Dimitri Wolanyk

Dimitri Wolanyk wurde am 7. Februar 1916 in Smarnów in Polen geboren. Er war »Ostarbeiter«. Wegen »doppelseitiger Lungentuberkulose« befand er sich seit dem 27. November 1943 zur Behandlung im städtischen Krankenhaus in Lüneburg. Da er sich sonderbar verhielt, »völlig nackt in der Gegend und im Gelände« herumlief, schließlich ganz ausriss, wurde er – kaum wieder zurückgebracht – durch den Facharzt für Innere Krankheiten, Dr. Schulz, in die benachbarte Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg eingewiesen.

Als er dort am 1. Dezember 1943 aufgenommen wurde, diagnostizierte Gustav Marx eine Verwirrtheit infolge einer Tuberkulose. Zudem war Dimitri Wolanyk stark untergewichtig. Bei einer Größe von 1,72 m wog er nur 48 kg. Ansonsten stellte Marx nur fest, dass eine Verständigung nicht möglich sei und der Patient keine Antworten auf Fragen gebe. Einem Sprachkundigen jedoch sagte dieser, er sei 28 Jahre alt. Insgesamt wirkte er wohl sehr ängstlich, wie in der Akte notiert. Bei anhaltend hohem Fieber starb er bereits nach fünf Tagen in der Lüneburger »Ausländersammelstelle«.

Fjodor Pawlow

Fjodor Pawlow wurde am 7. Februar 1883 in der Ukraine geboren. Er war Zwangsarbeiter in Blankenburg im Harz. Auf Veranlassung seines Arbeitgebers wurde er am 24. Februar 1943 amtsärztlich untersucht, weil er angeblich Mitarbeiter*innen belästigt habe und seiner Arbeit nicht nachgegangen sei. Bei einem Aufenthalt im Hilfskrankenhaus habe er mit anderen Patient*innen tanzen wollen und sei unruhig gewesen. Sein Arbeitgeber und ein sprachkundiger Arzt wurden hinzugezogen. Die Diagnose lautete, dass er zusammenhanglose Antworten gebe und über die tatsächlichen Verhältnisse nicht orientiert sei. »Bei dem Ostarbeiter Fjodor Pawlow besteht demnach eine Psychose mit Erregungszuständen. Wegen Gefährdung der öffentlichen Ordnung ist die Aufnahme in die Landes-, Heil und Pflegeanstalt dringend notwendig«, wurde seine Einweisung begründet.

Bei seiner Aufnahme wog der 1,69 m große Mann nur 46 kg. Außerdem wurde ein Leistenbruch festgestellt. Fjodor Pawlow konnte mitteilen, dass er gestürzt sei und seitdem Kopfschmerzen habe. Er sagte auch, er habe nicht um sich geschlagen, nicht getobt und habe auch mit niemandem tanzen wollen. Der Arzt Dr. Rudolf Redepenning notierte: »Depressive Reaktion?« und »Macht stumpfen Eindruck«. Der nächste und letzte Eintrag erfolgte am Tag seines Todes am 7. Mai 1945. Redepenning notierte, dass Pawlow »Außenarbeit«, d. h. schwere Feldarbeit verrichtet habe, dann aber schwach und bettlägerig wurde. Schließlich sei er im Bett tot aufgefunden worden. Als Todesursache gab Redepenning »Erschöpfung bei akuter Geisteskrankheit« an.

Sein Gewicht wurde nach seiner Aufnahme in die Lüneburger Heil- und Pflegeanstalt nicht mehr notiert. Die grundlose Hinfälligkeit und Schwäche weisen darauf hin, dass er verhungerte bzw. an Erschöpfung starb, ging seine Zwangsarbeit in der Anstalt nahezu unvermindert weiter.

Jan Stawicki

Jan Stawicki wurde am 5. Dezember 1920 in Wola Sosnowa im Kreis Leslau in Polen geboren. Er arbeitete als polnischer Landarbeiter in Bispingen. Ohne Angabe von Gründen ordnete das Staatliche Gesundheitsamt des Kreises Soltau am 13. April 1944 die Einweisung und Unterbringung von Jan Stawicki für die Dauer eines Jahres an. Noch am selben Tag wurde er in Begleitung seines Arbeitgebers und eines Beamten in die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg gebracht und in Haus 21 aufgenommen. Aufnehmender Arzt war Willi Baumert. Er notierte, dass Stawicki unsauber und apathisch sei, mit geschlossenen Augen bewegungslos im Bett liege, daher vollkommen versorgt werden müsse. Auch zwei Tage später stellte er fest: »Gleichbleibend gehemmt, bewegungsarm, dabei leicht trauriger Gesichtsausdruck, keinerlei Reaktion. Nahrungsaufnahme schlecht, muss gefüttert werden.«

Vier Tage später wurde er in einem Einzelzimmer isoliert, bekam drei Elektroschocks. Bei einer Röntgenuntersuchung der Lunge stellte man großflächige Verschattungen fest, die auf eine fortgeschrittene Tuberkulose hindeuteten. Am 28. April 1944 wurde er nach Haus 1 verlegt und nun von Gustav Marx behandelt. Dieser stellte »Hinfälligkeit« fest. Doch auch dort stellte sich keine Besserung ein. Jan Stawicki sprach nicht, gab auf Fragen keine Antworten, verweigerte das Essen, musste im Juni 1944 vorübergehend mit einer Sonde ernährt werden.

Im September 1944 verschlechterte sich sein Zustand weiter, er bekam hohes Fieber, verlor Blut, zeigte Symptome einer Herzinsuffizienz. Am 19. September 1944 starb Jan Stawicki in der Lüneburger »Ausländersammelstelle« im Alter von 23 Jahren. Offizielle Todesursache war eine »doppelseitige Lungentuberkulose«.

Joseph Lubiewski

Joseph Lubiewski wurde am 25. November 1875 in Subkau in Polen geboren. Er lebte mit seiner Frau Elisabeth in Wesermünde. Nach einem Gutachten des Gesundheitsamtes kam er dort Ende 1941 in ein Altenheim. Weil sich sein Zustand verschlechterte, wurde er im Oktober 1943 erneut begutachtet. Der Amtsarzt Dr. Pannenborg kam zu dem Ergebnis, Joseph Lubiewski sei »unreinlicher«, »rabiat« und »stumpfer« geworden und leide unter »Altersschwachsinn«. Er empfahl die Aufnahme in die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg.

Fünf Tage später, am 28. Oktober 1943 wurde Joseph Lubiewski mit einem PKW nach Lüneburg gebracht und in Haus 6 der Anstalt aufgenommen. Den plötzlichen Umzug nach Lüneburg verstand Joseph Lubiewski nicht. Er blieb noch zwei Tage später überzeugt, er befände sich noch in seinem Heim in Wesermünde.

In den nächsten anderthalb Jahren bis zu seinem Tod erfolgten nur zwei Einträge in die Patientenakte. Am 13. Mai 1944 stellte der Anstaltsarzt Gustav Marx fest, Lubiewski zeige immer noch das gleiche Bild und »hält sich sauber«. Am 5. August notierte Rudolf Redepenning »nach Haus 15«. d. h., er wurde von der allgemeinen Station in die »Ausländersammelstelle« verlegt. Nach der Verlegung war Redepenning sein zuständiger Arzt.

Am 17. März 1945 starb Joseph Lubiewski. Der letzte Eintrag in der Akte in Redepennings Handschrift lautete »11 Uhr 30 an Erschöpfung gestorben nach langem Schwächezustand«. Welche Ursachen die Schwäche und Erschöpfung hatten, geht aus der Akte nicht hervor. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist er an Mangelversorgung gestorben bzw. verhungert. Joseph Lubiewski wurde 69 Jahre alt.

Katharina Kunka

Katharina Kunka wurde am 12. September 1910 in der Ukraine geboren. Am 4. Oktober 1944 war sie in das St. Josef-Stift in Celle überwiesen worden, wo ein Tumor an ihrem Fuß behandelt wurde. Von dort wieder zurück im Lager für Ostarbeiter*innen in Unterlüß, das zum Rüstungsbetrieb Rheinmetall-Borsig AG gehörte, soll sie sich laut Aussage ihrer Arbeitskolleg*innen sonderbar verhalten haben, sei nachts umhergelaufen, habe nichts gegessen und nicht mehr gesprochen. Die vorläufige Diagnose des Lagerarztes in Unterlüß lautete: Rastlosigkeit, ängstliches Umherschauen, Nicht-Ansprechbarkeit.

Katharina Kunka kam am 20. Januar 1945 in den »Ostarbeiterinnensaal« in Haus 16 der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg. Bei ihrer Aufnahme wurde sie als blass, gehemmt und ängstlich beschrieben, sie habe »rote Strippen« auf der Brust gehabt und geweint. Im März 1945 ging es Katharina Kunka wohl besser, sie sei »geordnet« und »ruhig« und arbeite in der Schälküche. Im September 1945 entwickelte sie erste Anzeichen einer Tuberkulose. Obwohl sie den depressiven Zustand, den sie bei ihrer Aufnahme zeigte, überwunden hatte, wurde sie nun wegen ihrer Tbc nicht entlassen.

Am 20. Dezember 1945 wurde vermerkt, dass sie Tbc-frei sei, doch bereits Ende Januar 1946 verschlechterte sich ihr Zustand wieder. Seitdem schwankte ihr Gesundheitszustand mit negativer Tendenz bis zu ihrem Tod am 17. Juli 1947. Ab Mai 1946 gab es zunehmend Schwierigkeiten mit der Nahrungsaufnahme. Sie wurde immer wieder durch eine Sonde ernährt, weil sie Nahrung verweigerte. Auch kippte ihre psychische Verfassung, am 12. Februar 1947 wurden von Gustav Marx Antriebslosigkeit und Depression notiert. Am 18. Juli 1947 vermerkte Marx einen »fortgeschrittenen Kräfteverfall« und einen »elenden Zustand«. Am nächsten Tag war Katharina Kunka tot. Sie starb im Alter von 36 Jahren an einer Lungen-Tbc, die sie sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in der Anstalt zugezogen hatte, denn bei ihrer Aufnahme war sie tuberkulosefrei gewesen.

Maria Czaja

Maria Czaja wurde am 18. Januar 1891 in Sierakowitz in Polen geboren. Wie sie nach Deutschland gekommen ist, kann nicht geklärt werden. Bereits lange vor Kriegsausbruch war sie Patientin in der Landes- Heil- und Pflegeanstalt Wunstorf. Ihre dortige Krankenakte ist die einzige erhaltene Unterlage über sie. Aus den Einträgen auf der Charakteristik ist zu erfahren, dass Maria Czaja seit einer Magenoperation im Jahr 1923 in einem Altersheim in Twistringen, heute Landkreis Diepholz, untergebracht war. Vier Jahre später wurde sie als Invalidin anerkannt.

Weil sie 1938, also nach 15 Jahren Heimaufenthalt, zunehmend Wutanfälle und »masslosen Jähzorn« zeigte, kam sie von dort vorübergehend in das Krankenhaus Twistringen. Da sie keinerlei Symptome einer schweren psychischen Krankheit, etwa einer Schizophrenie zeigte, empfahl der Amtsarzt zunächst die Unterbringung in einem anderen Heim. Maria Czaja weigerte sich. »Da sie tagtäglich in dem Krankenhaus Twistringen und dem angeschlossenen Altersheim wüste Scenen macht und den Frieden des Krankenhauses immer wieder stört« und weil die Verlegung in ein anderes Altersheim an »der abartigen Persönlichkeit der Czaja scheitern« würde, wurde sie am 19. August 1938 in die Anstalt Wunstorf eingewiesen. Weil der Amtsarzt auch diesbezüglich mit Widerstand rechnete, schlug er zugleich die Prüfung ihrer Entmündigung vor. Maria Czaja erhielt vom Amtsarzt die Diagnose »explosive, asoziale Psychopathin«. Sie leide unter einer Persönlichkeitsstörung. Ein beigefügter Vermerk bezüglich des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses, das seit dem Januar 1934 die Zwangssterilisation von Menschen gesetzlich regelte, wies Maria Czaja zugleich als »nicht erbkrank« im Sinne des Erbgesundheitsgesetzes aus. In Wunstorf stellte man zudem fest, dass Maria Czaja an den Folgen einer Syphilis leide, einer »Gehirnerweichung«.

Am 30. September 1941 wurde sie von Wunstorf in die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg verlegt.
Aus ihrer Zeit dort ist keine Akte erhalten. Sie starb laut Sterberegisterauszug des Standesamtes Lüneburg am 30. März 1943 im Alter von 52 Jahren. Die offizielle Todesursache lautete »Bauchfelltuberkulose« mit damit zusammenhängender Rippenfellentzündung. Mit Tuberkulose muss sie sich während ihres Anstaltsaufenthaltes in Lüneburg infiziert haben.

Maria Pozarenko

Maria Pozarenko wurde 1919 in Russland geboren. Nähere Informationen zu ihrem genauen Geburtstag oder dem Geburtsort sind der überlieferten Krankenakte nicht zu entnehmen. Sie war in Offensen bei Celle als zivile Zwangsarbeiterin in der Landwirtschaft eingesetzt. Sie wurde in Celle in Polizeigewahrsam genommen und dort von einem Amtsarzt begutachtet. Dieser kam am 10. Oktober 1942 zu dem Ergebnis, dass Maria Pozarenko unter »Jugendirrsein« leide und deshalb sofort in die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg überführt werden müsse. Noch am gleichen Tag wurde sie von einem Polizeiwachtmeister und einer Begleiterin mit dem Zug nach Lüneburg gebracht. »Sie soll unterwegs schwierig gewesen sein, sodass es mehrfach zu Rangeleien gekommen ist«, notierte der aufnehmende Arzt. Maria Pozarenko habe unordentlich ausgesehen, an allen Stellen habe sie Ungeziefer gehabt. Sie machte also vor allem einen verwahrlosten Eindruck. Da eine sprachliche Verständigung nicht möglich war, belief sich die Eingangsuntersuchung auf eine reine Beobachtung ohne Berücksichtigung von Hintergründen ihres unruhigen und störrischen Verhaltens.

Zwei Tage später verweigerte Maria Pozarenko die Nahrungsaufnahme und behielt auch kein Getränk bei sich. Erst am 24. Oktober 1942 wurde sie mit der Sonde ernährt, hielt der Leiter der Ausländersammelstelle Dr. Redepenning in ihrer Akte fest. Ihr festgestellter Kräfteverfall ließ sich nicht aufhalten, sie starb noch am selben Tag im Alter von etwa 23 Jahren. Redepenning diagnostizierte eine »abnorme Reaktion« und gab bei der Todesursache »hochgradige Erregung und Nahrungsverweigerung« sowie »Herzmuskelentartung« an. Da keine Herzuntersuchung dokumentiert ist, ist eher davon auszugehen, dass sie unter der Aufsicht von Redepenning verhungert ist.

Maria Swachowna

Maria Swachowna wurde am 8. Mai 1914 in der Stadt Terespol in Polen geboren. Sie starb am 4. Januar 1944. Sie kam vollkommen verwahrlost in die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg. Wie es zu dieser Verwahrlosung kam – sie hatte Kopfläuse, ihre Kleidung war stark verschmutzt und musste aufgeschnitten werden –, kann man aus der Krankenakte nicht schließen. Der Hausarzt aus Scheeßel, Dr. Rotermund, notierte lediglich, Maria Swachowna sei geisteskrank. Er kam daher zu dem Schluss: »Für landwirtschaftliche Arbeiten ist sie untauglich.« Der Amtsarzt Dr. Könighaus, der die Einweisung nach Lüneburg veranlasste, erkundigte sich bei ihrem »Arbeitgeber« Hinrich Dreyer aus Ostervesede nach ihr und erfuhr, Maria Swachowna sei seit einigen Tagen unruhig und schmutze sich ein, nehme auch keine Nahrung zu sich. Nach Gründen hierfür wurde nicht weiter gefragt, jedenfalls fehlen sie in der Akte.

Bei ihrer Aufnahme wog sie bei einer Größe von 1,60 m nur 50 kg. Die Hände seien von der Arbeit aufgerissen gewesen. Obwohl sie in einem erbärmlichen Zustand in Haus 22 aufgenommen wurde, erfolgte der erste Eintrag nach der Aufnahme erst einen Tag vor ihrem Tod: »Bleibt im Bett liegen wie sie hingelegt wird. Muß ganz versorgt werden. […] Wird nach Haus 26 unten verlegt. Wirkt sehr elend. […]«. Obwohl sie Fieber hatte, notierte man keine Temperatur. Auch andere Maßnahmen, ihr Leben zu retten, sind nicht in der Akte zu finden. Am nächsten Tag wurde eingetragen: »Gestorben. Grundleiden: Geistesstörung mit Todesursache: Nahrungsverweigerung.« Sie wurde 39 Jahre alt.

Marie Pawlus

Marie Pawlus wurde am 15. Mai 1925 in Nesterow in Russland geboren. Bei ihrer Ankunft in der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg wog die Zwanzigjährige bei einer Größe von 1,60 m nur 41 kg. Sie weigerte sich ihren Namen zu sagen, und nur mit Hilfe russischer Mitpatientinnen sowie eines Dolmetschers wurden wenige Informationen zutage gefördert. Sie habe angegeben, 27 Jahre alt und seit drei Monaten in Deutschland zu sein. Ihre Eltern seien tot und sie habe bei einem Bauern gearbeitet. Sie habe zwei Brüder und drei Schwestern in der Ukraine. Sie gab bei der Befragung auch an, dass sie zur Schule gegangen sei und deshalb ein wenig lesen und schreiben könne.

Im Aufnahmeformular ist notiert, dass sie bei einem Herrn Bernhard Meyer aus Garrel (in der Nähe von Cloppenburg) als Ostarbeiterin beschäftigt war. Dort hatte das Arbeitsamt Vechta, von dem Marie Pawlus‘ Verlegung nach Lüneburg initiiert wurde, fälschlicherweise auch angegeben, sie sei 1912 geboren. Man hatte sich an den Eintragungen in Wehnen orientiert. In Wehnen war sie vom St. Elisabeth-Stift in Lastrup – wo sie sich vorübergehend befand – wegen Erregungszuständen, Desorientiertheit, Gewalttätigkeit und angeblichen Stimmenhörens am 6. Mai 1944 in die Heil- und Pflegeanstalt Oldenburg in Wehnen überwiesen worden. Dort sei sie dann »maßlos verkommen und verdreckt. Voller Ungeziefer« angekommen. Obwohl unter Hinzuziehung eines Dolmetschers auch dort schon nichts von ihr zu erfahren war, attestierte man ihr »Sinnestäuschungen und Wahnvorstellungen«. Weil sie sich nicht wusch, erregt und unruhig blieb bzw. »alle Arbeitsversuche fehlgeschlagen« waren, überwies man sie schließlich von Wehnen nach Lüneburg.

Die Lüneburger Ärzte stellten die Verdachtsdiagnose einer »katatonen Schizophrenie«. Des Weiteren stellte man fest, sie sei »ein blaßes Mädchen in schlechtem Kräftezustand.« Man brachte sie nach Haus 16. Dort erholte sie sich kaum. Ein Versuch, sie in der Schälküche zu beschäftigen, misslang. Sie sei dort nicht zu gebrauchen gewesen. Sie blieb »unbeschäftigt«. Im Oktober 1945 hieß es zudem: »Spricht nicht, interessenlos, zeitweise abwesend.« Im Dezember 1945, nach einem Jahr Aufenthalt in Lüneburg, stellten die Ärzte fest, sie sehe »auffallend schlecht aus«. Gustav Marx notierte am 14. Dezember 1945 »P. ist sehr elend, blaß, abgemagert« und ordnete deswegen eine aufbauende »Diät« an. Zwei Wochen später starb Marie Pawlus. Die offizielle Todesursache lautete Lungentuberkulose, die 16 Tage zuvor diagnostiziert worden war.

Mathilde Übergs

Mathilde Übergs wurde am 30. November 1896 in Riga in Lettland geboren. Kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs kam sie für drei Tage in das Kreiskrankenhaus Soltau. Dort wurde sie am 19. Mai 1945 von einem Amtsarzt begutachtet. Der schrieb in seinem Gutachten, Mathilde Übergs sei wie versteinert, habe eine psychomotorische Unruhe und eine »Sperrung der Willenstätigkeit«. Auch behauptete er, es sei »mit plötzlichen Gewalttätigkeiten bei Durchbrechung des Stupors [totale Bewegungsunfähigkeit trotz vollen Bewusstseins, »Versteinerung«] zu rechnen« und empfahl eine sofortige Unterbringung in der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg. Noch am gleichen Tag kam sie in Lüneburg an und wurde in Haus 22 der Anstalt untergebracht.

Sie war mit der Einweisung nicht einverstanden und trommelte nachts gegen ihre Zimmertür. Am nächsten Tag erhielt sie Elektroschockbehandlungen. Am zweiten Tag ist vermerkt, sie krieche am Boden umher und sei sehr laut. Am 9. Juni 1945 wird erstmals vermerkt, dass eine Verständigung schwierig sei, da sie Lettisch spreche. Vorher hatte man sich offenbar noch nicht bemüht, ein Gespräch mit ihr zu führen.

Nach einigen Monaten schien sich Mathilde Übergs mit dem Leben in der Anstalt arrangiert zu haben. Sie beschäftigte sich mit Flickarbeiten, schien ruhig, geordnet und »sehr fleißig«. Danach verschlechterte sich ihr Zustand. Ab Februar 1946 nahm sie kaum noch Nahrung und Flüssigkeit zu sich. Sie erhielt flüssige Nahrung und Kochsalzlösung und zur Beruhigung das Medikament Luminal. Ab Juni 1946 war sie bettlägerig. Am 14. Dezember wurde notiert, sie sei körperlich sehr zurückgegangen. Am 22. Dezember 1946 starb Mathilde Übergs mit 50 Jahren. Die offizielle Todesursache lautete »mangelnde Nahrungsauswertung«.