Kriegs-Gräber-Stätte

Die Kriegs-Gräber-Stätte besteht aus vielen Gräbern.
Von Opfern des Zweiten Welt-Krieges.
Die Kriegs-Gräber-Stätte auf dem Fried-Hof Nord-West gehört zur Anstalt.
Es sind 79 Gräber von erwachsenen Patienten.
Nur einer ist kein Patient.
Und es sind 4 Gräber von Kindern aus der Kinder-Fach-Abteilung.
Viele sind Opfer vom Patienten-Mord.
In der Zeit des National-Sozialismus.

Die Toten kommen aus ganz Europa.
Aus Polen und Russland kommen die meisten.
Und aus der Ukraine.
Von 4 Toten weiß man nicht woher sie kommen.

Viele der Toten sind Zwangs-Arbeiter.
Oder Flüchtlinge.
Viele sterben vor Hunger.
Oder weil sie keine Kraft mehr haben.
Oder sie haben eine tödliche Lungen-Erkrankung.
Ärzte helfen ihnen nicht.
Darum sterben sie.

Jedes zweite Grab gehört zum Aus-Länder-Gräber-Feld.
Die Kinder-Gräber kommen vom Kinder-Gräber-Feld.
Sie gehören zu:
Dieter Lorenz
Berend Hiemstra
Rosa Reinhard
Abraham Kamphuis

Eigentlich sollen alle Gräber von Opfern dableiben.
Ein Kriegs-Gräber-Gesetz schützt sie.
Darin steht:
Alle Gräber von Opfern von Krieg und Gewalt müssen erhalten bleiben.
Für immer.

Aber das passiert nicht.
Alle Gräber werden auf-gelöst.
Bis auf die der Kriegs-Gräber-Stätte.
Weil das Fried-Hofs-Amt denkt:
Das sind Gräber von Aus-Ländern.
Aus-Länder waren Opfer von Krieg und Gewalt.
Darum müssen sie Teil der Kriegs-Gräber-Stätte sein.

Dabei vergisst das Fried-Hofs-Amt 7 Kinder-Gräber.
Es sind die Gräber von:

Bernd Sabarosch
Luba Gorbatschuk
Iljia Matziuk
Elisabeth van Molen
Johann Peter Wolf
Uossy bzw. Kossi
Yvonne Mennen.

Kinder-Gräber-Feld

Es gibt 425 tote Kinder und Jugendliche.
In der Zeit des National-Sozialismus.
In der Anstalt in Lüneburg
Fast alle sind ermordet.
Sie sind Opfer vom Patienten-Mord.

Sie werden beerdigt.
Auf einem Fried-Hof.
Das ist der Fried-Hof Nord-West.

Die Gräber sind auf einem besonderen Teil.
Da werden nur Kinder begraben.
Deswegen heißt es Kinder-Gräber-Feld.

Dort werden fast 300 Kinder und Jugendliche begraben.
Das jüngste tote Kind ist erst 3 Monate alt.
Das älteste tote Kind ist 16 Jahre alt.
Das passiert zwischen den Jahren 1941 und 1950.

Jedes Kind bekommt einen Kinder-Sarg.
Er ist kleiner als der für Erwachsene.
Und jedes Kind bekommt ein eigenes Grab.
Ein Kinder-Grab.
Es ist auch kleiner als das für Erwachsene.

Manchmal gibt es keinen Kinder-Sarg.
Dann nimmt man einen großen Sarg für Erwachsene.
Dann muss das Kind auch in ein großes Grab.
Denn der große Sarg passt nicht in das kleine Kinder-Grab.
Darum gibt auch Kinder-Gräber außerhalb vom Kinder-Gräber-Feld.
Insgesamt 24.
8 sind Gräber von Opfern vom Patienten-Mord.

Die Familien sind bei der Beerdigung nicht dabei.
Sie müssen sich nicht um das Grab kümmern.
Das macht der Fried-Hofs-Gärtner.
Trotzdem kommen viele Familien.
Sie pflanzen Blumen auf das Grab.
Sie setzen einen Grab-Stein.
Sie kommen und gießen die Blumen.
Die anderen Gräber sind nur Rasen und Efeu.

Ab 1975 werden die Gräber weg gemacht.
Die Familien erfahren das nicht.
Niemand sagt ihnen:
Das Grab kommt weg.

Nur 4 Kinder-Gräber bleiben erhalten.
Sie werden Teil einer Kriegs-Gräber-Stätte.

»Kinder-Euthanasie«

Euthanasie heißt Patienten-Mord.
Kinder-Euthanasie heißt Kinder-Mord.

Im National-Sozialismus werden Kinder ermordet.
Es sind Kinder mit Behinderungen.
Und Kinder die sich anders verhalten.
Der Mord fängt im Jahr 1938 oder 1939 an.

Ab dem Jahr 1939 müssen alle Kinder mit Behinderung gemeldet werden.
Kinder die nicht laufen.
Kinder die nicht sprechen.
Kinder die nicht sehen.
Kinder die nicht hören.
Kinder die langsam im Lernen sind.
Kinder die langsam im Denken sind.

Ärzte und Pfleger und Geburts-Helfer melden.
Sie sagen dem Gesundheits-Amt:
Dieses Kind ist krank.
Es hat eine Behinderung.
Es muss in ein besonderes Kranken-Haus.
Es muss in eine Kinder-Fach-Abteilung.
Das ist eine Kinder-Station.
Da werden die Kinder untersucht.
Ein Arzt sagt dann:
Das Kind ist krank.
Das Kind muss sterben.

Der Arzt sagt das nicht immer alleine.
Er bekommt Hilfe von 3 anderen Ärzten in Berlin.
Sie nennen sich Reichs-Aus-Schuss.

Die Kinder werden mit einem Medikament ermordet.
Sie bekommen viel zu viel von dem Medikament.
Sie sterben oft an einer Lungen-Entzündung.
Das kommt durch das Medikament.

Es werden mehr als 5 Tausend Kinder ermordet.
Viele in einer Kinder-Fach-Abteilung.
Die jüngsten sind nur wenige Tage alt.
Die ältesten sind fast 16 Jahre alt.

Manchmal machen die Ärzte mit den Kindern Versuche.
Sie geben ihnen nicht erlaubte Medikamente.
Sie geben ihnen nicht das Medikamente das sie brauchen.
Sie geben ihnen nichts zu essen.
Viele Kinder sterben auch an Hunger.

Man nimmt den toten Kindern das Gehirn raus.
Es wird untersucht.
Die Ärzte wollen wissen:
Warum hat das Kind eine Behinderung?
Das Gehirn wird auch zu anderen Ärzten geschickt.
Zum Beispiel an eine Hoch-Schule.
Da lernen Menschen den Arzt – Beruf.
Da forschen sie an den Gehirnen.

Manchmal melden die Ärzte, Pfleger oder Geburts- Helfer auch
mehrere Kinder aus einer Familie.
Brüder und Schwestern kommen zusammen in die Kinder-Fach-Abteilung.
Sie werden alle ermordet.
Oder einzelne über – leben.
Dann beobachten sie den Mord an der Schwester oder dem Bruder.

Nur wenige Kinder über – leben.
Ihre Familien retten sie.
Oder sie bleiben viele Jahre in der Anstalt.
Oft gegen ihren Willen.
Auch nachdem der National-Sozialismus vorbei ist.

Friedrich Daps

Friedrich Daps ist am 4. Oktober 1933 in Isern-Hagen geboren.
Das ist in der Nähe von Hannover.
Hannover ist die Haupt-Stadt von Nieder-Sachsen.
Er hat 2 Brüder.
Sie sind jünger.

Friedrich ist das erste Kind.
Die Mutter kann sich nicht gut um Friedrich kümmern.
Sie hat nicht genug Kraft für Friedrich.
Und die Eltern haben ein Problem mit seiner Behinderung.
Friedrich kommt mit 4 Jahren in ein Heim.

Das Heim ist die Pestalozzi-Stiftung.
Die gibt es auch heute noch.
Friedrich soll nur wenige Tage da sein.
Doch es kommt anders.

Ein Arzt unter-sucht Friedrich.
Er stellt fest:
Friedrich will nicht mit anderen Kindern spielen.
Er ist sehr unruhig und wild.
Er macht nichts was man ihm sagt.
Er kann nicht hören und sprechen.
Er ist dumm.

Der Arzt entscheidet:
Friedrich muss in eine Anstalt.
Eine Anstalt ist ein besonderes Kranken-Haus.
2 Tage später kommt er in eine Anstalt in Hannover.

Friedrich soll schnell weg.
Die Pestalozzi-Stiftung will ihn los-werden.
Die Anstalt in Hannover ist sehr überrascht.
Die Eltern von Friedrich werden nicht gefragt.

Friedrich kommt nach 8 Monaten in eine zweite Anstalt.
Die ist in Roten-Burg.
Dort bleibt Friedrich 2 Jahre und 7 Monate.

Dort interessiert er sich nur für besondere Sachen.
Zum Beispiel für Licht, Glitzern, Brummen.
Ärzte denken deshalb:
Friedrich ist dumm und blöde.

Im Jahr 1941 kommt Friedrich nach Lüne-Burg.
In ein Kranken-Haus.
Er kommt in die Kinder-Fach-Abteilung.
Er kommt in das Haus 25.

Der Lüne-Burger Arzt entscheidet:
Friedrich wird nicht wieder gesund.
Er muss sterben.

Eine Kranken-Schwester gibt ihm ein Medikament.
Sie gibt ihm viel zu viel.
Damit Friedrich daran stirbt.
Er wird ermordet.

Er stirbt am 21. März 1942.
Da ist er 9 Jahre alt.

Der Arzt nimmt danach das Gehirn von Friedrich aus dem Kopf.
Er unter-sucht das Gehirn.
Und er schickt es in ein Kranken-Haus nach Hamburg.
Das bleibt alles geheim.

Friedrich wird auf dem Anstalts-Friedhof beerdigt.
Ohne die Eltern.
Sie bekommen die Nachricht über den Tod zu spät.
So schnell können sie nicht nach Lüne-Burg kommen.

Der Mord an Friedrich bleibt auch geheim.

Bis Forscher Teile von dem Gehirn von Friedrich finden.
Das ist erst 70 Jahre später.
Die Gehirn-Teile sind immer noch in dem Kranken-Haus in Hamburg.
Man hat sie einfach vergessen.
Nach dem Ende des Zweiten Welt-Krieges.

Auch die Gehirn-Teile von elf anderen Kindern wurden vergessen.
Alle diese Kinder wurden in Lüne-Burg ermordet.
In der Kinder-Fach-Abteilung in der Lüne-Burger Anstalt.

Die Gehirn-Teile werden 2013 beerdigt.
Es gibt eine Gedenk-Anlage.
Sie erinnert an Friedrich.

Im Jahr 2021 bekommt eine Straße den Namen Friedrich Daps-Weg.
Die Straße ist in der Nähe von der Pestalozzi-Stiftung.
Im Jahr 2022 bekommt Friedrich einen Stolper-Stein.
Er liegt vor dem Haus von der Familie von Friedrich.

Friedrich Daps

Friedrich Daps Stolperstein

Friedrich-Daps Straßenname

Friedrich Daps

Friedrich Daps wurde am 4. Oktober 1933 in Isernhagen bei Hannover geboren. Seine Eltern Willi und Alma Daps hatten noch zwei weitere Kinder. Friedrich war der Älteste. Friedrich hatte eine geistige Behinderung und kam am 17. Juli 1937, begleitet von seinem Vater Willi, in die Pestalozzi-Stiftung in Großburgwedel. Da war Friedrich noch keine vier Jahre alt. Warum die Eltern ihn dorthin brachten, ist nicht bekannt. Vermutlich waren die Eltern mit der Behinderung des Sohnes überfordert. Er sollte nur ein paar Tage dort bleiben.

Am 8. August 1937 wurde Friedrich Daps obligatorisch von einem Arzt begutachtet. Der kam zu dem Schluss, dass Friedrich »anstaltsbedürftig« sei. Die Pestalozzi-Stiftung schob Friedrich daraufhin schon wenig später am 10. August 1937 in die Heil- und Pflegeanstalt Langenhagen ab. Über die Eile war die Anstalt verwundert.

In einem Bericht der Stiftung wurde er als »erziehungsunfähig« bezeichnet. Von Langenhagen aus wurde er im März 1938 in die Anstalten der Inneren Mission Rotenburg verlegt. Die wenigen Einträge in Friedrichs Akte aus beiden Anstalten bezeichnen ihn als »schwachsinnig« und »nicht bildungsfähig«. Am 9. Oktober 1941 wurde er gemeinsam mit 137 anderen Kindern aus Rotenburg in die »Kinderfachabteilung« Lüneburg verlegt.

Dort starb Friedrich am 21. März 1942. Er wurde nur acht Jahre alt. Die angebliche Todesursache »angeborener Schwachsinn« und »Lungenentzündung« kann bezweifelt werden. Höchstwahrscheinlich wurde Friedrich in der »Kinderfachabteilung« Lüneburg mit dem Medikament Luminal ermordet.

Telegrafisch wurde der Vater noch am gleichen Tag benachrichtigt, dass der Sohn bereits am Tag darauf um 15.30 Uhr auf dem Anstaltsfriedhof, dem heutigen Friedhof Nord-West, beerdigt werde. An eine Überstellung der Leiche nach Hannover war nicht gedacht. Vielmehr musste das Kind wohl schnell unter die Erde.

Friedrichs Gehirn wurde nach seinem Tod entnommen und zu Forschungszwecken in das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf geschickt. Dort wurde es mit den Gehirnschnitten von elf weiteren Kinder-Opfern aus der Lüneburger »Kinderfachabteilung« siebzig Jahre später aufgefunden. Diese sterblichen Überreste wurden am 25. August 2013 auf dem Nord-West-Friedhof bestattet, auf dem eine Gedenkanlage eingerichtet worden war.

Im Februar 2021 wurde in Großburgwedel eine Straße nach Friedrich Daps in der Nachbarschaft zur Pestalozzi-Stiftung benannt. Im Frühjahr 2022 wurde ihm in Isernhagen vor seinem ehemaligen Zuhause ein Stolperstein verlegt.

Friedrich Daps im Alter von 4 Jahren, Aufnahmefoto der Anstalten der Inneren Mission Rotenburg August 1937.

NLA Hannover Hann. 155 Lüneburg Acc. 56/83 Nr. 218.

Stolperstein für Friedrich Daps.

ArEGL.

Straßenumbenennung in Friedrich-Daps-Weg.

ArEGL.

Mariechen Petersen

Mariechen Petersen wurde am 2. Juni 1933 als zweites Kind von Wilhelm und Erna Petersen geboren. Das Ehepaar Petersen hatte insgesamt acht Kinder. Die Familie wohnte in der Rotehahnstraße 4. »Mike«, wie Mariechen von den anderen Kindern genannt wurde, habe dort immer auf der Türschwelle gesessen und den vielen Kindern in der Straße beim Spielen zugeguckt. Ihr Vater Wilhelm Petersen starb als Soldat am 18. Juli 1941. Von da an musste Erna Petersen ihre neunköpfige Familie allein versorgen.

Als sie sich im Herbst 1942 kritisch über eine Parteiveranstaltung der NSDAP äußerte und eine Teilnahme verweigerte, wurde Erna Petersen denunziert und am 2. November 1942 verhaftet. Für vier Monate musste sie ins Gefängnis nach Hannover. Die Staatliche Fürsorge übernahm die acht Kinder. Die jüngsten kamen zur Großmutter, die älteren in ein Kinderheim nach Celle. Mariechen wurde aufgrund ihres Down-Syndroms zunächst in das Kinderhospital in der Barckhausenstraße 6 und von dort in die »Kinderfachabteilung« der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg eingewiesen. Nach einer sechswöchigen Beobachtungszeit kam der zuständige Arzt Willi Baumert zu dem Entschluss, bei Mariechen sei »keine Entwicklung zu erwarten«. Danach erkrankte sie. Informationen über die Gabe von Medikamenten legen nahe, dass die Infekte provoziert worden waren, möglicherweise um Wirkstoffe zu erproben.

Nach der Haftentlassung von Erna Petersen wurde Mariechen von ihrer Mutter und den Geschwistern besucht. Die Mutter brachte ihr Kleidung und zusätzliche Nahrung. Am 9. August 1943 beantragte sie sogar Geld für ein neues Kleid und ein Paar Schuhe. Bemerkenswert ist, dass Mariechen nur in den Wochen, in denen ihre Mutter zu Besuch kommen konnte, keinen Infekt hatte. Vollkommen entkräftet und mit hoher Wahrscheinlichkeit infolge einer Überdosis an Medikamenten starb Mariechen am 15. September 1943.

2019 wurde für Mariechen Petersen in der Rotehahnstraße 4 ein Stolperstein verlegt.