Dimirti Wolanyk ist im Jahr 1916 in Polen geboren. Polen ist ein Nachbar-Land von Deutschland. Es wird von den Deutschen besetzt. Damit beginnt der Zweite Welt-Krieg. Das ist im Jahr 1939.
Die Deutschen verschleppen polnische Männer und Frauen. Nach Deutschland. Sie werden zur Arbeit gezwungen. Auch Dimitri kommt nach Deutschland. Als Zwangs-Arbeiter. Dann wird er krank. Er hat eine Lungen-Krank-Heit.
Im November 1943 kommt er ins Kranken-Haus. Nach Lüneburg. Dort verhält er sich merk-würdig. Darum kommt er in die Lüneburger Anstalt.
Durch seine Lungen-Krank-Heit ist Dimitri sehr verwirrt. Er ist auch sehr dünn. Er hat hohes Fieber. Er kann kein Deutsch. Die Ärzte können nicht mit ihm sprechen.
Fünf Tage später stirbt Dimitri. Das ist am 6. Dezember 1943. Er ist erst 28 Jahre alt.
Anton Ratazak ist im Jahr 1914 in Polen geboren. Das ist ein Nachbar-Land von Deutschland. Aber er lebt in Deutschland. Wahr-scheinlich schon vor dem Zweiten Welt-Krieg. Er ist Arbeiter in Wilhelms-Haven. Das ist eine Stadt an der Nord-See.
Das Gesundheits-Amt sagt: Anton ist gefährlich. Doch das stimmt nicht. Anton hat eine Krankheit. Manchmal hat er Anfälle. Aber mit einem Medikament geht es ihm gut.
Im Juli 1944 kommt Anton in die Anstalt. Das ist ein besonderes Kranken-Haus. Das ist in der Nähe von Wilhelms-Haven. Dort soll er zur Behandlung arbeiten. Aber dazu hat Anton keine Lust. Er will gesund werden und nicht arbeiten.
Deswegen kommt Anton in die Anstalt nach Lüneburg. Er wird neu untersucht. Es geht Anton gut. Er hat schon länger keinen Anfall. Anton sagt: Ich habe keine Anfälle. Er bekommt dann auch keine Medizin.
Dann bekommt Anton doch wieder Anfälle. Er bekommt aber keine Medizin. Er muss eigentlich Luminal bekommen. Aber der Arzt sagt: Nein.
Deswegen stirbt Anton. Das ist im März 1945. Er ist erst 30 Jahre alt. Der Arzt hat ihn ermordet. Weil er ihm keine Medizin gab. Mit der Medizin hätte Anton überlebt.
Anton Ratazack war Arbeiter in Wilhelmshaven. Da er gut Deutsch sprach, ist anzunehmen, dass er bereits vor Ausbruch des Krieges im Deutschen Reichsgebiet lebte und arbeitete. Anton Ratazack wurde am 4. Mai 1914 in Polen im Kreis Lissa in der Provinz Posen geboren. Die Einweisung in die Heil- und Pflegeanstalt Oldenburg in Wehnen am 22. Juli 1944 wurde durch das Staatliche Gesundheitsamt angeordnet. Sie sei wegen »Gemeingefährlichkeit« erforderlich gewesen. Anton Ratazack hatte Epilepsie. Da er das Medikament Luminal bekam, war während seiner Zeit in Wehnen kein epileptischer Anfall mehr aufgetreten. Zudem bestätigte sich die Gemeingefährlichkeit nicht, vielmehr notierte der Arzt in Wehnen, Ratazack komme »bei den Visiten fast immer mit neuen Wünschen. Der Versuch, ihn innerhalb der Feldkolonne zu beschäftigen [scheiterte], da R.[atazack] draußen fast überhaupt nichts Positives leistete.«
Nach seiner Verlegung nach Lüneburg, für die es in Ermangelung einer akuten Situation streng genommen gar keinen Anlass gab, wurde er erstmals am 3. Januar 1945 vom Leiter der Männerabteilung der Ausländersammelstelle Dr. Redepenning untersucht. Dieser kam ebenfalls zu dem Ergebnis: »Angeblich kein Anfall seit 4 Monaten. Von Beruf Schmied. In W’[ilhelms]haven seine Eltern, dort möchte er hin, er will dort Fabrikarbeiter sein. Hat Wagen repariert. Gibt dem Dolmetscher gute Auskunft, macht intelligenten Eindruck.« Zwei Wochen später, am 17. Januar, notierte Redepenning: »›Gesund‹ versichert er immer wieder. […] ›nicht, nicht, nicht‹ – will keine Anfälle haben.« Redepenning beschloss, »ohne Anfälle gibt es auch kein Luminal«, so schrieb er es auch in die Krankengeschichte. Als Anton Ratazack dann doch nachts Anfälle entwickelte, bestätigte Redepenning die Diagnose. Eine Wiederaufnahme der Luminaltherapie blieb aber offensichtlich aus, sodass Anton Ratazack als »nicht arbeitsfähig« eingestuft wurde, Anfälle behielt und während eines Daueranfalls am 11. März 1945 im Alter von nur 30 Jahren starb.
Dimitri Wolanyk wurde am 7. Februar 1916 in Smarnów in Polen geboren. Er war »Ostarbeiter«. Wegen »doppelseitiger Lungentuberkulose« befand er sich seit dem 27. November 1943 zur Behandlung im städtischen Krankenhaus in Lüneburg. Da er sich sonderbar verhielt, »völlig nackt in der Gegend und im Gelände« herumlief, schließlich ganz ausriss, wurde er – kaum wieder zurückgebracht – durch den Facharzt für Innere Krankheiten, Dr. Schulz, in die benachbarte Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg eingewiesen.
Als er dort am 1. Dezember 1943 aufgenommen wurde, diagnostizierte Gustav Marx eine Verwirrtheit infolge einer Tuberkulose. Zudem war Dimitri Wolanyk stark untergewichtig. Bei einer Größe von 1,72 m wog er nur 48 kg. Ansonsten stellte Marx nur fest, dass eine Verständigung nicht möglich sei und der Patient keine Antworten auf Fragen gebe. Einem Sprachkundigen jedoch sagte dieser, er sei 28 Jahre alt. Insgesamt wirkte er wohl sehr ängstlich, wie in der Akte notiert. Bei anhaltend hohem Fieber starb er bereits nach fünf Tagen in der Lüneburger »Ausländersammelstelle«.
Fjodor Pawlow wurde am 7. Februar 1883 in der Ukraine geboren. Er war Zwangsarbeiter in Blankenburg im Harz. Auf Veranlassung seines Arbeitgebers wurde er am 24. Februar 1943 amtsärztlich untersucht, weil er angeblich Mitarbeiter*innen belästigt habe und seiner Arbeit nicht nachgegangen sei. Bei einem Aufenthalt im Hilfskrankenhaus habe er mit anderen Patient*innen tanzen wollen und sei unruhig gewesen. Sein Arbeitgeber und ein sprachkundiger Arzt wurden hinzugezogen. Die Diagnose lautete, dass er zusammenhanglose Antworten gebe und über die tatsächlichen Verhältnisse nicht orientiert sei. »Bei dem Ostarbeiter Fjodor Pawlow besteht demnach eine Psychose mit Erregungszuständen. Wegen Gefährdung der öffentlichen Ordnung ist die Aufnahme in die Landes-, Heil und Pflegeanstalt dringend notwendig«, wurde seine Einweisung begründet.
Bei seiner Aufnahme wog der 1,69 m große Mann nur 46 kg. Außerdem wurde ein Leistenbruch festgestellt. Fjodor Pawlow konnte mitteilen, dass er gestürzt sei und seitdem Kopfschmerzen habe. Er sagte auch, er habe nicht um sich geschlagen, nicht getobt und habe auch mit niemandem tanzen wollen. Der Arzt Dr. Rudolf Redepenning notierte: »Depressive Reaktion?« und »Macht stumpfen Eindruck«. Der nächste und letzte Eintrag erfolgte am Tag seines Todes am 7. Mai 1945. Redepenning notierte, dass Pawlow »Außenarbeit«, d. h. schwere Feldarbeit verrichtet habe, dann aber schwach und bettlägerig wurde. Schließlich sei er im Bett tot aufgefunden worden. Als Todesursache gab Redepenning »Erschöpfung bei akuter Geisteskrankheit« an.
Sein Gewicht wurde nach seiner Aufnahme in die Lüneburger Heil- und Pflegeanstalt nicht mehr notiert. Die grundlose Hinfälligkeit und Schwäche weisen darauf hin, dass er verhungerte bzw. an Erschöpfung starb, ging seine Zwangsarbeit in der Anstalt nahezu unvermindert weiter.
Jan Stawicki wurde am 5. Dezember 1920 in Wola Sosnowa im Kreis Leslau in Polen geboren. Er arbeitete als polnischer Landarbeiter in Bispingen. Ohne Angabe von Gründen ordnete das Staatliche Gesundheitsamt des Kreises Soltau am 13. April 1944 die Einweisung und Unterbringung von Jan Stawicki für die Dauer eines Jahres an. Noch am selben Tag wurde er in Begleitung seines Arbeitgebers und eines Beamten in die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg gebracht und in Haus 21 aufgenommen. Aufnehmender Arzt war Willi Baumert. Er notierte, dass Stawicki unsauber und apathisch sei, mit geschlossenen Augen bewegungslos im Bett liege, daher vollkommen versorgt werden müsse. Auch zwei Tage später stellte er fest: »Gleichbleibend gehemmt, bewegungsarm, dabei leicht trauriger Gesichtsausdruck, keinerlei Reaktion. Nahrungsaufnahme schlecht, muss gefüttert werden.«
Vier Tage später wurde er in einem Einzelzimmer isoliert, bekam drei Elektroschocks. Bei einer Röntgenuntersuchung der Lunge stellte man großflächige Verschattungen fest, die auf eine fortgeschrittene Tuberkulose hindeuteten. Am 28. April 1944 wurde er nach Haus 1 verlegt und nun von Gustav Marx behandelt. Dieser stellte »Hinfälligkeit« fest. Doch auch dort stellte sich keine Besserung ein. Jan Stawicki sprach nicht, gab auf Fragen keine Antworten, verweigerte das Essen, musste im Juni 1944 vorübergehend mit einer Sonde ernährt werden.
Im September 1944 verschlechterte sich sein Zustand weiter, er bekam hohes Fieber, verlor Blut, zeigte Symptome einer Herzinsuffizienz. Am 19. September 1944 starb Jan Stawicki in der Lüneburger »Ausländersammelstelle« im Alter von 23 Jahren. Offizielle Todesursache war eine »doppelseitige Lungentuberkulose«.
Joseph Lubiewski wurde am 25. November 1875 in Subkau in Polen geboren. Er lebte mit seiner Frau Elisabeth in Wesermünde. Nach einem Gutachten des Gesundheitsamtes kam er dort Ende 1941 in ein Altenheim. Weil sich sein Zustand verschlechterte, wurde er im Oktober 1943 erneut begutachtet. Der Amtsarzt Dr. Pannenborg kam zu dem Ergebnis, Joseph Lubiewski sei »unreinlicher«, »rabiat« und »stumpfer« geworden und leide unter »Altersschwachsinn«. Er empfahl die Aufnahme in die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg.
Fünf Tage später, am 28. Oktober 1943 wurde Joseph Lubiewski mit einem PKW nach Lüneburg gebracht und in Haus 6 der Anstalt aufgenommen. Den plötzlichen Umzug nach Lüneburg verstand Joseph Lubiewski nicht. Er blieb noch zwei Tage später überzeugt, er befände sich noch in seinem Heim in Wesermünde.
In den nächsten anderthalb Jahren bis zu seinem Tod erfolgten nur zwei Einträge in die Patientenakte. Am 13. Mai 1944 stellte der Anstaltsarzt Gustav Marx fest, Lubiewski zeige immer noch das gleiche Bild und »hält sich sauber«. Am 5. August notierte Rudolf Redepenning »nach Haus 15«. d. h., er wurde von der allgemeinen Station in die »Ausländersammelstelle« verlegt. Nach der Verlegung war Redepenning sein zuständiger Arzt.
Am 17. März 1945 starb Joseph Lubiewski. Der letzte Eintrag in der Akte in Redepennings Handschrift lautete »11 Uhr 30 an Erschöpfung gestorben nach langem Schwächezustand«. Welche Ursachen die Schwäche und Erschöpfung hatten, geht aus der Akte nicht hervor. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist er an Mangelversorgung gestorben bzw. verhungert. Joseph Lubiewski wurde 69 Jahre alt.
Katharina Kunka wurde am 12. September 1910 in der Ukraine geboren. Am 4. Oktober 1944 war sie in das St. Josef-Stift in Celle überwiesen worden, wo ein Tumor an ihrem Fuß behandelt wurde. Von dort wieder zurück im Lager für Ostarbeiter*innen in Unterlüß, das zum Rüstungsbetrieb Rheinmetall-Borsig AG gehörte, soll sie sich laut Aussage ihrer Arbeitskolleg*innen sonderbar verhalten haben, sei nachts umhergelaufen, habe nichts gegessen und nicht mehr gesprochen. Die vorläufige Diagnose des Lagerarztes in Unterlüß lautete: Rastlosigkeit, ängstliches Umherschauen, Nicht-Ansprechbarkeit.
Katharina Kunka kam am 20. Januar 1945 in den »Ostarbeiterinnensaal« in Haus 16 der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg. Bei ihrer Aufnahme wurde sie als blass, gehemmt und ängstlich beschrieben, sie habe »rote Strippen« auf der Brust gehabt und geweint. Im März 1945 ging es Katharina Kunka wohl besser, sie sei »geordnet« und »ruhig« und arbeite in der Schälküche. Im September 1945 entwickelte sie erste Anzeichen einer Tuberkulose. Obwohl sie den depressiven Zustand, den sie bei ihrer Aufnahme zeigte, überwunden hatte, wurde sie nun wegen ihrer Tbc nicht entlassen.
Am 20. Dezember 1945 wurde vermerkt, dass sie Tbc-frei sei, doch bereits Ende Januar 1946 verschlechterte sich ihr Zustand wieder. Seitdem schwankte ihr Gesundheitszustand mit negativer Tendenz bis zu ihrem Tod am 17. Juli 1947. Ab Mai 1946 gab es zunehmend Schwierigkeiten mit der Nahrungsaufnahme. Sie wurde immer wieder durch eine Sonde ernährt, weil sie Nahrung verweigerte. Auch kippte ihre psychische Verfassung, am 12. Februar 1947 wurden von Gustav Marx Antriebslosigkeit und Depression notiert. Am 18. Juli 1947 vermerkte Marx einen »fortgeschrittenen Kräfteverfall« und einen »elenden Zustand«. Am nächsten Tag war Katharina Kunka tot. Sie starb im Alter von 36 Jahren an einer Lungen-Tbc, die sie sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in der Anstalt zugezogen hatte, denn bei ihrer Aufnahme war sie tuberkulosefrei gewesen.