird Dorothea Kaliwe verlegt.
Sie kommt in die Tötungs-Anstalt Pfafferode.

Das hat Max Bräuner entschieden.
Max Bräuner ist der Ärztliche Direktor der Lüneburger Anstalt.
Der Ehe-Mann von Dorothea und Max Bräuner kennen sich.
Max Bräuner erzählt Ernst Kaliwe von der Verlegung seiner Ehe-Frau.

Ernst Kaliwe interessiert das nicht.
Es ist ihm egal.
Aber er erzählt der Tochter Ursula davon.
Sie und ihr Ehe-Mann Theo Zobel fahren Dorothea hinterher.
Sie wollen Dorothea retten.
Sie wollen ihre Ermordung verhindern.
Theo hat ein Gewehr dabei.
Damit droht er: Ich will meine Schwieger-Mutter mitnehmen.
Keiner hindert mich.
Wenn mich jemand daran hindert,
erschieße ich ihn.

Das hat Erfolg.
Ursula und Theo Zobel dürfen Dorothea mitnehmen.
Sie retten Dorothea.
Dorothea überlebt.

Sie wohnt ab dann bei ihrer Tochter Ursula.
Im Jahr 1967 stirbt sie als alte Frau.

Theo Zobel überlebt den Krieg nicht.
Er sagt: Ich finde nicht gut, was die Nazis machen.
Das ist verboten.
Er wird verraten.
Zur Strafe muss er in den Krieg.
Dort stirbt er im August 1944.

Das ist ein Foto von Dorothea Kaliwe.
Auf dem Foto sind die Kinder Günter und Ursula zu sehen.
Das Foto ist über 100 Jahre alt.

Das Foto ist aus dem Jahr 1934.
Es ist in der Anstalt in Lüneburg auf-genommen.
Ursula besucht ihre Mutter Dorothea in der Anstalt.
Sie zeigt ihr Baby.
Es ist die Enkelin von Dorothea Kaliwe.

Das ist ein Familien-Foto.
Es ist etwa aus dem Jahr 1940.
Zu sehen sind: Günther und Ernst Junior.
Daneben steht Ernst Kaliwe.
Neben ihm stehen Ursula und Theo Zobel.
Davor stehen Gisela und Ursula.
Es sind die Enkelinnen von Dorothea Kaliwe.

Das ist ein Blatt aus der Kranken-Akte von Dorothea Kaliwe.
Darauf sind auch Stempel.
Auf einem Stempel steht:
8.9.1943 nach Pfafferode verlegt.
Sie soll ermordet werden.

Emma K.

Emma K. wurde am 14. September 1899 geboren. Sie hatte sechs Geschwister und wuchs in Lehe (heute Bremerhaven) auf. Das Zuhause von Emma war für die verschiedenen Familienzweige der familiäre Mittelpunkt. Die älteste Tochter richtete dort ein Fischgeschäft ein, das sich im Laufe der Jahre zu einem kleinen Kolonialwarenladen entwickelte. Emma war das fünfte Kind. Mit 16 Jahren erkrankte sie an hormonell ausgelösten Krämpfen, die sich hin und wieder einstellten. 1920, im Alter von 20 Jahren, heiratete sie den Maurer Hermann K.

Nach der Geburt der Tochter verschlimmerte sich ihre Erkrankung. Trotz zunehmender Pflegebedürftigkeit, zögerte die Familie eine Einweisung in eine Anstalt jahrelang hinaus. Nachdem ein Kreisarzt bereits ein Einweisungsgutachten angefertigt hatte, ließen ihr Mann und die Eltern weitere 14 Monate verstreichen. Im September 1927 kam Emma erstmals in die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg.

Nach knapp zwei Monaten kehrte sie »ungeheilt« wieder nach Hause zurück. Weitere zwei Jahre versuchte die Familie, sie daheim zu betreuen. 1929 folgte eine zweite stationäre Aufnahme, die immer wieder von Beurlaubungen nach Hause unterbrochen wurde. Bis 1941 verschlechterte sich Emmas gesundheitlicher Zustand erheblich.

Daraufhin wurde sie für eine »planwirtschaftliche Verlegung« nach Hadamar vorgesehen. In ihrer Krankengeschichte findet sich der Eintrag »April verlegt«. Emma kam dieser Verlegung jedoch zuvor, da sie am 9. April 1941 starb. Ihr Grab in Lehe wurde noch Jahrzehnte gepflegt und von der Tochter, ihrem Ehemann und den Enkelkindern häufig besucht.

Emma K. im Alter von ca. 17 Jahren.


Privatbesitz Horst S.

Wohl auch um zu verhindern, dass Emmas Sterben in Verbindung mit der »planwirtschaftlichen Verlegung« gebracht werden konnte, strich der Lüneburger Psychiater Dr. Bernhard Winnighoff den Eintrag »April verlegt« durch und trug das falsche Sterbedatum »10. April 1941« in ihre Krankenakte ein. Im Aufnahmebuch der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg ist das richtige Sterbedatum, der 9. April 1941, nachgetragen worden, vermutlich wurde die Fälschung hier schlicht vergessen.

NLA Hannover Hann. 155 Lüneburg Acc. 2004/66 Nr. 9033.

Emma K.

Emma K. ist am 14. September 1899 geboren.
Sie hat 6 Geschwister.
Emma ist das fünfte Kind.

Mit 16 Jahren erkrankt sie.
Sie hat Anfälle und Krämpfe.
Aber damit kann sie leben.

Im Jahr 1920 heiratet sie den Maurer Hermann K.
Da ist Emma 20 Jahre alt.
Sie bekommen eine Tochter.

Danach werden Emmas Anfälle und Krämpfe schlimmer.
Die Familie will sie trotzdem nicht in eine Anstalt geben.
Erst im Jahr 1927 kommt sie in die Lüneburger Anstalt.

In den nächsten Jahren ist Emma auf Urlaub zu Hause.
Bis in das Jahr 1941 geht es Emma immer schlechter.
Sie hat immer mehr Anfälle und Krämpfe.

Das ist ein Foto von Emma K.

Das Foto wurde in einem Foto-Studio gemacht.

Deswegen ist Emma schön angezogen.

Emma ist eine junge Frau auf dem Foto.

Sie ist etwa 17 Jahre alt.


Das ist ein Eintrag aus der Kranken-Akte von Emma K.
Darin steht: Im April verlegt.
Sie sollte in die Tötungs-Anstalt verlegt werden.
Dann stirbt Emma K. während eines Anfalls.
April verlegt wird danach durchgestrichen.
Der Arzt schreibt: Gestorben 10. April 1941.

Aber das stimmt nicht.
Emma K. stirbt am 9. April 1941.
Der Arzt will die Verlegung am 9. April 1941 geheim halten.
Er will keinen Todes-Fall an dem Verlegungs-Tag.
Er will Fragen verhindern.
Es soll alles ohne Störungen verlaufen.
Er will keine Probleme bekommen.

Anna Timme

Anna Timme, geboren am 8. Juli 1909 in Hagen, wuchs mit fünf Brüdern auf einem Bauernhof auf. Vor und nach der Schule mussten die Kinder bei der harten landwirtschaftlichen Arbeit helfen. Mit 21 Jahren erkrankte Anna und wurde Patientin der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg. Nach fünf Monaten wurde sie in die Außenfürsorge nach Hause entlassen.

Weil sie ihrer Arbeit auf dem Hof nicht nachkam und somit für die Familie eine Belastung darstellte, wurde sie drei Jahre später, 1934 erneut in die Lüneburger Anstalt eingewiesen. Sie bekam die Diagnose »Schizophrenie«. Am 16. Juni 1941 starb sie in Hadamar einen qualvollen Erstickungstod.

Anna Timme und ihre fünf Brüder, ca. 1915/1916.

Privatbesitz Otto Timme/Elisabeth Habermann.

Als die Familie von Agnes Timme die Urne anforderte, wurde sie versehentlich nach Hannover-Stöcken, zum zuständigen Friedhofsamt von Frida Timme (einem weiteren Mordopfer mit Namen Timme) geschickt. Der Fehler wurde korrigiert, sodass die Agnes Timme zugeschriebene Asche schließlich doch noch in Hermannsburg beigesetzt werden konnte.

Privatbesitz Sabine Röhrs.

Der einzige überlieferte Bericht, den Dr. Niemeyer 1931 über den Besuch von Anna Timme in der »Außenfürsorge« verfasste, dokumentiert die Situation von Anna in ihrer Familie nach ihrer Rückkehr aus der Anstalt.

NLA Hannover Hann. 155 Lüneburg Acc. 2004/066 Nr. 09585.

Anna Timme

Anna Timme wird am 8. Juli 1908 in Hagen geboren.
Das ist ein Dorf im Land-Kreis Celle.
Sie hat 5 Brüder.
Die Eltern haben einen Bauern-Hof.
Alle Kinder müssen vor und nach der Schule helfen.
Sie müssen schwer arbeiten.
Obwohl sie Kindern sind.

Anna Timme macht das krank.
Da ist sie 21 Jahre alt.
Sie kommt in die Anstalt nach Lüneburg.
Dort geht es ihr besser.
Nach 5 Monaten darf sie wieder nach Hause.
Sie will aber nicht mehr auf dem Bauern-Hof helfen.
3 Jahre später muss Anna wieder in die Anstalt.

Am 16. Juni 1941 wird Anna Timme in der Gas-Kammer ermordet.

Das ist Anna mit ihren 5 Brüdern.
Das Foto ist über 100 Jahre alt. Auf dem Foto ist Anna 7 oder 8 Jahre alt.

Die Familie von Agnes Timme will die Urne haben.
Sie soll beerdigt werden.
Das Fried-Hofs-Amt macht einen Fehler.
Die Urne von Agnes Timme wird verschickt.
Aber an die Familie von Frieda Timme.

Dieser Fehler wird bemerkt.
Die Urne wird noch mal verschickt.
Jetzt an die richtige Adresse.
An die Familie von Agnes Timme.
Die Familie wundert sich.
Sie glaubt nicht an den natürlichen Tod.

Das ist ein Bericht.
Er ist aus dem Jahr 1931.
Anna ist wieder zu Hause.
Der Arzt besucht sie zu Hause.
Danach schreibt er den Bericht.
Er schreibt: Anna spricht nicht.
Sie hilft nur mit, wenn man ihr das sagt.
Sie sieht sauber aus.
Sie isst gut und sie schläft gut.

Agnes Timme

Agnes Timme, geb. Fiebig, wurde am 10. Januar 1912 in Winsen an der Aller im Landkreis Celle geboren. Ihr Vater war Landarbeiter und ihre Mutter war Hausfrau. Agnes heiratete ihren Ehemann Wilhelm Timme am 25. Mai 1933. Ihr erstes gemeinsames Kind war bereits am 1. April 1933 geboren. Aufgrund bescheidener Verhältnisse lebte das Paar zunächst noch getrennt. Am 7. April 1934 gebar Agnes die zweite Tochter. Nach der Geburt zog die kleine Familie nach Hermannsburg. Das dritte Kind, ein Sohn, wurde am 25. Februar 1936 geboren. Schließlich kam eineinhalb Jahre später, im Juli 1937, das vierte Kind zur Welt. Mit dieser Geburt erkrankte Agnes an einer Psychose.

Bei der Taufe ihrer jüngsten Tochter, drei Wochen nach der Geburt, war sie bereits Patientin im Krankenhaus Celle. Von dort wurde sie mit der Diagnose »Pfropfschizophrenie« in die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg überwiesen. Die Aufnahme stellte ihren Ehemann Wilhelm, der bei den Rheinmetall Borsig Werken in Unterlüss in der Rüstungsindustrie arbeitete, vor die Situation, sich neben seiner Arbeit allein um vier Kleinkinder kümmern zu müssen, darunter ein Neugeborenes. Er wusste sich wohl nicht anders zu helfen, als alle vier Kinder wegzugeben. Eine Tochter kam für drei Jahre zu einer Tante nach Hamburg. Die anderen drei Kinder kamen in ein Heim der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt. Am 2. April 1940 kam auch die Tochter in Hamburg in das Celler Kinderheim der Volkswohlfahrt, sodass die Kinder wieder vereint waren.

Die Kinder blieben über ein Jahr im Heim und waren auch dort, als ihre Mutter Agnes am 30. April 1941 in die Zwischenanstalt Herborn und von dort am 16. Juni 1941 in die Tötungsanstalt Hadamar verlegt und ermordet wurde. Im August 1941 kam eine der Töchter in eine Pflegefamilie. Nach drei Tagen brachten die Pflegeeltern sie wieder ins Heim zurück, um sie gegen ihre kräftigere und somit tüchtigere Schwester zu tauschen. Die Nachbarn der Pflegefamilie fanden das Verhalten der Pflegeeltern herzlos und holten das angeblich schwächere Kind einen Tag später aus dem Heim zu sich, sodass die beiden Schwestern fortan als Nachbarinnen groß wurden. Die anderen beiden Geschwister wurden auf zwei weitere Pflegefamilien verteilt. Die Trennung der Kinder führte später zu einem Zerwürfnis mit dem Vater. Das jüngste Kind von Agnes sei später diejenige gewesen, die ihrem Vater die größten Vorwürfe gemacht habe, auch weil sie sich an der Erkrankung ihrer Mutter mitschuldig fühlte.

Agnes Fiebig, ca. 1929.

Privatbesitz Sabine Röhrs.

Verlegungsmitteilung Agnes Timme von 1941. Das Datum der Verlegungsmitteilung aus der Anstalt Herborn ist in Wirklichkeit das Sterbedatum des »T4«-Opfers Agnes Timme in der Tötungsanstalt Hadamar. Den Angehörigen wurde suggeriert, es handle sich um eine kriegsbedingte Verlegung an einen unbekannten Ort, angeordnet durch den Reichsverteidigungskommissar. Man bat die Angehörigen, von weiteren Nachfragen abzusehen. Dies sollte die Tötung verschleiern.

Privatbesitz Sabine Röhrs.

Am 27. Februar 2017 wurde in Erinnerung an Agnes Timme vor ihrem ehemaligen Wohnhaus in Hermannsburg ein Stolperstein verlegt. Bei dieser Verlegung wurde ihrer Enkelin ein Auszug aus dem Kirchenbuch übergeben. Darin war belegt, dass die Urne von Agnes schließlich doch noch von Hannover nach Hermannsburg überführt wurde und dort am 18. August 1941 beigesetzt worden war.

Agnes Timme

Agnes Timme ist am 10. Januar 1912 geboren.
Im Jahr 1933 heiratet Agnes ihren Ehe-Mann Wilhelm Timme.
Die Familie wohnt im Land-Kreis Celle.
Das ist in Nieder-Sachsen.
Sie haben vier Kinder.

Nach der 4. Geburt erkrankt Agnes Timme.
Sie ist im Kranken-Haus in Celle.
Dort kann man ihr nicht helfen.
Sie wird in die Lüneburger Anstalt verlegt.

Wilhelm Timme kann sich nicht um seine Kinder kümmern.
Er muss in einer Fabrik arbeiten.
Er gibt alle Kinder weg.
Eine Tochter kommt zu einer Tante nach Hamburg.
Für 3 Jahre.
Die anderen 3 Kinder kommen in ein Kinder-Heim.

Am 30. April 1941 wird Agnes in die Anstalt Herborn verlegt.
Am 16. Juni 1941 wird sie in die Tötungs-Anstalt Hadamar verlegt.
Dort wird sie ermordet.
Zu dem Zeitpunkt sind alle 4 Kinder noch im Heim.

Zeit vergeht.
Die Kinder kommen in verschiedene Pflege-Familien.
Die Geschwister werden getrennt.

Wieder vergeht Zeit.
Die Kinder machen ihrem Vater Vorwürfe.
Sie sagen: Du hast uns allein gelassen.
Du hast unsere Mutter allein gelassen.
Sie fühlen sich mit-schuldig.
An der Krankheit ihrer Mutter.
Und an ihrem Tod.

Das ist ein Foto von Agnes.

Damals war sie noch nicht ver-heiratet.

Auf dem Foto ist sie eine junge Frau.

Sie ist etwa 17 Jahre alt.

Sie trägt ein Kleid mit einem Muster und schicke Schuhe.

Sie hält Blumen in der Hand.

Sie steht in einem Garten.

Das ist ein Brief.
Er ist an Wilhelm Timme.
Es steht drin: Die Ehe-Frau Agnes Timme wird verlegt.
Keiner weiß wohin.
Das ist gelogen.
Es ging in die Tötungs-Anstalt Hadamar.
Das wusste der Schreiber des Briefes.
Am 16. Juni 1941 wurde Agnes Timme dort ermordet.

Am 27. Februar 2017 wird für Agnes Timme ein Stolper-Stein verlegt.
Er liegt vor ihrem Wohn-Haus in Hermannsburg.
Die Enkelin von Agnes Timme hatte die Idee.
Und sie war auch dabei.