Marianne Begemann

Marianne Begemann wurde am 3. Dezember 1929 in Esens, Kreis Wittmund in Ostfriesland, geboren. Ihr Vater war ursprünglich Domänen-Bauer, arbeitete aber ab 1928 als Arbeiter in einer Molkerei, weil nicht ihm, sondern dem jüngeren Bruder die Domäne übertragen wurde. Die Mutter litt selbst unter einer psychischen Erkrankung und war ab 1934/35 Patientin in verschiedenen Heil- und Pflegeanstalten. Marianne kam als viertes Kind zur Welt und hatte drei Brüder.

Marianne kam bereits im Alter von zwei Jahren in das Kinderheim Wittmund. Sie lernte zwar laufen, sprach aber nicht und benötigte Hilfe beim Essen und Trinken. Bei einer amtsärztlichen Besichtigung des Kinderheimes am 14. Juli 1940 fiel die dann schon elfjährige Marianne auf. Mit der Begründung, dass »die Hausmutter, […] fast gänzlich dadurch in Anspruch genommen wird und für die Betreuung der übrigen Kinder keine genügende Zeit mehr übrig behält« und aufgrund der bevorstehenden Geschlechtsreife, beantragte der Amtsarzt des Gesundheitsamtes Kreis Wittmund pflichtbewusst die Unterbringung von Marianne in den Anstalten der Inneren Mission Rotenburg. Die Mutter lehnte die Unterbringung ab und bemühte sich um eine häusliche Pflege ihres Kindes. Der Vater hingegen erklärte sich mit der Anstalt einverstanden. Der Amtsarzt folgte dem Vater, sodass Marianne im November in den Anstalten der Inneren Mission Rotenburg aufgenommen wurde.

Am 4. Januar 1941 notierte der Rotenburger Ärztliche Direktor Magunna den ersten Eintrag in ihrer Akte: »Sie macht einen völlig blöden Eindruck, zeigt keinerlei Anteilnahme an ihrer Umgebung; […]«. 1941 werden über Marianne nur 14 Worte verloren. Des Weiteren findet sich ein Stempel »Am 9.10.41 verlegt nach Lüneburg«.

Marianne erkrankt – wie die meisten ihrer Rotenburger Mitpatient*innen – wenige Wochen nach ihrer Ankunft in der Lüneburger »Kinderfachabteilung«. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wurde Marianne mit dem Medikament Luminal getötet. Der Vater wurde erst eine geraume Zeit nach Ausbruch der Krankheit, am 17. Dezember 1941, über den bedenklichen Gesundheitszustand seiner Tochter informiert. Der Wortlaut ist identisch mit Briefen, die an andere Eltern versandt wurden: »Ihr Kind [Vorname des Kindes] ist seit einigen Tagen hochfieberhaft erkrankt. Bei ihrer allgemeinen Hinfälligkeit ist der Zustand nicht unbedenklich.«

Am 20. Dezember 1941 stirbt Marianne im Alter von zwölf Jahren. Als Todesursache wird »doppelseitige Lungentuberkulose« angegeben. Marianne Begemann wurde kurz danach auf dem Anstaltsfriedhof, dem heutigen Friedhof Nord-West, bestattet. Man machte sich kaum Mühe bei der Dokumentation ihres Grabes. Im Gräberverzeichnis taucht sie als »Marianne Begmann« auf. Auch bei der Sektion nahm man es nicht so genau: Im Sektionsprotokoll wird sie als »Marianne Bergmann« bezeichnet. Nur ein Abgleich der Lebensdaten führt zur Gewissheit, dass es sich um ein und dieselbe Person handelt, das Kind Marianne Begemann.

Familienangehörige von Marianne Begemann, vor 1914, Domäne Carolinensiel. Großmutter Anna-Henriette, Vater Wilhelm, Onkel Karl-Hilmer, unbekannt (von links nach rechts).

Privatbesitz Karl-Heinz Begemann.

Yvonne Mennen

Yvonne Mennen wurde am 6. Dezember 1938 in den Niederlanden geboren. Sie war gemeinsam mit ihrer Mutter Ida, einer geborenen Flämin aus Belgien, und zwei Geschwistern aus den Niederlanden geflohen. Zunächst kamen sie in Bienenbüttel in ein Flüchtlingslager der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV), wurden dann aber wegen Unsauberkeit, Streitlust und angeblicher Geisteskrankheit in einer Armenunterkunft bei Familie Werner, Hausnummer 95, untergebracht. Schließlich wies man der Familie nur den Stall zu. Währenddessen war der Vater, Kanonier Hinderk Mennen, nach jahrelanger Staatenlosigkeit als Soldat im Kriegseinsatz und hatte hierdurch die deutsche Staatsbürgerschaft erlangt.

Ida Mennen gebar insgesamt elf Kinder, von denen fünf verstorben und drei in einem Kinderheim untergebracht gewesen sein sollen. Die zweieinhalbjährige Schwester und der achtjährige Bruder von Yvonne Mennen, die gemeinsam mit der Mutter aus den Niederlanden geflüchtet waren, seien dann wegen Krätze im Hilfskrankenhaus in Uelzen untergebracht worden und sollten nach ihrer Genesung in ein NSV-Kinderheim kommen, so gab eine niederländische NSV-Helferin bei der ärztlichen Begutachtung Auskunft.

Die Mutter habe ihre Kinder geschlagen und sie stundenlang halbnackt im kalten Raum allein gelassen, auch soll sie gedroht haben mit ihren Kindern »ins Wasser« zu gehen, also sich selbst und ihnen das Leben zu nehmen. Daraufhin diagnostizierte Dr. Sinn, Arzt in einer Privatklinik in der Bahnhofstraße 6 in Bad Bevensen, bei dem eine Elisabeth Wolter aus Bienenbüttel zuvor Meldung über die Familie Mennen gemacht hatte, dass bei der Mutter eine Psychopathie (Persönlichkeitsstörung) und bei Yvonne »schwere Debilität (Kind braucht dauernd Aufsicht)« vorliege.

Doktor Sinn wies beide in die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg ein. Am 25. Oktober 1944 erfolgte die Aufnahme. Bereits vier Wochen später, am 26. November 1944, starb Yvonne Mennen im Alter von fast sechs Jahren. Die offizielle Todesursache lautete »Dickdarmkatarrh«. Sie wurde auf dem Kindergräberfeld bestattet. Ihre Mutter wurde am 2. März 1945 »gebessert entlassen«.